Weihnacht von Karl May. Karl May

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Weihnacht von Karl May - Karl May

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gern dabei bin, versteht sich ganz von selbst, nur weiß ich nicht, ob mein

       übergangener Heißhunger mir morgen schon erlauben wird, einen so beschwerlichen Weg zu

       machen.«

       »Grad darüber brauchen Sie nicht zu sorgen,« fiel Franzl heiter ein. »Ich kenne ein ganz

       sicheres Mittel, Sie bis morgen früh wieder gesund zu machen. Sie müssen dieses Mittel noch

       heute abend verzehren.«

       »Was ist es?« fragte Carpio neugierig.

       »Vier oder fünf Stückchen Quarkkuchen.«

       »Quark – – ku – – chen?« dehnte der Busenfreund schaudernd. »Ich würde auf der Stelle

       sterben, wenn ich meinem Magen das Herzeleid anthäte, auch nur ein einziges zu essen!«

       »Aber ich bin überzeugt, daß Sie doch früher dieser Sorte von Kuchen nicht abgeneigt

       gewesen sind!«

       »Früher und jetzt, das sind zwei sehr verschiedene Zeiten. Sie kennen doch das lateinische

       Sprichwort von den Zeiten und den Menschen, die sich ändern?«

       »Gewiß kenne ich es. Es heißt: Saepe luet porci facinus porcellus adulti. Und wenn Sie heut

       nichts genießen wollen, so werden Sie mir erlauben, dafür zu sorgen, daß Sie wenigstens

       unterwegs nicht Hunger leiden. Jetzt will ich Papier holen, um Ihnen den Weg

       aufzuzeichnen.«

       Als er das gethan und uns den Weg auch noch sehr eingehend erklärt hatte, gingen wir

       schlafen. Oben angekommen bemerkte ich, daß der Schragen mit den Kuchen nicht mehr in

       der guten Stube stand. Dieser Umstand fiel mir keineswegs auf, denn Kuchen hebt man doch

       nicht in einem Raume auf, in welchem geschlafen wird, und auch der Busenfreund meinte:

       »Laß ihn fort sein; ich werde um so besser schlafen, wenn ich diesen Quarkkuchen nicht

       riechen muß, der mir so zuwider ist, wie ich gar nicht sagen kann!«

       Als wir am andern Morgen zeitig Kaffee getrunken hatten, brachte die Wirtin ein großes,

       schweres Paket Lebensmittel, welches wir mitnehmen sollten. Wir wollten es zurückweisen,

       weil es uns zuviel schien; sie ging aber nicht darauf ein. Franzl gab uns das Couvert mit den

       Schiffskarten und noch ein zweites, kleineres. Er sagte:

       »Den Abschied wollen wir uns nicht gar so schwer machen, denn ich bin überzeugt, daß Sie

       auf dem Rückweg wieder bei mir einkehren werden. Bis dahin gebe ich Ihnen ein kleines

       Andenken an mich mit. Sie haben uns bei Ihrem Kommen so mit Reimen überschüttet, daß

       ich mir gegen Sie wie ein Schuljunge vorgekommen bin. Da habe ich denn gestern abend, als

       Sie schliefen, mir Mühe gegeben, auch einen Reim zu machen. Es hat wohl an die zwei

       Stunden gedauert, bis er fertig war. Sehen Sie, ob er etwas taugt; aber öffnen Sie das Papier

       nicht eher, als bis Sie aus der Stadt hinaus sind. Darf ich Ihnen noch ein paar Virginias und

       einige Stücke Quarkkuchen mitgeben?«

       Da streckte Carpio, der sich heute wieder wohl fühlte, beide Hände abwehrend aus und rief:

       »Ich rauche im Leben niemals wieder, und wenn Sie wollen, daß ich Ihnen ein treues und

       dankbares Andenken widmen soll, so sprechen Sie das andere Wort, so lange wir noch da

       sind, ja nicht wieder aus!«

       Der Abschied war zwar kurz, aber um so herzlicher. Wir mußten versprechen, auf dem

       Rückwege, wenn nur immer möglich, ja wieder vorzusprechen und noch einen Tag zu

       bleiben; dann wanderten wir zur Stadt hinaus. Draußen vor derselben stand ein Einkehrhaus.

       Als ich an demselben vorüber wollte, hielt mich Carpio an und sagte:

       »Lieber Wanderer, geh nicht weiter! Da drinnen lächelt wieder edle Gastlichkeit!«

       »Schon einkehren? Wir machen doch keine Bierreise und haben kaum erst zweihundert

       Schritte gethan!«

       Aber der Busenfreund wußte mich zu überreden. Er bewies mir mit mathematischer Schärfe,

       daß wir unbedingt das mitbekommene Paket untersuchen müßten, was doch unmöglich

       unterwegs im Freien geschehen könne. Auch müßten wir das Gedicht lesen; ein Bier koste nur

       sechs Kreuzer und reiche für uns beide – ergo!

       Die Stube war leer; dann kam eine Frau, schenkte uns das Bier ein und ging dann wieder

       hinaus. Wir waren allein. Nun wurde das Paket mit großer Feierlichkeit geöffnet. Es enthielt

       ein ganzes Stück Butter, einen Käse, ein Stück Schinken, eine halbe Magenwurst, einige

       Stücke Rosinenkuchen und etwas in Flanell gewickelt. Als wir dies öffneten, fielen zehn

       blanke Gulden und ein Papier heraus, auf welchem zu lesen stand:

       »Für die Visite schulden

       Wir Ihnen diese Gulden.

       Ihr treuer Franzl.«

       Wir ließen unserer frohen Überraschung zehn Minuten lang freien Lauf; als Carpio dann

       allerlei Vorschläge machte, wie dieses Geld unterwegs zu verwenden sei, sagte ich:

       »Es wird nicht ausgegeben, sondern aufgehoben. Unser Reisegeld muß langen.«

       »Was hast du da?« fragte der Busenfreund, als er den Lederbeutel sah, den ich auf meinem

       jungen Herzen trug und jetzt unter der Weste hervorzog.

       »Das ist mein geheimer Geldschrank, in welchem die zwanzig Thaler stecken, die ich mir von

       meinem Honorar für unvorhergesehene Fälle aufbewahrt habe. Hier hinein kommen diese

       zehn Gulden.«

       »Denkst du nicht, daß ein Einbrecher auf den Gedanken kommen kann, daß du diesen Beutel

       bei dir hast?«

       »Hier unter meiner Weste bricht mir niemand ein; darauf kannst du dich verlassen! Du, steckt

       nicht da zwischen dem Kuchen auch ein beschriebenes Papier?«

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