519 Park Avenue. Peter Stockfisch
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“Bergstraesser braucht sein eingespieltes Team, auf das er sich verlassen kann. Fremden gegenüber ist er eher misstrauisch.”
Jennifer dachte daran, wie ihr Chef sie von Anfang an auf äußerste Diskretion eingeschworen hatte. Vor allem sollte sie alles, was seine Person betraf, für sich behalten. Sie hielt sich weitgehend daran. Auch Paula erzählte sie nicht alles.
“Was hältst Du von einem Kaffee ?” wechselte Laura das Thema, stand auf und warf die fast leere Plastikschachtel in den großen Abfallbehälter neben der Bank .
“Gute Idee.”
Sie überquerten Central Park South und steuerten auf Le Pain Quotidien in der Seventh Avenue zu, wo sie sich an einen der langen Holztische setzten und einen “Latte” bestellten. Dieser belgischen Bio- Imbisskette, die handgebackenes Brot und Gebäck in rustikaler Umgebung zu erhöhten Preisen anbot, gaben New Yorker Professionals eindeutig den Vorzug vor Starbucks. Beides waren jedoch nur Ersatzlösungen für die in Amerika komplett fehlende Kaffeehauskultur europäischen Zuschnitts.
Sie blieben nicht lange. Laura fummelte ein paar Dollarscheine aus ihrer Handtasche und legte sie auf den Tisch.
“Bleibt es bei Freitag im “Carlyle” ?”
“Ja, so gegen halb sechs. Wenn es bei mir später werden sollte, rufe ich dich an.”
6.
Das Rindercarpaccio war vorzüglich. Wie gewohnt saßen sie an einem Tisch in der Ecke mit Blick auf den Innenhof, wo sie sich – für New Yorker Verhältnisse – einigermaßen ungestört unterhalten konnten. Heute, am Freitag, war es noch voller als sonst. Sie kamen ziemlich häufig mittags zu “Michael’s”. Es war bequem um die Ecke, exzellentes Essen und professioneller Service.
“Was hältst Du von CALO Solutions ?” Bergstraesser schob seinen Teller beiseite und nahm einen Schluck Wasser. Er sah Thomas fragend an.
“Die Jungs sind smart. Ihre Gewinne sind in den letzten 5 Jahren ständig gestiegen, und ihr Marktwert hat sich seit ihrem Börsengang vervierfacht. Wenn unser Due Diligence keine negativen Überraschungen bringt, sollten wir uns da voll reinhängen.”
“Das Timing scheint nicht gerade ideal”.
“Das stimmt, aber vielleicht liegt darin auch eine Chance”. Thomas war meistens optimistisch, musste aber zugeben, dass das wirtschaftliche Umfeld derzeit eher Anlass zur Sorge gab.
“Beim Dow sind wir etwa 10 % von seinem Höchststand im letzten Sommer entfernt und bei der Nasdaq sind es sogar 15 %. Öl ist schon über 130 und Gold hat die 1000 – Marke durchbrochen.” Er hatte seinen Blackberry aus der Jackettasche genommen und scrollte. “Die Indizes haben sich aber in dieser Woche wieder ganz gut erholt. Und beim Öl ist viel Spekulation.” Er steckte den Blackberry wieder weg und lehnte sich zurück. “Vielleicht bringt ja auch das Stimulus Package der Regierung etwas, und in der nächsten Woche, denke ich, wird die Fed Funds Rate nochmals um einen viertel Punkt auf 2 % gesenkt. Bernanke ist jetzt auf der richtigen Schiene, scheint mir.”
“Andererseits fürchte ich, dass uns noch Einiges bevorsteht. Der Immobiliencrash und seine Folgen sind noch nicht ausgestanden. Mit den Abschreibungen von Morgan Stanley, UBS, Merril Lynch, Citigroup und den anderen Großen sowie der Bear Stearns-Pleite ist es meines Erachtens noch nicht getan. Der ganze Finanzsektor hat den Keller noch voller Leichen”, bremste Lars den Optimismus seines Partners. “Übrigens, auch die Deutschen,” fügte er noch hinzu.
Bergstraesser verließ sich zwar in strategischen Fragen ganz auf Thomas und mischte sich auch wenig in das operative Geschäft seiner erstklassigen Leute ein. Im Laufe der Jahre hatte er sich aber durch das Studium der einschlägigen Wirtschafts- und Finanzmedien und natürlich durch regelmäßige Gespräche mit Investmentbankern und Analysten ein ökonomisches Grundwissen angeeignet, das es ihm erlaubte, sich zu den Marktentwicklungen ein Urteil zu bilden und mitzureden.
“Nein danke, nicht für mich”, sagte Thomas und hielt eine Hand über sein Glas, als der Ober sein Weinglas auffüllen wollte. Der Hauptgang wurde serviert. Thomas hatte sich wie immer für den gegrillten Lachs entschieden und Lars für das Rib-Eye Steak.
Es war erstaunlich: Trotz der zigtausend Restaurants in New York mit all der ethnischen Vielfalt gab es neben den Spezialitäten überall die gleichen vier Standardgerichte – Steak, Lachs, Hähnchen und eine aufgemotzte Pasta. Sie unterschieden sich natürlich durch die Qualität der Ingredienzen, die Zubereitung und die Beilagen und natürlich durch die zum Teil recht phantasievolle Namensgebung. Aber ansonsten: American Standard.
Für einen Moment genossen beide schweigend ihr Essen.
“Wie gesagt, vielleicht liegt hier aber auch eine Chance für uns,” nahm Thomas den Faden wieder auf. “Die großen Institute haben wahrscheinlich abgewinkt. Die haben im Moment mit ihren Sub-primes andere Probleme. Und da ist CALO auf uns gekommen. Wir können hier eine Menge Geld verdienen, was wir gut gebrauchen können. Unsere Anleger sind im letzten Jahr nicht sonderlich von uns verwöhnt worden, und auch das Brokerage-Geschäft ist deutlich zurückgegangen”.
“Im nächsten Jahr könnte es mit einer neuen Regierung neuen Schwung geben – egal ob Hillary oder Obama. Mit Obama, der wohl die Nase vorn hat, könnte es wieder aufwärts gehen,” stimmte Lars zu. “Lasst uns in der nächsten Woche mit unseren Anwälten reden”.
Bergstraessers Telefon vibrierte und klingelte leise. Sie waren fertig. “Hallo ! Hallo ! Wer ist da ? Wer ?” Lars nahm einen tiefen Atemzug, stand auf und ging in Richtung Toiletten. Als er zurückkam, war er leichenblass und seine Hand zitterte. Thomas hatte ihn noch nie so gesehen.
“Is’ was ? Bist du okay ?” Lars antwortete nicht und bewegte sich Richtung Ausgang. Thomas legte einen Zwanziger und einen Zehner als Trinkgeld auf den Tisch - die Rechnung wurde immer ins Büro geschickt - und eilte hinterher.
7.
Der Verkehr nahm jetzt rapide zu. Vor einer halben Stunde hatte Saidi seine Spätschicht angetreten. In den nächsten sechs Stunden würde er das meiste Geld machen.
Gerade hatte er zwei Damen bei Bergdorf & Goodman aussteigen lassen, als bereits ein neuer Fahrgast die noch offene Wagentür hinter sich schloss.
“West Broadway und Grand Street, bitte”.
So würde es jetzt immer weiter gehen bis etwa elf, halb zwölf, wenn im Theater District und im Lincoln Center die Vorstellungen zu Ende waren. Danach würde es ein wenig ruhiger werden. Jetzt bloß keine Tour nach JFK oder La Guardia. Das ist ein fester Preis und kann um diese Zeit bis zu zwei Stunden dauern. Seine pausenlosen 10 - bis 12- Dollar-Touren waren weit lukrativer. Einige seiner Kollegen fuhren manchmal einfach an Leuten mit Koffern vorbei oder schalteten das “OFF”-Licht ein. Dies konnte allerdings böse Folgen haben, wenn die TLC, die Taxi&Limousine Commission, davon Wind bekam.
Saidi liebte seinen Job. Er war auch ein bisschen stolz auf das, was er in den vergangenen Jahren erreicht hatte. Die erste Hürde, die er seinerzeit nehmen musste, um die Taxifahrerlizenz zu erhalten, war der Sprachtest. Die TLC, die Bewerbungen von Menschen aus der ganzen Welt erhält, wachte darüber, dass die angehenden Taxifahrer in der Lage waren, Englisch zu lesen, zu sprechen und zu verstehen. Die zahlreichen Bewerber aus Pakistan und Bangladesch waren hier im Vorteil, da Englisch in ihren Heimatländern eine zweite Amtssprache war. Allerdings wurden sie selber wegen ihrer eigenwilligen Aussprache nicht immer