Pyjamamord. Ole R. Börgdahl

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Pyjamamord - Ole R. Börgdahl Tillman-Halls-Reihe

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rücken Sie schon damit raus, machen Sie es nicht so spannend«, rief ich.

      »Ja, ja! Es begann vor etwa vier Monaten, im Dezember letzten Jahres. Ein paar Kilometer vor dem Autobahndreieck Moorfleet, Richtung Lübeck, auf der A1 gibt es eine Raststättenanlage.«

      »Kenne ich. Da gibt es immer LKW-Stau, hört man häufig im Radio.«

      »Ganz richtig. Das ist eine beliebte Rastanlage bei den Brummifahrern. Viele machen dort ihre gesetzlich vorgeschriebene Fahrtzeitunterbrechung, wie es im Fachjargon so schön heißt. Da ist immer eine Menge los. Auf jeden Fall erstrecken sich die Parkplätze über eine große Fläche. Es gibt dort auch ein angrenzendes Waldstück. Wem es bis zu den Toiletten zu weit ist, der verschwindet dann eben mal hinter den Bäumen. Ein dänischer LKW-Fahrer hat sich wohl etwas geniert und ist ein ganzes Stück in den Wald hineingegangen. Laut Aussage hat er schon gepinkelt, als plötzlich jemand hinter einem Baum hervortrat. Er musste allerdings zweimal hingucken, um festzustellen, dass dieser jemand sich niemals bewegt haben konnte.« Bruckner musste grinsen. »Das ist übrigens ein gutes Beispiel dafür, wie zuverlässig Zeugenaussagen sind. Wäre der Mann davongerannt, hätte er immer behauptet, dass ihm jemand im Wald aufgelauert hätte.«

      »Jetzt sagen Sie nicht, dass er eine Leiche gefunden hat?«

      Bruckner schüttelte den Kopf. »Ich sag doch, die Person hat aufrecht gestanden, oder besser gesagt die Puppe hat aufrecht gestanden.«

      »Eine Puppe?«, wiederholte ich.

      »Eine Schaufensterpuppe«, erklärte Bruckner. »Ein Torso, Kopf, Arme, Beine. Die Standfestigkeit wurde durch eine Stange mit Sockel erreicht. Der Sockel war ein Stück im Boden vergraben, wind- und wetterfest.«

      »Gut, eine Schaufensterpuppe. Männlich oder weiblich?«, fragte ich.

      »Weiblich und sie war bekleidet und das ist jetzt der Knackpunkt.«

      Ich grinste. »Sie hatte bestimmt das Chanel-Kleid an, das Julia Roberts in Pretty Woman getragen hat, und das erst kürzlich aus einer Ausstellung gestohlen wurde.«

      »Was?«

      »War nur ein Scherz. Also, was hatte die Schaufensterpuppe an?«

      Bruckner schüttelte den Kopf. »Mir ist die Sache wirklich ernst.«

      »Entschuldigung! Was hatte die Puppe an?«

      »Einen Pyjama, aus Baumwolle, ein grünes Baumwollmuster. Der Stoff war blutdurchtränkt. Später wurde festgestellt, dass es sich um menschliches Blut handelt, Blutgruppe A, Rhesus positiv.«

      »Hab’ ich auch!«

      »Das ist unwichtig.« Bruckner klang für einen Moment verärgert. »Also, menschliches Blut, in einem Baumwollstoff, zum Teil schon herausgewaschen. Die weiteren Untersuchungen haben ergeben, dass es anderthalb bis zwei Liter Blut gewesen sein müssen. Das Oberteil und die Hose des Pyjamas hatten große Blutflecken.«

      »Und es wurde von einem Verbrechen ausgegangen?«, fragte ich.

      »Das ist ja gerade die Sache. Von Anfang an wurde das Ganze für einen Scherz gehalten. Die Spurensicherung hat nur das Blut gefunden, keine sonstige menschliche DNA, keine Haare, keine Haut, keine anderen Körperflüssigkeiten, nichts. Der Pyjama war unbenutzt, Massenware eines Discounters. Man vermutet, dass er aus der Verpackung genommen und der Schaufensterpuppe angezogen wurde. Es war auch nichts von der Innenseite in den Stoff eingeblutet. Das Blut wurde voraussichtlich von außen über den Pyjama geschüttet.« Bruckner machte eine Pause. »In Eppendorf gibt es so einige schräge Rituale bei den Medizinstudenten ...«

      »Ach, daher die Scherztheorie«, folgerte ich. »Sie meinen, es war ein Studentenulk?«

      »Ich meine das nicht, meine Vorgesetzten glauben das und der Staatsanwalt will erst eine Leiche, bevor er den Apparat in Gang setzt. Eigentlich hätte meine Abteilung den Fall gar nicht behalten, aber dann hat man sich an mich erinnert. Jetzt wissen Sie, um was für Dinge ich mich in den letzten Monaten kümmern musste.«

      Ich nickte. »Und, was haben Sie unternommen?«

      »Ich war natürlich stinksauer. Ich habe mich ein paar Tage im Universitätsklinikum in Eppendorf umgesehen, habe mit dem Dekan gesprochen, mit etlichen Fakultätsvertretern. Ich habe mich sogar ins Studentenwohnheim getraut. Ich habe bei Blutbanken recherchiert, ob denen etwas fehlt. Ich habe versucht herauszufinden, woher die Schaufensterpuppe stammte. Wenn Sie wüssten, wie viele Hersteller es da gibt und die Puppe war weder alt noch neu, hätte überall her sein können.«

      »Und was glaubten Sie, damit herausfinden zu können?«

      »Ich wollte wissen, wer sich diesen Scherz erlaubt hat. Es war ja eigentlich nichts Strafbares, zumindest hätten die Juristen einen Paragraphen finden müssen, wie zum Beispiel illegale Müllentsorgung oder Diebstahl, grober Unfug, was weiß ich.«

      »Moment, ich dachte, Sie hätten es nicht für einen Scherz gehalten?«

      »Doch, anfangs war ich auch Anhänger der Scherztheorie, und darum habe ich mich doch so geärgert. Ich habe dann aufgegeben, und zwar so lange, bis Mitte Dezember eine zweite Puppe gefunden wurde. Gleicher Rasthof, aber andere Fahrtrichtung. Die Schaufensterpuppe wurde diesmal nicht im Wald gefunden, sondern auf der Damentoilette.«

      »Hat wieder was mit Pinkeln zu tun«, bemerkte ich. »So eine Toilette ist doch ein belebter Ort, hat denn diesmal niemand gesehen, wer die Schaufensterpuppe aufgestellt hat?«

      »Belebter Ort, das mag stimmen«, erklärte Bruckner, »aber die Anlage ist vierundzwanzig Stunden geöffnet, auch nachts, wenn nicht so viel los ist. Die Schaufensterpuppe stand in einer Kabine, die verschlossen war. Irgendjemand hat ein Schild hingehängt, defekt. Die Putzfrauen sagen, dass das Schild mindestens eine Woche da gehangen hat.«

      »Und die haben sich nichts dabei gedacht, nicht mal nachgeschaut?«, fragte ich.

      »Die machen da sauber, eine defekte Toilette bedeutet eine Toilette weniger zu putzen. Außerdem waren Monteure da, die haben aber genau diese eine Toilette übersehen. Dann hat sich aber doch wohl einer gewundert und mal nachgeschaut, weil es komisch gerochen hat. Es war das gleiche Modell wie die Schaufensterpuppe aus dem Wald. Ebenfalls ein Pyjama, diesmal aber ganz edel, aus grüner Seide, trotzdem wieder Discountware, wie sich später herausgestellt hat. Auf den ersten Blick war nichts zu sehen, wenigstens kein Blut. Bei der genaueren Untersuchung kam dann heraus, warum es so gerochen hat. An der Innenseite des Pyjamas hat man abgelöste Haut gefunden, gut durchgekocht, wie der Pathologe meinte. In der Gerichtsmedizin war man der Meinung, dass der Pyjamaträger sich verbrüht hat. In den Bereichen der Arme, der Oberschenkel, der Schulter und des Brustkorbes wurden Hautablösungen aufgrund einer Verbrühung festgestellt. Der Pathologe kam zum Schluss, dass die Verletzungen post mortem zugefügt wurden.«

      »Warum?«, fragte ich. »Wie kann man so etwas schlussfolgern, wenn man keine Leiche hat, oder wurde eine gefunden?«

      »Nein, nein, keine Leiche«, sagte Bruckner schnell. »Es war die Verteilung der Hautablösungen. Die Verbrühungen wurden nacheinander zugefügt, was einer absichtlichen Verstümmelung gleichkommt. Diese Indizien waren für den Pathologen, für meinen Chef und dem Staatsanwalt ausschlaggebend. Irgendjemand kam dann mit der Idee von den anatomischen Leichen und da war man wieder bei einem Studentenulk aus Eppendorf.«

      »Eine gewagte Schlussfolgerung«, meinte ich.

      »Wenigstens

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