Meconomy. Markus Albers
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Warum ich dieses Buch schreibe
„Starting your own business is risky, but the recent economic turmoil suggests that we should recalibrate our notions of safety. The working world used to be divided into safe but boring jobs, and exciting but risky ones. Of late, many of the supposedly safe professions have been decimated – which should help us let go of illusions of safety.“
Alain de Botton, Monocle‚ Small Business Guide‘ 2009/10
Eigentlich war der Plan wasserdicht. Ich hatte meine gut dotierte Festanstellung aufgegeben, denn ich wollte frei sein. Wollte raus aus dem Bürotrott, weg von der Fremdbestimmung, aus dem Klein-Klein von Meetingterror und Anwesenheitspflicht. Ich hatte mit „Morgen komm ich später rein“ sogar ein Buch darüber geschrieben, dass wir neuerdings arbeiten können, wann und wo wir wollen – Hauptsache, der Job wird erledigt. Und obwohl ich bei der Recherche für das Buch viele fortschrittliche Unternehmen fand, die ihren Mitarbeitern diese Freiheit einräumten und damit sehr erfolgreich waren, wusste ich doch: Mein alter Arbeitgeber, die Zeitschrift Vanity Fair, bei der ich als Managing Editor gearbeitet hatte, gehörte nicht dazu. Und die meisten anderen Medienunternehmen, die ich kannte, auch nicht. Journalisten sind immer im Dienst. Und gefälligst auch immer am Schreibtisch. Es könnte ja noch etwas passieren.
Also hatte ich beschlossen, mein Konzept des Überallarbeitens – das ich „Easy Economy“ genannt hatte – zunächst einmal in dem Status auszuprobieren, in dem es am einfachsten zu verwirklichen ist: als Selbstständiger. Ich hatte viele Kontakte, ein vorzeigbares Portfolio, viele Ideen und verlangte einen komfortablen Tagessatz. Ich würde unterwegs von irgendwo auf der Welt Artikel recherchieren und Konzepte entwickeln. Würde, wenn ich wieder in Deutschland war, Verlage und Agenturen beraten oder Vorträge halten. Und sollte ich mal für ein paar Monate Fernweh verspüren, würde ich einfach das nächste Buch schreiben. Auf Bali, in Buenos Aires, Bangkok – oder Born am Darß. Ich sah ein Leben vor mir, wie ich es immer erträumt hatte: unabhängig, kosmopolitisch, komfortabel.
Dann kam die Wirtschaftskrise.
Zunächst dachte ich, was wohl alle dachten: Geht vorbei, betrifft mich nicht. Dann fingen die ersten Menschen in meinem Umfeld – Profis, die ich als optimistisch und saturiert kannte – an schwarzzumalen. Die Aufträge würden weniger, die Budgets kleiner, die Kunden unfreundlicher. Schließlich merkte ich es selbst. Redakteure riefen nicht zurück. Honorare wurden gedrückt, Jobs, die ich für sicher hielt, von einem Tag auf den anderen storniert. Alles nicht dramatisch, aber doch schwierig, unsicher, irgendwie schlecht gelaunt.
Wollte ich wirklich ausgerechnet jetzt meine Vision von globaler Mobilität, maximaler Freiheit und Selbstverwirklichung im Job umsetzen? Oder ging es nun gar nicht mehr darum, später reinzukommen, sondern überhaupt noch? Nicht rumzicken, keine unrealistischen Ansprüche stellen und bitte schön: vor Ort und erreichbar sein. Überstunden machen, bevor einen die Kurzarbeit erwischt. Das waren doch in der Rezession die neuen Anforderungen an Arbeitnehmer und Freiberufler. Ich sollte wohl besser meine Reisepläne verschieben, die Kollaborations-Software einmotten und mich um einen ordentlichen 9-to-5-Job bemühen, solange es noch welche gab. Sollte mich freuen, wenn ich jeden Tag an meinen Schreibtisch gehen durfte.
Oder?
Nach einigen Tagen des Grübelns und vielen langen Diskussionen mit Freunden und Kollegen beschloss ich, zu tun, was jeder analytische Macher nach gründlichem Abwägen getan hätte: erst mal gar nichts. Vielleicht ging diese Krise ja doch von selbst vorbei. Jedenfalls mochte ich meine Theorien nicht beim ersten Widerstand über Bord werfen, auch wenn ich mir vorkam wie der Mann, der gegen den Flüchtlingsstrom auf einen Vulkanausbruch zuläuft.
An einem dieser Tage, an denen ich mich ernsthaft fragte, ob die Entscheidung, meine Führungsposition in der Redaktion aufzugeben, nicht doch etwas übereilt gewesen war, summte mein Telefon mit einer SMS: „Vanity Fair sofort eingestellt, alle gekündigt“, benachrichtigte mich ein früherer Kollege aus der Redaktionssitzung. Da wusste ich: Es war klüger gewesen, das sinkende Schiff auf eigene Initiative und mit einer Vision zu verlassen, als mich mit schlechtem Gefühl an eine Festanstellung zu klammern, die so fest ja eben doch nicht war. Meine freigestellten Exkollegen jedenfalls hatten es jetzt erst mal nicht leicht: Die Kündigung hatte sie überrascht, die meisten hatten keinen Plan B. Dazu kam: Wenn 80 Zeitschriftenmitarbeiter auf einen Schlag nach neuen Jobs suchen, wird es eng. In den folgenden Monaten entpuppten sich viele krisensicher geglaubte Jobs selbst bei Traditionsmarken als sehr wackelig: Märklin, Rosenthal, Schiesser, Karstadt, Opel – Sicherheit fürs Leben war dort, anders als für frühere Generationen, nicht mehr zu finden.
Ich hingegen merkte, dass die anfängliche Auftragsflaute nur an der Unsicherheit der Unternehmen zu Beginn der Krise gelegen hatte. Meine Theorie war offenbar doch nicht so blauäugig. Es konnte tatsächlich sein, dass ich mein freies, ungebundenes und glückliches Leben auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten würde führen können. Inzwischen verdiene ich – vorausgesetzt, ich nehme mir nicht zwischendurch frei – mindestens so viel wie als Festangestellter. Meine Arbeitsweise, manchmal vor Ort im Büro zu sein, manchmal aber auch von einem Café in Lissabon aus zu arbeiten, stellt keiner mehr infrage. Das Leben ist nicht immer einfach, aber näher an die Easy Economy kann man wahrscheinlich nicht kommen.
Ich habe seitdem viele Menschen kennengelernt, denen es ganz ähnlich ging wie mir: Von alten Gewissheiten enttäuscht, haben sie sich entschieden, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und endlich das zu tun, was sie mögen. Sie gründeten ein Unternehmen für elektronisches Lernen, erfanden ein kleines Programm fürs iPhone, das es Menschen ermöglicht, ihre eigene Produktivität zu verbessern. Sie machten sich mit einer Agentur für Virtuelle Persönliche Assistenten selbstständig, arbeiteten im Winter in Südamerika oder immer von einem kleinen Häuschen in der Uckermark aus.
Für manche ist die Lehre aus der Krise, dass sie umso mehr an ihren Sicherheiten festhalten, vor allem: an der Festanstellung, so sie noch eine haben. Das ist verständlich und kurzfristig wohl auch vernünftig, aber auf längere Sicht nicht unbedingt die beste, jedenfalls nicht mehr die einzige Strategie. Manche kündigten ihre gut bezahlten Jobs, weil sie sich von der Krise nicht einschüchtern lassen wollten oder diese sogar als Chance sahen. Viele Berufsanfänger machten sich in der aktuellen Wirtschaftslage keine Hoffnungen auf die sichere Festanstellung und begannen von ihrem Wohnzimmer aus, nur mit dem Laptop bewaffnet, ein Geschäftsmodell zu verfolgen.
Es ist kein Zufall, dass der Ansatz der Easy Economy, also des mobilen, flexiblen und selbstbestimmten Arbeitens, auch in ökonomisch angespannten Zeiten funktioniert. In Wahrheit, so denke ich inzwischen, funktioniert er dann sogar besser. Die Krise ist – zumindest gefühlt – schon wieder vorbei, doch sie hat einen grundlegenden Mentalitätswandel bewirkt. Sie war der Katalysator für eine Entwicklung, die Experten schon vorher unaufhaltsam erschien, die nun aber noch einmal beschleunigt, vor allem aber für viele erstmals sichtbar wurde.
Am Ende stehen Lebens- und Arbeitsbiografien, die kaum noch etwas mit denen unserer Elterngeneration zu tun haben. Wir machen unsere Hobbys zum Beruf und verlegen unseren Lebensmittelpunkt dorthin, wo wir am glücklichsten und produktivsten sind. Wir müssen uns selbst wie eine Marke positionieren, unsere Stärken