Auf zum Nullarbor. Hermine Stampa-Rabe
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Mit diesen Gedankengängen verrinnt die Zeit. Ich sehe beidseitig Stoppelfelder, grasende Schafe und Weinplantagen.
Als ich nach Bendigo einradle, finde ich in der ganzen Stadt auf meiner Durchfahrt einen Fahrradweg. Rennradfahrer fahren in Gruppen oder allein im Sonnenschein auf ihren wertvollen Rädern und in ihren bunten Trikots dahin. Ja, mit so einem leichten Rad könnte ich auch mehr Geschwindigkeit aufnehmen. Aber ich bin mit meinem Dauertempo ganz zufrieden.
Bendigo ist eine hübsche und größere Stadt. Aber ab jetzt geht es „zur Sache“, was das Gelände anbelangt. Jetzt wird es bergig. Zum Glück hatte mir Malte Wiedemann aus Hamburg empfohlen, das ganz kleine Zahnrad vom Hardo-Wagner-Rad an mein altes verkapptes Rennrad von 1985 bauen zu lassen. Damit kann ich nun die sich vor mir auftürmenden Berge gut bewältigen. „Vielen Dank, lieber Malte! Ich nehme an, bei dir hat es von meinen positiven Gedanken in deinen Ohren geklingelt.“
8 km vor Castlemaine werde ich auf eine andere Straße gelenkt. Im nächsten Ort, Harcourt, steige ich vor einem kleinen Geschäft ab, in dem man alles erhalten kann. Ich muss mich erst einmal nach diesen Bergen mit Essen trösten. Hier gibt zu meiner hellen Freude Kartoffelpuffer. Dazu lasse ich mir noch Spiegeleier braten. Und was ich nie tat, aber auf dieser Tour doch, ist, dass ich mir eine CocaCola zum Trinken kaufe.
Die Frau, die das Essen in der Küche herstellt, fängt an, sich mit mir zu unterhalten. Sie ist von meiner Fahrradtour ganz begeistert und erzählt mir, dass ihr Sohn eine Rundfahrt per Fahrrad um Europa gemacht hatte – in drei Monaten. Ich lobe ihn sehr. Das hat er auch verdient. Und als ich diese mich anlächelnde Frau frage, woher ihre Vorfahren nach Australien kamen, erzählt sie mir, dass ihr Vater aus Schottland stammt. Und als ich ihr erzähle, dass ich mit dem Fahrrad in England von Land’s End bis zu Schottlands letztem Haus in John O’Groats geradelt war und dass Schottland so sehr schön sei, ist sie ganz begeistert. Sie nennt mir ihren Vornamen Amanda und bittet um meine Email-Adresse, um sich weiterhin mit mir unterhalten zu können. Und als ich ihr erzähle, dass ich über diese Fahrradtour ein Buch schreibe und sie nun auch darin vorkommt, möchte sie das Buch unbedingt später auch kaufen.
So verlasse ich ganz glücklich und etwas erholt das Geschäft, schwinge mich wieder auf mein schweres Rad und rolle die nächsten acht Kilometer bis nach Castlemaine.
In der Zwischenzeit habe ich auf dem Caravan-Park schon mein Zelt aufgestellt, möchte jetzt in die Dusche gehen und im Zelt meine Brötchen mit dicker Butter und mit Knoblauchzehen belegen, Salz darauf streuen und mit Heißhunger aufessen.
Aber von meiner Butter ist nur noch die Hälfte vorhanden. Trotz des Kältebehälters ist sie darin geschmolzen. Aber es reicht noch für beide mitgebrachten Brötchen. Nun muss ich den Kältebehälter, in dem ich meine Nahrungsschätze transportiere und aufbewahrte, reinigen.
Als ich zu meinem Zelt komme, streunt dort eine junge Katze herum und möchte unbedingt mit in mein Zelt. Das will ich aber nicht und verscheuche sie. Sie kommt wieder. Ich jage sie davon. Als ich dann so richtig schön warm im Schlafsack eingekuschelt in der Dunkelheit liege, wundere ich mich über ein plötzliches, helles Geräusch. Und was ist das? Plötzlich steht die kleine Katze in meinem Vorzelt und schlägt die Krallen ihrer Vorderpfötchen unter lautem Miauen in das Fliegengitter meines Zeltes. Na, da packt mich aber die Wut und schlage mit der flachen Hand dagegen. Darüber erschreckt sie sich so sehr, dass sie tatsächlich ganz verschwindet.
04.02.2013: Castlemaine – Ballarat: 89 km
Um 6.15 Uhr verlasse ich bei 10°C mit Fahrradbeleuchtung den Caravan Park bei Morgenröte und Windstille. Meine Beine haben sich erholt. Der neue Tag kann kommen. Die Kälte kriecht durch meine dünnen Sommer-Fahrradhandschuhe. Die wärmeren hatte ich ja von Perth aus nach Townsville vorgeschickt. Ich beisse die Zähne zusammen. Glücklicherweise friere ich am Oberkörper aufgrund der warmen rosa Jacke nicht. Das Schwitzen von innen nehme ich gern in Kauf.
Wenige Autos fahren zu einer solch frühen Stunde. Der Berufsverkehr beginnt erst gegen 8.00 Uhr. Meine Straße, die 300, lässt sich gut fahren. Für meine Zwecke ist die Ausschilderung auf den Straßenhinweisschildern total ausreichend. Hier brauche ich kein JPS. Hin und wieder flötet ganz kurz eine australische Elster. Aber bei dieser Kälte ist dem Vogel oder den anderen Vögeln nicht nach singen. Total verständlich.
Meine Straße aus Castlemaine führt langsam aber sicher bergauf. Meine Beine haben sich in der Nacht gut erholt und tun ihren normalen Dienst. Und die Schaltung meines Rades kann ich bei steileren Passagen auch gut bedienen. Die Abfahrt ist kurz. Ich fahre auf einem Plateau dahin. Beidseitig breitet sich gelbes Gras aus. Die Straße führt wie eine Allee zwischen Bäumen dahin. Der Morgennebel liegt noch wie Watte rundherum auf der Natur. Weiter entfernt sehe ich andere kleine Bergkuppen. Es macht Spaß, hier zu radeln – bis sich die Straße dann in fast endlose Höhe reckt. Wald und Ruhe umgeben mich, bis mal hin und wieder ein Auto an mir vorbei fährt.
Eigentlich sieht es so aus wie in unseren deutschen Mittelgebirgen, nur stehen hier Eukalyptusbäume statt unserer Birken, Kiefern, Buchen und Eichen. Die Sonne ist schon schon aufgegangen, doch kein Wind erhebt sich. Angenehm. Aber dann geht es mit mir zu Tal. Ich lege mich tief in den Rennlenker und rase mit hoher Geschwindigkeit hinunter. Dadurch, dass ich mich tief nach vorn beuge, schiesse ich fast wie eine Kugel in die Tiefe und kann durch meinen Schwung die nächste sich vor mir auftürmende Steigung mindestens bis dreiviertel ohne zu treten, hochkommen.
Als Daylesford endlich vor mir auftaucht, registriere ich zu meiner linken Seite eine blaue Wand, die sich quer über den Horizont zieht. Was ist das? Handelt es sich um eine kalte Wolkenbank, die vom Indischen Ozean aufs Festland geschoben wird? Werden mich auf der Great Ocean Road Kälte und Regen erwarten? Das wären ja keine angenehmen Aussichten.
In Daylesford brauche ich dringend eine Erholung und setze mich in ein Café, um mir ein Omelett geben zu lassen. Ich friere. Warum? Ich weiss es nicht. Heiße, süße Milch trinke ich wie eine Verdurstende aus. Sie beginnt tatsächlich, mein Inneres aufzuwärmen. Und dann stellt mir die Serviererin das Omelett auf den Tisch. Ich frage sie: „Ist das Dunkle, das wir linkerhand sehen können, eine Wolkenbank?“
„Nein“, entgegnet sie, „das ist ein Gebirgsrücken.“
Nun geht es mir schon wieder entschieden besser. Gut gestärkt nehme ich den Stadtberg in Angriff. Oben steht ein Warnschild vor Schnee und Eis. Die Geschwindigkeit soll angepaßt werden.
Unendlich lange rolle ich zu Tal. Das heißt, dass ich aus dieser Tiefe wieder hinauffahren muss. Das wird mein „tägliches Brot“. Dieses wiederholt sich noch drei- bis viermal. Dann schliesst sich eine längere, flache Strecke an. Aber danach erwartet mich die nächste lange Steigung weit hinauf. Von dort oben schaue ich weit ins bergige Land hinein. Zum Fotografieren mag ich nicht absteigen. Dazu bin ich schon zu müde.
In dieser Höhe kurz vor und nach Creswick erstrecken sich blühende Kartoffelfelder zu meiner linken Seite. Auch das Unkraut, das hier am Wegesrand wächst, sieht heimatlich aus. Nur die Bäume bestehen fast nur aus jungem Eukalyptus. Langsam breitet sich Wärme aus. Mein Thermometer zeigt 21°C. Diese Temperatur passt genau zu den „heimatlichen“ Kartoffelfeldern. Hin und wieder stehen schwarzbunte Kühe auf der Weide. Aber überwiegend züchten die Bauern hier die schwarzen Kühe der Franzosen.
Da meine Beine schon recht müde sind, zieht sich die restliche Strecke von 18 km bis Ballarat sehr in die Länge. Bei Ballarat