Weihnacht von Karl May. Karl May
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deshalb Cyprinus Carpio oder kurz weg Carpio genannt, weil Karpfen bekanntlich auch nicht
gern viele Worte machen. Wir pflegten unsere beiderseitige Barschaft zwar nicht in eine
gemeinsame Reisekasse zu verschmelzen, aber doch der eine mit den Mitteln des andern zu
rechnen, was zur Folge hatte, daß der, welcher mehr besaß, sich stets bemühte, heimlich dafür
zu sorgen, daß der gegenwärtig Ärmere nicht unter seinem augenblicklichen Proletariat zu
leiden hatte. Es kamen da Beispiele von Selbstlosigkeit und Aufopferung vor, welche wirklich
rührend waren, obgleich oder vielleicht grad weil es sich dabei um ganz geringe Beträge, um
Groschen oder gar nur um Pfennige handelte. Das ganz natürliche Ergebnis dieses Verhaltens
war, daß am Schlusse jeder solchen Reise bei beiden der Rest ihres Geldes genau derselbe
war. Wenn einer unserer heutigen Finanzminister dabeigestanden und gehört oder gesehen
hätte, mit welch einer weisen und bedachtsamen Wichtigkeit wir über die geringste Ausgabe
verhandelten, er hätte von uns lernen können. Wir sind sogar einmal über den Fluß
geschwommen, um zwei Kreuzer Fährgeld zu ersparen.
Dieser prächtige Junge wollte die von mir geplante Weihnachtsreise gar zu gern mitmachen,
glaubte aber, daß ich ihn dieses Mal nicht mitnehmen wolle, weil er nicht mehr als zwei
Thaler zusammenbringen konnte; da war ich gegen ihn doch der reine Millionär! Ich machte
ihn aber durch die Versicherung glücklich, daß es einem solchen Millionär ein Leichtes sei,
einen armen Teufel mit durchzuschleppen. Er mußte mit! Wir konnten die Wanderung nicht
gleich mit dem Beginne der Weihnachtsferien antreten, denn es verstand sich ganz von selbst,
daß wir die Feiertage bei unseren Eltern verlebten, und als wir dann am bestimmten Orte
zusammentrafen – denn wir hatten natürlich wie alle bedeutenden Menschen ein
»Rendezvous« verabredet, teilte er mir strahlenden Auges mit, daß sein Vater ihm einen
Thaler zugelegt habe. Wir standen also nicht mehr 2 sondern 3 zu 5, und er hatte sich meiner
Million ganz bedeutend genähert.
Und wohin sollte unsere Reise gehen?
Gewöhnlich marschierten wir auf dem Gebirge zwischen Sachsen und Böhmen hin. Wir
konnten uns da einbilden, die Pyrenäen zwischen Frankreich und Spanien oder gar den
Himalaya zwischen Tibet und Indien zu durchwandern. Wir hatten da Städte und Dörfer,
Berge und Thäler, Felsen und Wiesen, Flüsse und Bäche, Sonnenschein und Regen, kurz,
alles, was unser Herz begehrte. Mehr konnten wir nicht verlangen und auch in keiner andern
Gegend finden. Dieser Schauplatz unserer Weltreisen war uns lieb geworden, und es gehörte
schon ein ungewöhnlicher Entschluß nach einer vorhergehenden langen Konferenz dazu,
wenn wir einmal einen andern wählten.
Eigentlich hatte diese treue Anhänglichkeit auch einen weniger psychischen Grund, den ich,
nachdem wir ihn so lange geheimgehalten haben, heut doch einmal verraten will. Ich kann das
nun ohne größere Gefahr thun, weil wir jetzt doch nicht mehr da oben herumsteigen und also
andere, ebenso würdige Menschen von den Vorteilen unseres Geheimnisses profitieren lassen
können.
Es gab eine für uns sehr wichtige Ursache, welche uns stetig oder vielmehr unstet zwischen
Österreich und Sachsen hin und her pendeln ließ. Diese Ursache hieß: Kurs, der Geldkurs
nämlich. Man glaube ja nicht, daß nur wirkliche, faktische Millionäre sich mit den
Geldkursen zu beschäftigen haben, o nein; je weniger man besitzt, desto wichtiger wird der
Kurs; das haben wir beide an uns selbst erlebt. Damit soll freilich nicht etwa gesagt sein, daß
folglich der Kurs für den am allerwichtigsten sei, der gar nichts besitzt, sondern es müssen
zwei tüchtige Geldleute zusammentreten, welche gewisse, sichere Fonds besitzen, z.B. der
eine drei und der andere fünf Thaler; die machen eine Reise, eine sogenannte Kursreise, von
welcher sie, besonders wenn sie dem privilegierten Stande buntbemützter Schüler angehören,
ganz ungeahnte Vorteile ziehen können. Aber pfiffig muß man sein, und Schüler muß man
sein! Warum, das werde ich gleich erklären.
Wie steht heut der Gulden? So und so! Hm! – – Wenn der gewöhnliche Sterbliche mit
Thalern zahlt und Gulden heraushaben will, dann stehn die Thaler schlecht. Zahlt er Gulden
und will Groschen haben, so stehen die Gulden schlecht. Und will er sich überzeugen, so ist
kein Kurszettel zu haben. Tritt aber ein ungewöhnlicher Sterblicher, also ein Schüler herein,
so traut man ihm kein Geld zu, obgleich er entweder drei oder gar fünf Thaler in der Tasche
hat. Man sagt ihm ganz ehrlich, wie heut der Gulden steht, und wenn man das nicht weiß, so
zieht er selbst einen für ihn vorteilhaften Kurszettel hervor, von welchem leider das Datum
abgerissen ist. Er ißt und trinkt, bezahlt und geht dann fröhlich von dannen. Wohin? Ja, darin
liegt das großartige Geheimnis. Nämlich steht der Gulden schlecht, so kehrt der Schüler auf
sächsischer Seite ein und läßt sich für einen Thaler österreichisches Geld geben; steht der
Gulden hoch, so kehrt er auf böhmischer Seite ein und wechselt die Kreuzer in Groschen und
Pfennige um. Wenn der Schüler ein bedeutender Kapitalist ist und es also lange genug
aushalten und durchführen kann, so ist es ihm nicht schwer, Gewinne von solcher Höhe
einzustreichen, daß ein gewöhnlicher Sterblicher, wenn er dies erführe, ihn beneiden würde.
Carpio und ich, wir also, haben bei einem Reisegelde von zusammen vier Thaler in acht
Tagen böhmischerseits elf Kreuzer