100 Best Practice-Tipps für eine noch bessere Praxisorganisation. Klaus-Dieter Thill
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1.4 Welcher Organisations-Typ sind Sie?
Patienten werten schlechte Organisation als Unfähigkeit des Praxisteams, denn gut funktionierende Abläufe werden in gleichem Umfang erwartet wie gute Medizin. Die wohl wichtigste Beurteilungsgröße der Organisationsqualität ist für Patienten die Länge der Wartezeit. Entscheidend für die Zufriedenheit ist hierbei nicht die absolute Länge des Wartens, sondern das Verhältnis zu Länge und Qualität des Arztkontaktes. Doch diese Gesetzmäßigkeit beachten nur die wenigsten Praxisinhaber. Stellt man die Länge der Wartezeit und die Dauer des Arzt-Patienten-Gesprächs einander gegenüber, lässt sich eine die Realität sehr gut beschreibende Typologie für Praxisinhaber entwickeln:
- Die Optimierer (ca. 5% der Ärzte) haben ihre Abläufe systematisch entwickelt und strukturiert. Sie sind in der Lage, den unterschiedlichen Zeitanforderungen der Patienten gerecht zu werden und gleichzeitig ihre Praxisziele zu erreichen. Durch kontinuierliche Analysen und Kontrollen halten sie ihre Organisationssysteme im Form.
- Das Gegenteil sind die Indifferent-Planlosen (ca. 40%). Sie kümmern sich nicht um organisatorische Effizienz oder Patientenwünsche, sondern reagieren aktionistisch auf die täglichen terminlichen Anforderungen der Praxisarbeit. Auch ihr persönliches Zeitmanagement folgt keinen Regeln, sondern spontanen Eingaben, z. B. in Form längerer Privatgespräche mit Patienten.
- Die Akkord-Therapeuten (ca. 25%) sind Optimierer ohne Patientenorientierung. Sie versuchen, das medizinisch Notwendige in so kurzer Zeit wie nur möglich zu erledigen. Informationen erhalten die Patienten von ihnen kaum.
- Die Unorganisierten Kümmerer (ca. 30%) stellen wiederum die Patienten in den Mittelpunkt, vernachlässigen aber dabei die Praxisorganisation. Wer zu ihnen geht, muss überlange Wartezeiten in Kauf nehmen, erhält dafür aber das Maximum an Aufmerksamkeit, Zuwendung und Hilfe.
1.5 Ein erster Überblick zur Fehlersuche und -beseitigung
Wo liegen die Hauptprobleme der organisatorischen Gestaltung des Praxisbetriebs? Die Ergebnisse einer Untersuchung von Arztpraxen, die nach eigenen Angaben mit Termin-Bestellsystemen arbeiten, gibt Aufschluss. Einschlußkriterium war eine Erfüllung der Patientenanforderungen (Zufriedenheit mit den erfragten Leistungsmerkmalen in Prozent der Wichtigkeit) von weniger als 50%. Die Ergebnisse: als Durchschnittswert für die Patientenzufriedenheit mit der Praxisorganisation konnte für die analysierten Praxen die Note 4,7 (Basis: Schulnoten-Skalierung) ermittelt werden. Folgende Fehlsteuerungen der Praxisorganisation waren hierfür in der Hauptsache (Auftrittshäufigkeit > 70%) verantwortlich:
(1) Missbrauch der Pufferzeiten: in 2/3 der Praxen fehlen Pufferzeiten vollständig, in den übrigen Betrieben werden sie nur teilweise beachtet und für die Eingliederung von Patienten ohne Termin verwendet.
(2) Unzureichende Aufgabenkoordination: es gibt keine Abstimmung der Tätigkeiten innerhalb des Praxisteams, so kommt es zu Doppel- oder Nicht-Erledigungen.
(3) Schlechte interne Kommunikation: der Informationsfluss ist nicht geregelt und institutionalisiert.
(4) Fehlende Abstimmung des ärztlichen Zeitmanagements mit den Praxisabläufen: Ärzte halten die zur Verfügung stehenden Konsultations-Zeiten nicht ein, führen ausufernde Privatgespräche mit den Patienten oder lange Telefonate.
(5) Mehrdeutige Arbeitsanweisungen des Arztes / der Ärzte: ein schneller Zuruf im Vorbeigehen :"Kümmern Sie sich mal um...!" ohne weitere Spezifikation oder Vorgaben "nach Tagesform" machen es vielen Mitarbeiterinnen schwer, ihre Aufgaben adäquat zu erledigen.
(6) Zu geringe Personalkapazität: der Personalbestand ist nicht auf das Patienten- und Arbeitsaufkommen abgestimmt oder wird zeitlich falsch eingesetzt ( z. B. Halbtags-Kräfte im Schichtbetrieb).
(7) Fehlende Organisation der Arbeitsmittel: die Aufbewahrung / Lagerung von Büro- und Verbrauchsmaterialien erfolgt an mehreren, z. T. wechselnden Orten, Geräte / Unterlagen werden nach Gebrauch nicht wieder an ihren Ursprungsort zurückgebracht und müssen gesucht werden, also Unordnung.
(8) Flüchtigkeitsfehler: das Personal ist unaufmerksam, Termine werden vergessen, Arbeiten nur oberflächlich erledigt.
(9) Handlungs-Prioritäten fehlen: es gibt keine Abstimmung darüber, welche Anfragen oder Arbeiten Vorrang haben und / oder die Prioritäten des Praxisinhabers wechseln ständig.
(10) Geringe Delegation: Praxisinhaber erledigen fast alle Arbeiten selbst, geben keine Tätigkeiten ab und geraten dadurch in eine tägliche Überlastungs-Situation.
Tipp 1: Beachten Sie den Magnet-Effekt der Praxisorganisation
"Problem erkannt, Gefahr gebannt!" Viele Praxisinhaber folgen am Ende von Praxisanalysen dieser Regel und begnügen sich zunächst mit dem Wissen um die ermittelten Defizite, die sie dann zu einem späteren Zeitpunkt beseitigen wollen. Doch der Praxisalltag macht dieses Vorhaben - Sie werden diese Erfahrung auch schon gemacht haben - häufig zunichte. Besonders die mangelnde Beseitigung organisatorischer Probleme kann gravierende, ja existenzielle Folgen für die Praxisarbeit haben: ohne eine Korrektur verschlechterte sich die Zufriedenheitsbewertung der Patienten besonders stark in Bezug auf die Abläufe, aber auch - bei unveränderter Praxisführung - in den anderen Leistungsdimensionen. Wo anfänglich nur Unmut über zu lange Wartezeiten, die Terminvergabe oder die Wartezeit am Telefon herrschte, schlägt dieser bei fortgesetzter Miss-Organisation in offenen Ärger um. Das Fatale ist hierbei: die Unzufriedenheit mit der Praxisorganisation "infiziert" auch die anderen Bereiche der Praxisarbeit, der Magnet-Effekt der Praxisorganisation greift. Der Begriff bezeichnet eine Konstellation, bei der die Zufrieden- bzw. Unzufriedenheit mit diesem Praxis-Leistungsmerkmal die Beurteilung anderer Merkmale direkt beeinflusst. Dieser Effekt ist in seiner Wirkung so stark, dass ihm durch Veränderungen in anderen Leistungsbereichen kaum entgegengewirkt werden kann. Ihre Organisation wirkt als Zufriedenheits-Magnet, da sie alle Bereiche der Praxisarbeit beeinflusst, selbst Ihre Arbeit kann - isoliert betrachtet - fachlich so gut sein wie sie will, bei Negativ-Veränderungen in der Organisation gerät auch ihre Bewertung in einen Abwärts-Sog, da sie nicht von Organisationsabläufen trennbar ist (Länge der zur Verfügung stehenden Konsultationszeit je Patient, Ruhe bzw. Hektik des Arztes etc.).
Und so funktioniert dieser Effekt: auf Dauer ungelöste Organisationsprobleme initiieren eine Negativ-Entwicklung: die Patientenzufriedenheit sinkt, zuerst mit den organisatorischen Parametern, dann mit deren Folgen, so dass eine immer größere Unzufriedenheit mit der Praxis-Gesamtleistung entsteht. Diese beeinflusst die Weiterempfehlungsbereitschaft der Patienten und das Praxisimage negativ, Stammpatienten wechseln sukzessive zu anderen Ärzten, Neupatienten können nicht im notwendigen Umfang hinzu gewonnen werden. Die Motivation des Personals wird ebenfalls durch die für sie spürbare kritische Haltung der Patienten negativ beeinflusst und zuletzt sinkt - als Konsequenz aus den geschilderten Entwicklungen - auch der wirtschaftliche Erfolg der Praxis.
Doch es gibt auch eine gute Nachricht: das Magnet-Phänomen ist reversibel, d. h. eine Beseitigung der organisatorischen Mängel hat auch einen positiven Magnet-Effekt zur Folge: werden Struktur- und Prozessprobleme beseitigt, steigt die Patientenzufriedenheit sofort an.
Fazit: Der Praxisorganisation