Auf zum Nullarbor. Hermine Stampa-Rabe

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Auf zum Nullarbor - Hermine Stampa-Rabe

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Diese halbvolle Tube schenkt er mir, weil er noch eine – er zeigt sie mir auch – in der Tasche hat. Heute Abend soll ich unbedingt vor dem Schlafengehen wieder meine Unterlippe eincremen. Ron ist ein selten sympathischer Mann, der auch an andere, die er eigentlich nicht kennt, denkt und für sie sorgt.

      Beim Caravan Park erhalte ich für $10 einen Zeltplatz. Beim Supermarkt in 200 m Entfernung kaufe ich ein. Weil ich so müde und so hungrig bin, lasse ich mein Rad im Park stehen und esse gleich hier. Fliegen umschwirren mich und landen laufend auf meinem Gesicht. Also, das mag ich nicht, hole meinen Mücken- und Fliegenspray heraus und befeuchte damit mein Gesicht. Da verschwinden sie.

      Da, wo ich mein Zelt aufstellen soll, befinden sich viele Mauselöcher und –gänge. Nein, Besuch möchte ich nicht in meinem Vorzelt haben. Bald sitze ich in der Laundry und schreibe meine Erlebnisse auf, während die Mücken mir unten da in die Beine durch meine dicken Socken stechen, wo meine Hosenbeine zu Ende sind. Gemein! Habe mir keine Zeit genommen, mich mit dem Spray dort auch einzureiben. Um 22.00 Uhr lege ich mich schlafen.

      30.01.2013: Kerang – Echuca: 101 km

      Ich bin erst um 23.00 Uhr hiesiger Zeit total mental und körperlich mit allem fertig und krabble in mein Bett. Kaufte mir im Supermarkt ein Badehandtuch zum Drauflegen. Das besitzt eine feste Unterfläche. So lege ich es mir über meinen neuen Schlafsack und schlafe durch, während draußen über mir bei Vollmond das Kreuz des Südens wacht. Ein super Anblick, weil wir es in unseren norddeutschen Gefielden nie sehen können.

      Heute früh ist mein Über-Zelt von innen total von meinem feuchten Atem nass. So eine Gemeinheit! Zum Glück hängt zum Auswischen der Waschbecken nach dem Benutzen in der Damen-Toilette an jedem Waschbecken ein trockenes kleines Handtuch. Diese alle nehme ich mit nach draußen und wische so gut ich kann, die Plane trocken. Während ich mich in der Dusche frisch mache, legt sich doch dummerweise in dieser Zeit der Tau auf alles drauf. Das also auch noch! Nun habe ich keine Zeit mehr zu verlieren. Mein heutiger Weg ist nur 10 km kürzer als gestern. Und wenn es wieder zu stürmen beginnt, komme ich auch wieder zu spät am Caravan-Park an. Und ab geht es!

      Es rollt sich sehr gut. Meine Strecke ist scheinbar eine Nebenstraße; denn es herrscht darauf sehr wenig Verkehr. Auch Road Trains gibt es kaum. Und meine Landschaft rundherum ist platt wie ein Pfannkuchen. So etwas erträume ich mir eigentlich immer, erlebe es aber selten. Dieses Glück ist mir heute hold.

      Die Landschaft hat sich in eine Cattle-Region (Kuh-Region) verwandelt. Auch wächst hier kein Wein mehr, oder wenn, dann ganz selten noch am Anfang, später aber, wenn etwas angebaut ist, dann handelt es sich um Mais. Mais und Kühe, das passt ausgezeichnet zusammen. So sieht es bei uns zu Hause auch aus, bis auf die vielen Ländereien dazwischen, die brach liegen, vielleicht aber schon verkauft sind. Auch zieht sich wieder - wie schon gestern - ein breiter Bewässerungsgraben – wie bei uns an der Westküste von Schleswig-Holstein auch – linkerhand der Straße dahin. Dieses Wasser ist wie das der anderen vielen Kanäle vom Murray River für die Landwirtschaft und die Bewohner abgezweigt worden. Kein Wunder, dass der originale River einen recht niedrigen Wasserstand aufweist. Aber darüber habe ich ja gestern schon geschrieben.

      Da, wo Kühe weiden, sausen in der Luft viele Fliegen umher. Vorher saßen sie auf den Kuhfladen und nun möchten sie sich an meine Augen und auf meinen Mund setzen. Na, denen gewöhne ich das aber mit meinem Mücken-Fliegen-Spray ab! Nun dürfen sie woanders ihre dreckigen Füßchen abtreten.

      Heute liegen seit langer Zeit mal wieder totgefahrene Kängurus an der Straßenseite. Eins davon ist ein weibliches, das auf dem Rücken liegt und die Beine nach allen vier Himmelsrichtungen von sich streckt. Es ist wohl schon zwei bis drei Tagen tot, aber noch nicht angefressen worden. Der Beutel ist dick, aber wie zugeklebt. Ich hätte auch nicht wegen des Leichengiftes hineingesehen.

      Später liegt die erste schwarze Schlange an der Straßenseite. Sie sieht so aus wie unsere Ringelnatter, doch ohne die weiße Zeichnung und ist doppelt so dick. Ansonsten fahren die Verkehrsteilnehmer nur Füchse tot.

      Dann rolle ich zu zwei Autos, deren Insassen sich gegenseitig helfen. Eine Frau steht interessiert und gelangweilt daneben. Ich halte an und bitte sie, mich während des Radelns zu fotografieren. Das tut sie gern. Nun besitze ich schon zwei Fotos von mir. Mit dem Selbstauslöser habe ich so meine Schwierigkeiten.

      In Cohuna zieht es mich unweigerlich in ein Restaurant zum Frühstücken. Komisch, tue ich doch sonst nicht. Aber dann sehe ich, weshalb ich von meiner Mutter dort oben über mir im Himmel – auch ohne Wolke – hingeschickt werde. Dort steht in Großbuchstaben in weißer Kreide auf einer schwarzen Tafel neben der Tür: Cream Tea und Scones mit Konfitüre und Schlagcreme! Ich traue meinen Augen nicht. Das erinnert mich an die Fahrradfahrt mit Englisch-Bob, New-York-Bob und mir von Land’s End bis nach John O’Groats in Schottland, wo mich Engl.-Bob zu Cafés brachte, in denen es dieses herrliche und beste Essen von ganz England gab. In Erinnerung daran muss ich unbedingt hinein und mir diese famose Zwischenmahlzeit bestellen! Die Eigentümer dieses Cafès sehen 100%ig englisch aus. Ich komme mir richtig nach England versetzt vor.

      Und da vor diesem Cafè ein ausgefallenes Fahrrad steht, suche ich im Café den Fahrradfahrer. Er ist nicht zu übersehen und sitzt in der rechten Ecke vor dem Tresen mit seinem Glas Bier. So hat er sein Fahrrad dekoriert: zwischen den Speichen an der Nabe der Laufräder klemmen zwei gelbe Tennisbälle. Vor dem Lenker hat er viele weiße Reflektoren auf einem quadratischen Brett befestigt. Ihn kann von vorn tatsächlich keiner überfahren.

      Nachdem ich die leckeren Scones aufgegessen habe, radle ich in Erinnerung an die interessante End-to-End-Fahrradfahrt des Jahres 2000 weiter.

      In Echuca eingetroffen, schiebe ich mein Rad zum Caravan-Park. Zum Fahren habe ich keine Lust mehr. Da überholt mich ein Rennradfahrer, dreht um und unterhält sich mit mir ganz lange. Er ist beruflich Prinzipal-Lehrer. Ich wusste nicht, was das ist. „Ich bin schon in Rente, helfe aber noch in der Schule aus. Sonst wäre ich gern mit dir mit um diese riesige rote Insel Australien geradelt. Meine Frau hätte sicher auch viel dagegen“, meint er lächelnd.

      Auf dem Caravan-Park sitze ich in der Laundry auf dem Fußboden und schreibe, während draußen der Cookaburra die Leute unterhält. Auch andere Vögel krächzen und schilpen.

      Weil es mir hier auf diesem Caravan-Park entschieden zu teuer ist, entscheide ich mich gegen einen Ruhetag, obgleich ich einen bitter nötig habe.

      Huch? Mir sind eben die Augen beim Schreiben zugefallen. Sooooo müde bin ich von den Fahrten der letzten Tage.

      31.01.2013: Echuca – Elmore: 52 km

      Die weißen Kakadus waren gestern Abend und sind heute früh eifrig am Erzählen und Herumfliegen. Vorher beschwerten sich die Leute über die rosa Kakadus, weil sie sich so laut unterhalten. Aber gegen die weiße Sorte sind die anderen noch harmlos.

      Heute früh kann ich mein Zelt trocken zusammenrollen. Auf diesem Campingplatz in Echuca zeltet ein sehr nettes Pärchen. Sie ist Italienerin und er Australier. Sie trafen sich mal zufällig in London. Nun wohnen sie schon viele Jahre in Italien und machen aber regelmäßig in Australien Urlaub, seit beide in Rente gegangen sind. Ihr Auto steht in Australien bei Freunden – Autoschlossern - in der Garage. Auf diese Weise sind sie hier immer unabhängig und möchten heute in Richtung Port Augusta und danach gen Süden nach Adelaide weiterfahren. Sie verbringen in Australien jedes Jahr eine Zeitspanne von sechs Monaten per Caravan-Parks.

      Heute fährt es sich so gut wie gestern: total plattes Gelände und so gut wie überhaupt kein Wind, keine Trucks und nur drei Road Trains, die alle um mich einen großen Bogen schlagen. Ich winke ihnen jedes Mal ein Dankeschön hinterher. Ich glaube, das

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