Pyjamamord. Ole R. Börgdahl
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Читать онлайн книгу Pyjamamord - Ole R. Börgdahl страница 6
»Und dann, ich ahne schon, dass da noch was kommen muss, sonst hätten Sie sich nicht bei mir gemeldet.«
Bruckner nickte. »Zwei Dinge sind noch passiert. Anfang März ist eine dritte Schaufensterpuppe aufgetaucht. Ebenfalls in der Nähe des Autobahndreiecks Moorfleet, diesmal auf einem unbewirtschafteten Rastplatz an der A25. Die Puppe lag in einem Graben unterhalb der Behälter, in denen die Autobahnmeisterei ihr Wintersalz lagert. Ein Arbeiter hat sie gefunden, hat sofort die Polizei gerufen und die haben die Mordkommission informiert. Erst die haben sich in den Graben getraut.«
»Ich rate mal, diese Schaufensterpuppe trug ebenfalls einen Pyjama, vielleicht sogar in Grün.«
»Richtig, aber der war wieder aus Baumwolle. Erst glaubte man der Pyjama wäre so verdreckt, weil er in dem Graben gelegen hat, aber das war es nicht allein. Er stank auch fürchterlich, noch stärker als der der zweiten Schaufensterpuppe. Fazit der Gerichtsmedizin: Bevor der Pyjama der Puppe angezogen wurde, muss ihn eine beerdigte, bereits verwesende Leiche getragen haben. Diese Leiche muss aber auch eine Zeitlang im Freien gelegen haben. Laut entomologischem Gutachten gab es Insektenbefall, sogar bereits Larvenbildung. Die Tiere waren im Stoff des Pyjamas hängengeblieben.«
»Da bekommt man ja einen Schauer über den Rücken«, sagte ich.
»Grober Unfug, Diebstahl, Leichenschändung, Studentenulk! Das waren die Argumente meines Chefs. Ich sollte die Bande endlich ausfindig machen und dafür sorgen, dass sie von der Uni fliegen.
Als dann vor noch nicht ganz zwei Wochen der Zeitungsartikel erschien und dieser merkwürdige Brief auftauchte, war ich auch noch davon überzeugt, dass es nichts anderes sein konnte, als ein geschmackloser, zu tiefst makabrer Scherz.« Bruckner machte eine Pause, sah mich sekundenlang an, bevor er weitersprach. »Ich habe Ihnen keine Fotos und auch keine Berichte mitgebracht. Ich habe nur diesen Brief dabei und ich zermartere mir seit Tagen das Hirn. »Bruckner griff in die Innentasche seiner Jacke und holte einen Umschlag hervor. »Fingerabdrücke kann man da vergessen. Kennen Sie Hamburg Direkt, dieses Revolverblatt mit Anspruch?«
Ich nickte. »Die Zeitung kenne ich, aber was heißt Revolverblatt mit Anspruch?«
»Ja, das war mal so ein Werbespruch von denen, es ist dabeigeblieben, Hamburg Direkt ist nur ein Revolverblatt. Die Zeitungsausgabe habe ich nicht dabei, ist auch nicht wichtig. Die haben ihren Artikel Mord an Schaufensterpuppen oder so ähnlich genannt und ein paar Details gebracht. Ich kann mir schon denken, wie die darangekommen sind. Am Ende haben sie dann mehr spöttisch als ernst angedeutet, dass sich der Mörder mit einem Brief an sie gewendet habe und dass man diesen Brief vertrauensvoll der Polizei weitergeleitet hätte.«
Bruckner hielt noch einmal den Umschlag hoch, öffnete ihn, zog ein dünnes Stück Papier heraus und reichte es mir.
»Thermopapier«, stellte ich fest. »Vielleicht von einem Faxgerät. An der Schnittkante kann man sehen, dass die Kopfzeile mit der Faxnummer und Geräte-IP abgeschnitten wurde. Also bei Thermopapier müssen Sie aufpassen, irgendwann verblasst die Schrift und verschwindet schließlich ganz.«
Bruckner nickte. »Es gibt Kopien und Proben vom Papier.« Er zögerte. »Lesen Sie doch mal, lesen doch mal laut vor.«
Ich legte das Blatt auf den Couchtisch, strich es glatt und überflog die wenigen Zeilen, bevor ich sie vorlas.
»(1) Sie legte sich schlafen für immer.«
»(2) Trägt das Kleid der Nacht.«
»(3) Lange war sie ein Rätsel.«
»(4) Drei müssen es sein, die ihr folgen.«
»(5) Sie erwachen aus ihren Gräbern.«
»(6) Suchen nach ihrem Blut.«
»(7) Geben ihr Schicksal weiter.«
»(8) Der Kreis muss sich schließen.«
»(9) Mein Opfer ist die Erfüllung.«
»Ist das ein Gedicht?«, fragte ich.
»Daran habe ich noch gar nicht gedacht.« Bruckner zog das Blatt zu sich, schüttelte dann aber den Kopf. »Nein, da fehlt der Reim, ich kann zumindest keinen finden.«
»Manchmal reimt es sich erst in jeder dritten oder vierten Zeile.«
»Auch nicht, es reimt sich nirgends. Aber Sie müssen doch sagen, dass da was nicht stimmt?«
»Ich kann das nicht so einfach sagen. Ich müsste mir mehr Gedanken über die Sätze machen.«
Bruckner schob mir das Blatt wieder hin. »Ja, bitte, versuchen Sie es doch. Ich möchte nur hören, ob wir übereinstimmen.«
»Wie wäre es, wenn Sie mir gleich erzählen, was Sie denken, was Sie daraus lesen.«
»Nein, tun Sie mir den Gefallen.«
»Gut, aber ich mach das ganz spontan, das ist die einzige Methode. Nicht viel nachdenken, der erste Eindruck ist der Beste.«
Ich nahm mir die ersten beiden Sätze vor und hatte schnell ein Ergebnis. Es war eigentlich trivial. Bruckner hörte mir mit geschlossenen Augen zu. Er versprühte eine Gewisse Anspannung, das wurde mir jetzt erst richtig deutlich.
»Sie legte sich schlafen für immer. - Es geht um eine Frau oder ein Mädchen, es kann auch ein Kind sein, auf jeden Fall eine weibliche Person. Diese Person ist gestorben. Ob natürlicher Tod, Mord oder Unfall ist hier noch nicht zu erkennen. Also zum zweiten Satz: Trägt das Kleid der Nacht. - Bei dem Kleid kann es sich um einen Pyjama handeln, aber nur, weil wir ja wissen, welches Kleidungsstück die Schaufensterpuppen trugen. Vielleicht wurde der Pyjama aber auch nur zufällig als Bekleidung ausgewählt. Es könnte sich also auch generell um einen Schlafanzug handeln.« Ich überlegte. »Nein, es muss ein Pyjama sein, das nehme ich jetzt vorläufig als Fakt. Der dritte Satz: Lange war sie ein Rätsel. - Wenn sich das auf die Todesumstände bezieht, schließe ich einen natürlichen Tod aus, siehe Satz Nummer eins. Wenn es um die Person selbst geht, die ein Rätsel war, dann gibt es noch keinen Hinweis, um was für eine Eigenschaft dieser Person es geht. Fakt ist allerdings, dass das Rätsel gelöst wurde. Viertens: Drei müssen es sein, die ihr folgen. - Die Zahl selbst passt zu den drei gefundenen Schaufensterpuppen. Sie folgen der Person aus Satz eins durch die Gemeinsamkeit, dass sie alle das sogenannte Kleid der Nacht tragen, eben einen Pyjama, siehe Satz zwei. Das Folgen kann sich zudem auf Satz eins beziehen. Da Schaufensterpuppen keine Lebewesen sind, also auch nicht sterben können, aber die Person aus Satz eins offensichtlich gestorben ist, stehen die Schaufensterpuppen stellvertretend für drei Personen, die ebenfalls gestorben sind.«
»Das klingt kompliziert«, warf Bruckner ein. Er hatte die Augen immer noch geschlossen. »Es stimmt aber mit dem überein, was ich mir bislang auch so gedacht habe. Machen Sie bitte weiter.«
Ich starrte auf das Blatt. »Die Sätze fünf und sechs sagen mir gar nichts! - Sie erwachen aus ihren Gräbern. - Suchen nach ihrem Blut. - Das sieht mir eher nach Fantasy aus. An dieser Stelle würde ich auch sofort an einen Studentenulk denken.