Professors Zwillinge Bubi und Mädi. Else Ury

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Professors Zwillinge Bubi und Mädi - Else Ury

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lacht der Herr. »Ja, Kleiner, weißt du denn überhaupt schon, was ein Fernrohr ist?« Der alte Herr schüttelt verwundert den Kopf.

      »Natürliß. Vati hat doch eins.« Bubi ist geradezu in seiner vierjährigen Ehre gekränkt. »So 'ne lange Tute, die reicht bis in'n Himmel. Da kann man, wenn man doll artig ist, durchgucken, und alle Sternßen und alle Engelßen und'n lieben Gott sehen.«

      »Auf unsrer Galerie steht das Fernrohr, aber nich anfaschen, sonst beischt's, sagt Vati«, erzählt nun auch Mädi.

      Frau Annchen kommt schnell herbei. Das tut sie immer, wenn ein Fremder mit ihren Kindern spricht.

      »Seit fünfzig Jahren gehe ich hier in dem Treptower Park spazieren,« sagt der alte Herr zu Frau Annchen, »viele Kinder habe ich beim Sandspiel beobachtet. Sie haben Kuchen gebacken, hohe Berge mit Brücken gebaut, Häuser, Bahnen und Tunnel. Aber daß ein Kind ein Fernrohr baut, das habe ich in den ganzen fünfzig Jahren noch nicht gesehen.«

      »Das macht bloß, weil wir so ein großes Ding auf unserer Galerie stehen haben«, erklärt Frau Annchen, »Was nämlich der Vater von unseren Kindern ist, der ist Professor hier an der Treptower Sternwarte, und da studiert er immer die Sterne durch sein langes Rohr. So, Bubi, mach'n Diener, Mädi, mach'n Knicks. Packt eure Sachen zusammen. Wir müssen jetzt nach Haus.«

      Frau Annchen wischt ihnen die sandigen Händchen ab. Bubi macht einen Knicks und Mädi einen Diener. Das tun sie immer aus Ulk, weil es ihnen Spaß macht. Aber der alte Herr merkt es gar nicht. Denn sie sehen ja ganz gleich aus.

      Dann nimmt Frau Annchen die beiden kleinen Zwillinge an die Hand, und sie gehen durch den Park nach Haus, noch ehe das große Sandfernrohr bis in den Himmel reicht.

      2. Kapitel

      Zu Hause

      Mutti schu Hause?« Das ist stets die erste Frage, wenn Mädi und Bubi vom Spielplatz heimkommen.

      Köchin Minna, welche auf das stürmische Klingeln Bubis schleunigst die Tür öffnet, schüttelt lachend den Kopf. »Nee, ausgeflogen. Aber erst sagt man doch schön guten Tag, Mädi.«

      »Guten Tag, Minnachen. Aber nu sag bloß schnell, wo is Mutti hingeflogen. In'n Himmel?« Das kleine Mädchen hängt sich zärtlich an Minnas dicken roten Arm. Denn weiter reicht es nicht.

      »Schon möglich«, lacht Minna.

      »Mit'n Fernrohr?« Jetzt ist auch Bubi ganz Erwartung.

      »Kann schon sein.« Minna lacht noch viel mehr.

      »Aber Minna, reden Sie doch den Kindern nicht solche Märchen vor«, sagt Frau Annchen ärgerlich. »Mutti ist in die Stadt gefahren und kauft dort ein.«

      Bubi ist eigentlich mit Frau Annchens Erklärung gar nicht einverstanden. Er hätte es entschieden viel schöner gefunden, wenn Mutti mit dem langen Fernrohr in den Himmel geflogen wäre. Vielleicht irrt sich Frau Annchen, und Minna hat doch recht.

      Bubi preßt das Näschen gegen die verschlossene Glastür. Die Tür ist stets fest zugeschlossen. Erstens, weil Vatis großes Fernrohr dort steht, an das Kinder nicht herandürfen. Und zweitens, weil Bubi und Mädi von der Galerie herunterfallen können. Besonders der wilde Bubi, der stets klettert.

      »Mädi, glaubste, daß Mutti in das Fernrohr eingestiegen is und mit in'n Himmel geflogen?« Er stellt sich das etwa wie eine Fahrt mit der Puffbahn vor.

      »Nee«, sagt Mädi, die gerade dem Schaukelpferd guten Tag sagt. »Nee, da geht sie behaupt nich rein.«

      »Is doch aber so mächtig lang, bis in'n Himmel.« Bubi ist anderer Meinung.

      Mädi ist das Schaukelpferd Bubis bedeutend wichtiger als das Fernrohr. Sie liebt es mehr als ihre Puppen. Es heißt Braunchen und hat einen roten Sattel. Aus dem Park hat sie ihm in ihrem Eimerchen Grasfutter mitgebracht.

      »Da, Braunchen, schönes Mittagbrot. Haschte Hunger, Braunchen?« Braunchen nickt mit dem Kopf und läßt sich das Grünfutter schmecken.

      »Pferde fressen Heu, Mädi, das ist getrocknetes Gras«, meint Frau Annchen.

      »Wart' mal, Braunchen, wir müssen das Gras erscht trocknen.« Mädi holt dem Pferd das Mittagbrot wieder aus dem Maul. »Du – beisch nich!« Sie hängt das Gras auf die Puppenleine zwischen zwei Stühlen, an der bereits ein Paar Puppenhöschen baumeln. Da es herunterfällt, wird es mit kleinen Puppenklammern festgemacht. Nun kann es trocknen und Heu werden.

      Frau Annchen lacht, weil man Gras nur in der Sonne trocknen kann, damit es Heu wird und nicht auf der Leine.

      Aber Braunchen ist wütend, daß man ihm sein Mittagbrot wieder fortgenommen hat. Es schaukelt vor Ärger hin und her.

      »Bischte traurig, Braunchen?« Mitleidig umfängt das kleine Mädchen es mit seinen Armen.

      Braunchen nickt.

      »Sieh mal, Frau Annchen, wie'sch aussieht! Gansch traurig sieht das arme Braunchen aus! Es weint!«

      »Hottepferdchen können nicht weinen.« Bubi fühlt sich wieder als der ältere. Er hat endlich genug überlegt, ob Mutti wohl in das Fernrohr reingegangen ist.

      Da Mädi sich mit seinem Schaukelpferd beschäftigt, läuft Bubi zu ihrem Puppenwagen in der anderen Ecke. Dort sind die Puppen noch viel wütender auf Mädi als Braunchen. Wirklich, Mädi kümmert sich nicht viel um ihre Puppenkinder. Sie spielt viel lieber mit Bubis Spielsachen. Sie denkt nicht daran, daß Puppen genau solchen Hunger haben wie Schaukelpferde. Neidisch sehen die Puppen zu, wie Mädi Braunchen jetzt füttert. Denn Mädi findet, daß das Heu schon genug getrocknet sei. Und das Gras gäbe doch solchen guten Puppenspinat. Wenigstens werden die armen Puppen jetzt aus ihrer Ecke hervorgezogen. Bubi ladet sie alle in den Puppenwagen auf. Da liegt Elschen mit der verbeulten Nase, die einarmige Lilli, der lahme Hampelmann, Nauke mit der Pauke, der Filzdackel Fifi und Schnuteken, das weiße Karnickel. Alles durcheinander.

      »So, nun kommen wir doch auch ein bißchen ins Freie, Fräulein Lilli«, meint Nauke mit der Pauke frohlockend.

      »Ja, wenn Bubi nicht wäre, Mädi ließe uns hungern, dursten und ohne Luft und Licht ersticken.« Lilli ist furchtbar böse auf ihre Puppenmutter. Kein Wunder! Seit zwei Tagen hat sie sich den Arm zerschlagen. Mädi denkt nicht daran, daß sie sich verbluten kann. Wenn Bubi ihr nicht einen Verband aus Zeitungspapier gemacht hätte, wer weiß, ob sie überhaupt noch am Leben wäre.

      »Also jetzt fahren wir spazieren, und du kannst in deinem Stall bleiben«, ruft Elschen höhnisch im Vorbeifahren dem Schaukelpferd zu. Braunchen können die Puppen alle nicht leiden. Weil es Mädis Liebling ist und ihnen vorgezogen wird.

      Ach, es ist keine große Annehmlichkeit, mit Bubi spazierenzufahren. Über Stock und Stein geht es. Über Fußbänke, Türschwellen, Bausteine und Eisenbahnschienen. Rrrrr – durch die Wohnung.

      Rrrrrr – Elschen und Lilli kreischen vor Entsetzen über die wilde Fahrt. Nauke mit der Pauke stöhnt; ihm ist ganz schwindlig. Denn er ist ein alter Hampelmann, schon von Weihnachten her. Fifi blafft wie besessen. Nur Schnuteken quiekt vor Vergnügen. Je wilder, desto schöner!

      Rrrrrr – da ist Bubi im Wohnzimmer an das Tischchen gefahren, auf dem die schöne Vase mit Blumen steht.

      Klirr

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