Versuchung. Nina Galtergo
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Im tiefsten Inneren war Florian erleichtert darüber, wie einfach es gewesen war, seine Frau hier abzuhängen, um mit Sandra ein Stelldichein in dem Büro seines Kollegen Schmidt haben zu können. Sie sah in ihrem Kleid so toll aus, dass es ihm vermutlich körperliche Schmerzen bereitet hätte, wenn er sie heute Abend nicht hätte haben können. Doch das war der neue Florian! Der Florian, vor dem sich die Wege ebneten. Das war wie in diesem Bankwerbespot mit dem freien Weg. Florian brauchte sich nur etwas zu wünschen und es geschah.
Nur beim Orgasmus war es nach seinem Geschmack etwas zu laut zugegangen. Doch da hatte ihm der in den höchsten Quietschtönen jubilierende Kinderchor mit seinem Glo-oh-oh-oh-oh-oh-oh-oh-oh-oh-oh-oh-oh-oh-oh-oh-ria unfreiwillig zur Seite gestanden, denn entgegen seiner schlimmsten Befürchtungen war niemand hereingekommen und hatte das Licht angeknipst, um nachzuschauen, was da los war. Sandra zog sich gerade mit erhitztem Gesicht ihr Kleid wieder zurecht und er knöpfte zufrieden seine Hose wieder zu. Das einzige Problem war das volle Kondom. Wohin damit? Zum Glück stand auf der Fensterbank eine Blume mit zu großem Übertopf, in den ließ er das Kondom fallen. Bei dem Gedanken an Schmitts dummes Gesicht am Montag musste er beinahe laut loslachen.
„Das kannst du doch da nicht reintun!“, zischte Sandra entsetzt.
„Meinst du, der Alte macht einen DNA-Test, um rauszufinden, wer das war? Hier gibt’s heute genug Paare, die das gewesen sein könnten“, lachte er zurück.
Sie zog zweifelnd die Augenbrauen hoch und schüttelte den Kopf.
„Das gefällt mir nicht, Florian, wenn das mit uns rauskommt, dann haben wir jede Menge Ärger am Hals!“
„Das mit uns kommt nicht raus, du wirst sehen“, beschwichtigte er sie.
„Dein Wort in Gottes Ohr!“
Den Rest des Abends hielt Kirsten sich von Christoph fern, um kein weiteres Aufsehen zu erregen. Wie in den früheren Jahren ihrer Anwesenheit gönnte sie sich die eine oder andere Leckerei am Buffet und unterhielt sich tatsächlich ganz nett mit einigen der anwesenden Frauen. Irritiert bemerkte sie die abschätzigen Blicke einer jungen Frau in einem etwas zu kurzen Hauch von einem Kleid, doch sie konnte mit der Dame nichts anfangen und war auch nicht in Stimmung, um sich darüber den Kopf zu zerbrechen.
Immer, wenn Christophs und ihre Blicke sich begegneten, spürte sie ein flaues Gefühl in der Magengegend und wusste in Sekundenschnelle wieder, was sie bereits alles gegessen hatte, weil ihr Mageninhalt durcheinandergewirbelt wurde. Dieses Unwohlsein verstärkte sich exponential, wenn Florian in ihre Nähe kam. Zum Glück absolvierte ihr Gatte nur kurze Stippvisiten an ihrer Seite, um dann weiter wie ein Vogel durch den Raum zu flattern und Konversation zu betreiben, denn in den wenigen Minuten, die sie tatsächlich nebeneinander standen, merkte er nicht, wie daneben seine Frau war.
Sie betrachtete ihn an diesem Abend immer wieder interessiert von der Seite wie ein Studienobjekt: Wie hatte er sich verändert. Aus dem introvertierten Langweiler war ein richtiger Macher geworden, dem die Menschen seiner Umgebung an den Lippen hingen. Sie erkannte ihn kaum wieder, und das verunsicherte sie zunehmend. Wer war dieser Mann? Was dachte er, welche Pläne verfolgte er, welchen Träumen jagte er nach? Sie hätte es nicht sagen können, weil sie es schlichtweg nicht wusste. Gar nichts wusste sie mehr von ihm, zumindest nicht von seinem aktuellen Ich. In seiner Vergangenheit kannte sie sich gut aus, sie wusste genau, welche Größen die Kleidungsstücke an seinem Körper hatten. Aber die Krawatte, die er trug, kannte sie nicht. Dabei ließ er doch sonst stets sie seine Garderobe kaufen. Nun, dann sind diese Zeiten anscheinend vorbei, kein Grund zu jammern. Dennoch bekümmerte die neue Krawatte sie, weil sie ihr wie ein Symbol für die Distanz erschien, die es sich zwischen ihnen häuslich eingerichtet hatte. Ihr Blick suchte Christoph und heftete sich unauffällig an ihn. Die Ehefrau eines Kollegen sabbelte sie mit Kürbisrezepten voll und schwafelte ungebremst von veganer Küche. Sollte sie doch!
Er unterhielt sich mit einem älteren Kollegen namens Schmidt, den hier alle sehr mochten. Schmidt schien von einem seiner legendären Auftritte als Gitarrist in frühen Jahren zu berichten, denn er spielte für einen Augenblick mit verzücktem Gesicht beeindruckend eine Luftgitarre. Kirsten liebte seine Geschichten über sein wildes Leben, das er vor Studienende geführt hatte, aber leider war er viel zu selten anwesend, wenn es etwas zu feiern gab, und dann wurde er umgarnt wie ein Popstar, weil alle wussten, dass man sich mit ihm amüsieren konnte. Und Christoph schien es nicht anders zu gehen, denn er amüsierte sich offenbar blendend über die Leistung seines Gegenübers, der gerade hingebungsvoll pogte. Er bemerkte ihren Blick und sah sie durch den Raum an, ihre Blicke schienen sich miteinander zu verbinden wie zwei Hände, die einander schüttelten. Unauffällig zwinkerte er ihr zu und schenkte ihr ein breites, etwas selbstgefälliges Lächeln, schließlich drehte er sich scheinbar entspannt wieder Schmidt zu, der in der Zwischenzeit von seiner Frau wieder beruhigt worden war und den seine Tanzeinlage von eben nun etwas peinlich zu berühren schien.
Doch Kirsten sah, wie Christophs Hände nervös das Glas umklammert hielten.
Sie freute sich zu gar nicht besonders später Stunde über Florians Angebot, dass sie schon ohne ihn nach Hause fahren konnte. Darauf hatte sie nur gewartet! Artig verabschiedete sie sich, auch von Christoph, per Handschlag, doch als sie ihm die Hand gab, spürte sie die nervöse Feuchtigkeit auf ihrer Haut und die hitzige Wärme an seiner. War das aufregend! Doch Christoph sagte weiter nichts, also ging sie so alleine, wie sie hergekommen war. Im Fahrstuhl lehnte sie sich mit geschlossenen Augen an die Wand und atmete tief ein und wieder aus.
Die Tür öffnete sich mit einem Ruck und Kirsten eilte im Parkhaus auf ihren Wagen zu. Trotz der strikten Sicherheitsvorkehrungen fühlte sie sich immer beklommen hier unten so alleine. Per Fernbedienung öffnete sie das Auto, stieg eilig ein und verriegelte den Wagen von innen. Hoffentlich war auf dem Heimweg nicht viel Verkehr, denn nüchtern war sie irgendwie nicht, auch wenn sie keinen Alkohol getrunken hatte. Vermutlich war das das erste Mal, dass sie die Weihnachtsfeier selbst fahrend hinter dem Steuer des Autos verließ, dachte sie schmunzelnd, völlig champagnerfrei, aber dennoch berauscht.
Sie fuhr die Rampe hinauf und hielt wenige Meter nach dem Passieren der Schranke abrupt an, denn Christoph stand winkend am Straßenrand. Sie ließ das Fenster herunter und spürte wieder ihr Herz, das arme, das heute so viel mitmachen musste. Buppbupp, Buppbupp.
„Ich wollte dir nur eine gute Nacht wünschen und drinnen läuft eine Kamera.“
Heimlichtuerei! Wie fühlt sich das an, he? Nicht gut, was?
Er lächelte sie atemlos und aufgeregt an, sein Atem zeichnete sich in der kalten Winterluft ab und ihr schwante, dass dieses Lächeln sie viel mehr in seinen Bann zog, als es sollte, viel mehr, als es ihr und ihrer Ehe gut tat. Ein läppisches Küsschen und schon bist du sein größter Fan. Erbärmlich!
„Darf ich dir noch einen Gutenachtkuss geben?“, fragte er lächelnd. Er hatte sich spontan dazu entschlossen, schließlich schien die Überrumpelungstaktik bei ihr aufzugehen Was hätte er nicht alles gegeben für einen weiteren Kuss von ihr!
Sie nickte nur und er beugte sich durch das geöffnete Fenster in das Wageninnere.
Dieses Mal erwiderte sie den Kuss um einiges schneller und so geriet der Gutenachtkuss ein wenig zu intensiv, um danach noch gut schlafen zu können. Um ein Haar hätte sie ihn ins Auto gebeten, und nicht auszudenken, welchen Verlauf der Abend dann genommen hätte.
„Wann sehen wir uns wieder?“, fragte er ungeduldig, er schlang sich die Arme um den Oberkörper und rieb die Schuhe aneinander. Seine Wangen röteten sich bereits etwas.
Zeit gewinnen, Mädchen! Erst einmal die vielen Hormone ausschwitzen und auf den Boden der Tatsachen aufschlagen!