Pyjamamord. Ole R. Börgdahl
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»Wie hat Ihr Informant denn mit Ihnen Kontakt aufgenommen?«, versuchte ich es noch einmal. »Haben Sie einen anonymen Brief erhalten?«
»Natürlich anonym, aber ich habe doch keinen Brief bekommen«, erklärte Robert Denn. »So weit kann ich es Ihnen ja erzählen. Es war eine SMS auf meinem Handy.«
»Eine SMS auf Ihr Mobile«, wiederholte ich. »Dann müssen Sie doch eine Telefonnummer von dem Absender haben?«
»Mobile?« Robert Denn grinste. »Sie müssen uns Deutsche ja für dämlich halten, dass wir die Dinger Handys nennen, was?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Sie stehen also per Telefon mit Ihrem Informanten in Verbindung?«
»Per SMS und es waren auch nur zwei insgesamt, zwei SMS, bis jetzt. Eine Telefonnummer habe ich allerdings nicht. Ich weiß nicht, wie das geht, aber wenn ich bei den SMS nach der Absendernummer suche, taucht immer nur meine eigene Nummer auf. Es ist ganz komisch, Absender- und Empfängertelefonnummer sind identisch. Wollen Sie es sehen?«
Robert Denn schob uns tatsächlich sein iPhone über die Glasplatte des Schreibtisches. Bruckner griff danach. Ich beugte mich zu ihm herüber. Er drückte unten am Gerät die Home-Taste. Das Display leuchtete auf. Bruckner suchte die Icons ab.
»Die Shortmessages sind unter dem Icon mit der Sprechblase zu finden«, erklärte Robert Denn, der Bruckners Zögern bemerkt hatte. »Tun Sie sich keinen Zwang an, ich habe nur diese beiden Nachrichten auf dem Gerät.«
Bruckner nickte und tippte auf das Icon. Eine Liste mit genau zwei Einträgen öffnete sich. Er wählte die erste Nachricht aus und sofort erklang ein kurzer, eindringlicher Pfeifton.
»Natürlich habe ich den Text gesperrt«, sagte Robert Denn grinsend. »Ich versichere Ihnen aber, dass es meine eigene Nummer ist und ich versichere Ihnen auch, dass ich mir die SMS nicht selbst geschickt habe. Übrigens, das mit dem Pfeifen ist eine ganz nützliche App, kann ich nur empfehlen. Wenn jemand mal eben bei Ihnen auf dem Handy schnüffeln will, kann das für denjenigen ganz schön peinlich werden.«
»Dürfen wir nicht lesen, was Ihnen Ihr Informant schreibt?«, fragte Bruckner. »Haben Sie also doch etwas vor der Polizei zu verbergen? Vielleicht einen Strafbestandssachverhalt. Ich könnte das als Anlass nehmen, Sie zu zwingen, uns die Texte zu zeigen.«
»Natürlich habe ich etwas zu verbergen, oder besser gesagt etwas zu verteidigen, und zwar die Pressefreiheit!«, antwortete Robert Denn. »Es ist aber nicht viel zu lesen, das Wesentliche kennen Sie schon, das habe ich in meinen Artikeln verwendet.«
»Was ist mit dem Brief, wie wurde der Brief zugestellt?«, fragte Bruckner.
»Welcher Brief?« Robert Denn lächelte irritiert.
Entweder verstellte er sich oder er verstand wirklich nicht, dass Bruckner von dem Stück Thermopapier sprach, auf dem die neun rätselhaften Zeilen abgedruckt waren. Mir kam plötzlich ein Gedanke. Ich sah hinüber zu dem Plexiglasregal, auf dessen untersten Board das alte Faxgerät stand. Das Telefonkabel führte in eine Wanddose.
Ich deutete auf den Apparat. »Funktioniert die Druckereinheit mit Thermopapier?«
Robert Denn brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, was ich meinte. Er fasste sich an den Kopf. »Mein Gott, es gab doch gar keinen Brief. Ich benutze das alte Faxgerät manchmal als Drucker. Ich hab’ damit einen Teil der SMS ausgedruckt, den Teil mit dieser Botschaft. Ich hab’s auf Thermopapier gedruckt. Ich hab’ das Ganze in ein Kuvert gesteckt und persönlich im Polizeipräsidium abgegeben. Haben Sie das nicht gewusst?«
»Nein, habe ich nicht, aber eines weiß ich. Wenn das hier ein Spiel von Ihnen ist, wenn Sie für eine Story versuchen die Polizei zu täuschen, dann wird das nicht gut für Sie ausgehen.«
»Sie können mir noch so viel drohen, aber die SMS bekommen Sie trotzdem nicht zu lesen. Ich hätte an und für sich kein Problem es Ihnen zu zeigen, ich will mich jetzt nur noch nicht von meiner Quelle abschneiden lassen. Ich glaube da kommt noch was und ich habe großes Interesse, das Hamburg Direkt exklusiv darüber berichten kann.«
Bruckner schüttelte den Kopf. »Übertreiben Sie es aber nicht, das könnte schnell nach hinten losgehen. Ich könnte mir vorstellen, dass die Staatsanwaltschaft immer etwas findet, besonders, wenn Gefahr im Verzug ist.«
»Gefahr im Verzug! Das ist doch lächerlich«, rief Robert Denn. »Sie suchen nur einen Grund mir an den Karren fahren zu können. Eines sag ich Ihnen. Ihre Staatsanwaltschaft wird ganz schnell den Schwanz einziehen, wenn das Geschrei um eingeschränkte Pressefreiheit laut wird. Das wäre nicht das erste Mal.«
Bruckner sah mich an. Ihm war klar, dass wir hier nichts mehr erreichen konnten. Robert Denn blieb sitzen, als wir uns verabschiedeten und aus der Tür gingen. Die Dame am Empfang grüßte noch freundlich, als wir das Gebäude verließen. Bruckners anfängliche Euphorie war verflogen. Das mit dem Brief auf dem Thermopapier ärgerte ihn. Er wäre schon viel früher auf diesen Robert Denn gekommen, aber so wurde der ganze Fall unnötig verzerrt.
Ich musste selbst überlegen, was ich von der ganzen Angelegenheit hielt. Ich konnte mir eigentlich nicht vorstellen, dass ein Zeitungsschreiber eine solche Sache inszeniert, nur um eine Story zu bekommen. Ich konnte mir allerdings denken, dass Robert Denn mehr über den oder die Täter wusste und ich konnte mir auch vorstellen, dass er sie ermunterte, einen eigentlich harmlosen Streich so aufzubauschen, dass daraus eine brauchbare Geschichte wurde. Wir gingen schließlich über den Parkplatz vor dem Redaktionsgebäude. Bruckner blieb neben einem silbernen Opel Astra stehen. Es war das aktuelle Modell, ein GT Coupe mit Schrägheck.
»Schauen Sie mal, das ist doch bestimmt seiner. Jetzt kann ich ihn wenigstens deswegen drankriegen.« Bruckner deutete auf das Kennzeichen des Wagens.
»Was meinen Sie?«, fragte ich. »Womit können Sie ihn drankriegen?«
»Na hier, hier steht MG und nicht HH. Der Typ wird ja wohl kaum noch in Mönchengladbach wohnen. Ein KFZ muss innerhalb von drei Monaten umgemeldet werden, wenn man den Wohnort wechselt.« Bruckner tippte noch einmal gegen das Nummernschild. »Na ja, woll’n mal nicht übertreiben. Übrigens, die Anhängerkupplung passt ja wohl gar nicht zu einem GT Coupe, oder.«
»Wenn es praktisch ist«, kommentierte ich.
Bruckner schüttelte trotzdem den Kopf. Wir gingen weiter zu seinem Audi und setzten unser Gespräch über das Treffen mit Robert Denn im Wagen fort.
»Was ist, wenn Ihr Chef recht hat?«, fragte ich so leidenschaftslos wie möglich. »Was ist, wenn es tatsächlich nur ein Scherz ist?«
Bruckner wartete ein paar Sekunden mit der Antwort. Wir waren schon wieder auf der Autobahn und er fuhr auf einmal deutlich langsamer, sodass jemand hinter uns hupte, ausscherte und uns rasant überholte. Er steckte sich die E-Zigarette zwischen die Lippen und nahm einen Zug, bevor er zu sprechen begann.
»Ich möchte die Sache am liebsten einstampfen, wissen Sie das? Ich möchte wieder einen richtigen Fall. Entschuldigen Sie, wenn ich das sage, ich möchte eine anständige Leiche und einen Täter, der sich wenigstens einigermaßen als Täter zeigt. Ich hasse diese Rätselscheiße und solche Typen wie diesen Journalisten.«
»Dann machen Sie doch Schluss damit«, sagte ich, »geben Sie den Fall ab.