Professors Zwillinge im Sternenhaus. Else Ury

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Professors Zwillinge im Sternenhaus - Else Ury

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      »Kannst du auch Verse machen?« erkundigte er sich sogleich.

      Tinchen dachte einen Augenblick nach. »Nu nä, die Ferse macht immer meine Mutter. Aber sonst kann ich schon allein einen Strumpf stricken.«

      Frau Professor Winter mußte sich zur Seite wenden, um ihr Lachen zu verbergen. Die Zwillinge aber lachten laut heraus. Besonders Herbert konnte sich gar nicht beruhigen.

      »Hahaha, Schillers Enkelin strickt Verse – das ist ja zum Piepen.«

      »Hör' doch endlich auf, Herbert.« Die Schwester gab dem Bruder einen heimlichen Stoß. Sie war für Tinchen verlegen.

      Die aber wußte sich selbst zu helfen. Sie bläkte dem sie auslachenden Jungen die Zunge heraus: »Nu, wenn ihr so dämlich seid, denn gäh' ich wieder.« Und fort war Tinchen Schiller. Bubi gab ihr höflich das Geleit bis zur Gartentür. Sie hörte nicht mehr Frau Professors begütigende Worte: »Komm, Kind, du sollst erst noch ein Stück Kuchen essen«, noch Herberts Ausruf: »Na, wenn das doofe Ding eine Enkelin von Schiller ist, dann sind wir Enkel von Goethe!«

      »Sie hat's doch aber gesagt«, behauptete Suse. »Wenn auch ihre Mutter bei uns reingemacht hat.«

      »Die Schillern ist ihre Mutter – eine ordentliche Frau. Wenngleich ich beim Reinmachen nicht gemerkt habe, daß die Musen an ihrer Wiege gestanden haben«, meinte die Mutter lachend. »So, Suschen, nun hänge deine Sachen hier an den Garderobenhaken auf, und dann kommt zum Kaffee, Kinder.«

      »Erst müssen wir doch unser neues Haus ansehen«, wandte Suse ein.

      »Du hast schon lange genug genöhlt. Jetzt trinken wir erst Kaffee«, verlangte Herbert. Er hatte gut reden, denn er hatte das neue Haus bereits mit seinem Bubi in Augenschein genommen. »Es gibt Käsekuchen«, fügte er noch hinzu.

      Ob nun der Käsekuchen oder des Vaters Stimme: »Ja, Kinder, woran liegt's denn noch? Bekommen wir heute keinen Kaffee?« den Ausschlag gab, Suse folgte dem Bruder ins Esszimmer. Sie war ja auch gewöhnt, sich ihm meist unterzuordnen.

      Das Speisezimmer lag im Erdgeschoß. Es hatte holzgetäfelte Wände und – »ach, unser altes Büfett!« rief Suse erfreut. »Und unsere Anrichte und die Standuhr! Wie kommen denn die hierher?« Suse feierte freudiges Wiedersehen mit all den Möbeln, die man vor der Reise nach Italien in Berlin zurückgelassen hatte.

      »Mit dem Flugzeug sind sie durch die Luft hergeflogen«, sagte Herbert spöttisch. »Frag' doch nicht so dumm, Suse. Ein ganzer Möbelwaggon ist doch von Berlin hierher gegangen.«

      »Ist unser Mätzchen auch mitgekommen?« Suses Vögelchen war während ihres Aufenthalts in Italien bei der Großmama in Berlin geblieben.

      »Nein, aber vielleicht kommt es noch angeflogen«, meinte die Mutter geheimnisvoll. Neckte Mutti sie etwa auch?

      »Ißt du keinen Käsekuchen?« Herbert war bereits mit seinem Stück fertig und schielte auf Suses noch unberührtes Stück.

      »Ja, gleich. Nur – Muttichen, kann ich meiner Piccola nicht erst etwas Milch geben? Sie hat sicher Durst von der Reise.« Suse war ein gutes Kind. Sie dachte immer erst an andere. Nachdem das Kätzchen sein Schüsselchen bekommen und dafür Sorge getragen war, daß Bubi ihr die Milch nicht ausleckte, ließ auch Suse es sich schmecken.

      Aber rechte Ruhe hatte sie nicht dabei, trotzdem der Vater den Kindern erzählte, was er ihnen alles in Jena zeigen wollte. Das neue Haus lockte. Herbert, der schon auf eigene Faust auf Entdeckungsreisen ausgegangen war, spielte sich als Führer auf.

      »Komm erst in die obere Etage, da sind die Schlafzimmer. Du, Suse, wir haben keine Kinderstube mehr. Jeder sein Zimmer für sich. Jetzt sind wir groß – fein!«

      »Ach, schade!« meinte Suse betrübt. Sie hätte es eigentlich viel gemütlicher gefunden, wenn sie mit ihrem Zwilling wieder wie in Berlin eine Kinderstube gehabt hätte.

      Aber als Herbert jetzt eine Tür öffnete und sagte: »Dein Zimmer, Suse, Mädels werden immer vorgezogen«, da stand sie starr.

      Was – das entzückende Stübchen mit den rosenroten Tapeten, den weißen Mullgardinen an den Fenstern, mit den weißen neuen Möbeln, die mit rosengeblümtem Stoff gepolstert waren, das sollte ihr Reich sein? Zaghaft fragend wandte sie sich an die nachfolgende Mutter. Und als diese lächelnd nickte, sprang Suse mit einem Jubellaut in ihr Stübchen und nahm davon Besitz. Ach, da war ja auch ihr altes Arbeitspult, weiß gestrichen, ihr Bett, ein weißer Bücherschrank mit ihren Kinder- und Schulbüchern, nur – nur eins fehlte.

      »Muttichen, ist mein Puppenwagen nicht mitgekommen?« erkundigte sie sich.

      »Aber Suschen, du bist doch fast zwölf Jahre, da spielt man doch nicht mehr mit Puppen«, lachte die Mutter. »Der Puppenwagen ist mit andern Spielsachen ins Waisenhaus zur Weihnachtsbescherung für arme Kinder gewandert.«

      »Na ja,« meinte Suse nachdenklich, »die armen Waisenkinder brauchen den Puppenwagen ja auch nötiger als ich. Ich wollte ihn eigentlich nur für meine Piccola haben. Sie sollte darin schlafen, und ich wollte sie damit ausfahren.«

      »Du hast ja 'n Triller mit deiner Katze«, ließ sich Herbert liebevoll vernehmen. »Wozu hat sie denn ihre vier Pfoten, wenn sie gefahren werden muß.«

      »Für dein Kätzchen ist gesorgt, Suschen.« Die Mutter wies in eine Ecke. Da stand ein weißes Körbchen mit rosenroter Decke. Und wer blinzelte da heraus? Grasgrüne Katzenaugen. Piccola hatte noch vor Suse von ihrem neuen Reich Besitz ergriffen.

      »Ach, Muttichen, ich danke dir vielmals, daß du alles so schön für mich hergerichtet hast.« Dankbar umarmte Suse ihre Mutti.

      »Nun wißt ihr doch, weshalb ich euch nicht gleich vor vier Wochen aus Freiburg mitgenommen habe. Eure Zimmer sollten eine Überraschung sein.«

      »Dabei hast du gesagt, wir störten dich bloß beim Einrichten.«

      »Das außerdem«, antwortete die Mutter lächelnd.

      »Wegen meiner Stube hättest du gar nicht so geheimnisvoll zu tun brauchen, Mutti. Das lohnt gar nicht. Sie ist lange nicht so schön wie Suses.« Herbert schien enttäuscht.

      »Ich kann dir doch kein zierliches Mädchenstübchen einrichten, Herbert, das paßt doch nicht für einen Jungen. Du hast ein sehr nettes Zimmer.«

      »Na, es geht«, räumte Herbert ein, um nicht gar zu undankbar zu erscheinen. »Komm, sieh dir's mal an, Suse. Nicht durch die Tür – über den Balkon gehen wir.«

      Ein gemeinsamer Balkon zog sich an den Fenstern der Zwillinge entlang. Man hatte von dort einen wunderhübschen Blick hinunter in das Saaletal. Suse stand und schaute. Wie lustig bunt das Laub ringsum schimmerte. »Dort drüben sind Weinberge, Mutti, purpurrot sehen die Blätter aus. Ach, und wie schön, daß man den ollen rauchenden Vesuv hier nicht sieht!«

      »Komm weiter, Suse.« Herbert zog die Schwester am Ärmel.

      »Und nächstes Frühjahr pflanzen wir hier auf dem Balkon bunte Winden und Primelchen, die habe ich so gern. Und im Garten, Mutti – – –«

      »Na, vorläufig ist doch erst Herbst. Du hast gar kein Interesse für mein Zimmer«, beschwerte sich ihr Zwilling mit Recht.

      Auch Herberts Stube hatte die Mutter liebevoll

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