Meconomy. Markus Albers
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Willkommen in der Meconomy
Plötzlich schienen die Cover der unterschiedlichsten Zeitschriften voll von Themen wie den Fragen nach Sinn und Selbstverbesserung angesichts der Wirtschaftskrise zu sein. Auf dem Wissensmagazin der Süddeutschen Zeitung prangte als Zeile: „Das gute Leben – Alternativen zum Leistungswahn.“ Der Focus titelte „Glück, selbst gemacht“, und behauptete: „Die Deutschen entdecken den Spaß, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.“ Die Junge Karriere forderte in derselben Woche auf der Titelseite: „Erfinden Sie Ihren Job neu“, und fragte: „Arbeiten Sie noch oder leben Sie schon? Wie Sie sich und Ihren Beruf neu ausrichten – mit oder ohne Chef!“ Irgendetwas geschah hier.
„In der Krise stellen die Menschen wieder vermehrt die Frage nach dem, was wirklich wichtig ist“, analysierte die Süddeutsche. Manche probten den Ausstieg aus einem System, das sie als sinnentleert empfänden, und eine neue Generation von Sozialwissenschaftlern denke über andere Gesellschaftsmodelle nach: „Wo alte Gewissheiten erschüttert werden, wächst bei vielen die Bereitschaft, Neues zu wagen.“
Der Münchner Soziologe Ulrich Beck sieht in Sachen neuer Lebenskonzepte gar „einen unglaublichen Reformbedarf wie zu Beginn der Industrialisierung“. Horst Opaschowski, wissenschaftlicher Leiter der Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen und Berater von Wirtschaft und Politik, sekundiert, die weltweite Krise sei eine „Wendezeit“, die er gar mit der 68er-Bewegung vergleicht. „Damals war die gleiche Aufbruchstimmung wie jetzt.“ Deutschland stehe am Beginn einer Periode der Erneuerung: „Zukunftsvisionen werden nicht länger nur mit Produktvisionen verwechselt. Und mehr mit unternehmerischem Mut als mit Staatsgläubigkeit wollen die Bundesbürger Wege in die Zukunft beschreiten.“
Auch in einer aktuellen Untersuchung des Zukunftsinstituts von Trendforscher Matthias Horx wird die Wirtschaftskrise als reinigendes Gewitter gewertet, als Beschleuniger für einen überfälligen Umbruch. Mitarbeiter wandelten sich zunehmend zum Selbstunternehmer. Starre Hierarchien, behäbige Kommunikationsstrukturen und lineare Unternehmensabläufe passten immer weniger zur schnell drehenden digitalen Wirtschaftswelt des 21. Jahrhunderts. Selbstständigkeit, freiberufliche Projektarbeit, temporäre Arbeitslosigkeit oder Multijobbing kennzeichneten die neue Arbeitswelt. Der Wunsch nach einer sinnvollen beruflichen Tätigkeit und nach Selbstverwirklichung im Job würden in der Ökonomie von morgen zur entscheidenden Produktivitätskraft für zukunftsfähige Unternehmen.
Das Leben als Baukasten
Die fast zur selben Zeit erschienene Titelgeschichte von Handelsblatt Junge Karriere setzt genau hier an. Der Ableger der großen Wirtschaftszeitung beschreibt eine neue Generation von Arbeitnehmern, die die Prozesse im Unternehmen selbst gestalten und sich weiterbilden wollen – die den Job und sich selbst neu erfinden. „Neue Pfade beschreiten und Ideen ausprobieren, das ist wichtiger als je zuvor“, so das Fazit der Autoren, denn: „Wer sich heute für einen Beruf entscheidet und eine Stelle annimmt, muss davon ausgehen, in seinem Leben eine Vielzahl von Stationen zu absolvieren.“
Der Soziologe Richard Sennet schätzt, dass ein Amerikaner in 40 Arbeitsjahren elfmal den Job wechselt und dreimal sein gesamtes Know-how austauscht. Hierarchien verflachen auch in Deutschland, gesetzliche Regulierungen gehen zurück, Arbeitsverhältnisse werden kürzer. „Darin liegt die Chance, sich selbst zu verwirklichen, aber auch das Risiko, der Entwicklung nicht mehr folgen zu können“, so die Junge Karriere.
Dieses Phänomen ist heute so aktuell wie nie, aber es ist nicht neu. Schon 1960 prägte der Management-Professor Douglas McGregor den Begriff des „Self-Actualizing Man“ – des sich selbst neu erfindenden Menschen, der nach Selbstverwirklichung strebt, indem er seine Talente und Möglichkeiten im Unternehmen ausnutzt. Richard Sennett beklagte Ende der 90er-Jahre den neuen „flexiblen Menschen“, der zwischen stets neuen Herausforderungen des sich permanent wandelnden Kapitalismus sein wahres Ich zu verlieren droht. Um die Jahrtausendwende konnte der US-Soziologe Richard Florida dieser unsteten Lebensweise hingegen viel Positives abgewinnen: Seine „Kreative Klasse“ arbeitet ideengetrieben, ist extrem mobil, hat lieber viele lockere Bekanntschaften als wenige enge Freunde und ist allgemein jederzeit bereit, Job, Wohnort – sprich: ihr Leben – zu verändern.
Und das ist auch nötig, derzeit mehr denn je. Der Dienst nach Vorschrift läuft aus, „und damit sterben auch die klassischen Jobs“, so Arbeitsmarktforscher Frank Wießner. Produktionsprozesse werden automatisiert oder in Billiglohnländer verlegt. Arbeitnehmer müssen immer wieder neue Qualifikationen erwerben und mit immer schneller veraltendem Expertenwissen punkten. „Die wissensintensiven Berufe boomen“, so Wießner.
Die Wirtschaftskrise hat diese schon länger wirksamen Tendenzen verstärkt, fokussiert, teils einfach nur sichtbar gemacht. Für die Generation der 20- bis 35-Jährigen sind es keine abstrakten soziologischen oder ökonomischen Theorien – es ist die Welt, in der sie leben und in der ihnen ganz neue Fähigkeiten abverlangt werden, um zurechtzukommen. Ihre Eltern tun sich oft bereits schwer, sich in diese zutiefst unsichere, hochbewegliche und zugleich von enormen Möglichkeiten geprägte Existenz hineinzudenken. In einer Titelgeschichte über die „Krisenkinder“ schrieb der Spiegel im Sommer 2009: „Das Lebensgefühl der Unsicherheit nimmt jetzt, in der Krise, noch zu. Dieses Gefühl ist es, was diese Generation in allen Milieus verbindet.“
Timm Klotzek, Chefredakteur der Zeitschrift Neon, die als Sprachrohr, Kummerkastentante und Ratgeber der unter 30-Jährigen gilt, meint, es gebe für seine Leser ein zentrales Anliegen: „Die große Frage ist: Was wird aus mir?“ Die Krisenkinder machen das Beste aus einer von enormer Unübersichtlichkeit geprägten Situation, und sie machen das schon sehr gut. Sie sind weltweit mobil. Im Think Tank 30, der jungen Ideenschmiede des Club of Rome, trifft sich die gut ausgebildete Elite dieser Generation und spricht über die Probleme der Welt. Einer ist gerade aus den USA gelandet, zwei aus London, einer aus Mali. Einer hat neulich eine Weltreise gemacht und in 25 Ländern Videokonferenzen mit Schulen organisiert. „Es mögen nur fünf oder zehn Prozent dieser Generation sein, die ein wirklich globales Leben führen, aber das strahlt auf den Rest der Generation aus und wird zum Modell“, so Jugendforscher Klaus Hurrelmann. „Flexibilität, Mobilität, Globalität, das ist ihre Dreieinigkeit“, schreibt der Spiegel.
Dazu kommt eine zunehmende Suche nach Sinn im Geldverdienen, der Wille, auszutreten aus den trüben Arbeitsroutinen und Sachzwängen, die den Alltag ihrer Eltern noch so oft geprägt haben. Klar: Jede junge Generation will aufregender leben als die vorhergehende. Aber die aktuelle hat – gesellschaftlich und technologisch – erstmals so viele Mittel, dies auch wirklich umzusetzen, wie vielleicht keine zuvor. Und zurück in die alten Sicherheiten geht es ja eh nicht mehr.
Darum wollen sie mitreden, wenn es darum geht, ihre Jobs zu definieren. Laut einer Studie des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie von 2004 möchten 71 Prozent Prozesse mitgestalten. Zwei von drei Arbeitnehmern wollen ihre Fähigkeiten laufend weiterentwickeln und in ihrer beruflichen Laufbahn gefördert werden. Laut Arbeitsmarktklima-Index von 2009 steigt die Zufriedenheit am Arbeitsplatz mit jenen Aufgaben, die Mitarbeiter erfüllen dürfen.
Doch genau dieses Bedürfnis der Mitarbeiter, sich einzubringen, kreativ zu sein, Vorschläge nicht jedes Mal von Hierarchien und Gremien zerreden zu lassen, erfüllen viele Unternehmen