Gefängnistagebuch 1944. Ханс Фаллада

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Gefängnistagebuch 1944 - Ханс Фаллада

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beschäftigen! Ich hätte gerne einmal zum Fenster hinausgesehen und ein wenig frische Luft geschöpft nach diesem widerlichen Gestank. Aber um mich am Fenster hoch zu ziehen, mußte ich mit der Wand in Berührung kommen, und das zu tun, ekelte mich doch zu sehr. Immerhin war ich fest davon überzeugt, daß sie noch vor der Nacht noch irgendetwas mit mir aufstellen würden, damals schien mir ganz unmöglich, daß sie es wagen würden, mich die ganze Nacht über in diesem Loch sitzen, nein, stehen zu lassen. Schließlich lebten wir doch in einem Rechtsstaat, und eine solche Gemeinheit würde ihnen ziemlich teuer zu stehen kommen. Ich Kind ahnte es damals noch nicht, daß Deutschland seit diesem Januar 1933 aufgehört hatte, ein Rechtsstaat zu sein, daß es ein reiner Willkürstaat war, in dem nur recht war, was die Herren taten. Aber dieses Mal trog mich meine Ahnung doch nicht, es dämmerte schon, da öffnete sich meine Zellentür wieder. »Kommen Sie mit!« sagte er und führte mich in die Wachtstube, dort übergab er mich einem Grau-Uniformierten mit den Worten: »Das ist der Mann«, drehte sich um und sofort war ich seinem Bewußtsein für immer entschwunden. »Kommen Sie mit!« sagte auch der Grau-Uniformierte, ich dachte: »Bin mal neugierig, wohin Dich nun dein Schicksal verschlägt« und folgte ihm. Wir gingen aber nur ein paar Schritte weit, über die Straße, auf ein rotes Gebäude zu, das die Aufschrift trug: »Amtsgericht«. »Aha!« dachte ich. »Gerichtsgefängnis – bei dem Tausch verliere ich jedenfalls nichts!« Es ging hinein in das Amtsgericht, hinein in ein Büro, in dem ein älterer verstaubter Mann saß, der an seinem Federhalter kaute und um den Kopf herum gerupft aussah. »Das ist der Mann«, sagte mein Führer, der Verkehr hier schien mit sehr wenig Redewendungen auszukommen. Der Schreiber warf einen schiefen Blick auf mich, suchte lange in einem dicken Stoß von Akten, entschloß sich schließlich aber doch, ein direkt vor ihm liegendes Blatt Papier zu nehmen. »Da!« sagte er.

      Ich entfaltete das Schreiben. Es stammte von dem Landrat des Kreises Lebus und teilte mir in einem Satz mit, daß er die Schutzhaft über mich verhängt habe, da ich an einer »Verschwörung gegen die Person des Führers« beteiligt sei.

      »Ich protestiere!« sagte ich lebhaft. »Das ist doch vollkommener Unsinn! Nie habe ich mich an einer Verschwörung beteiligt, und nun gar gegen die Person des Führers! Ich bin überhaupt ganz unpolitisch …«

      »Das geht uns nichts an«, sagte der Schreiber gleichmütig und kratzte sich im Ohr. »Wir führen hier nur die Schutzhaft durch. Sonst noch was?«

      »Dann möchte ich mich sofort mit meinem Anwalt in Verbindung setzen!« sagte ich. »Sie können ihm schreiben«, antwortete der Schreiber und reichte mir ein Briefblatt mit einem Umschlag. »Sonst noch was?«

      »Meiner Frau möchte ich auch schreiben.« Ich bekam eine zweite Ladung. »Sonst noch was?«

      »Ich weiß im Augenblick nicht …«, sagte ich zögernd.

      »Sie können sich«, sagte der Mann und sah mich plötzlich voll an, »als Schutzhaftgefangener selbst beköstigen, das heißt Sie können sich Ihr Mittag- und Ihr Abendessen aus einem Gasthof holen lassen.« Er sah mich noch einmal an. Dann sagte er rasch: »Falls Sie nämlich eigenes Geld haben sollten!«

      »Das habe ich!« rief ich und packte aus. »Wachtmeister, dem Mann wird das Essen regelmäßig aus dem Armen Ritter am Markt geholt. – Sonst noch was?«

      Ich wußte im Augenblick wirklich nichts mehr, wenigstens nichts, was der Sekretär mir erfüllen konnte. »Wachtmeister, führen Sie den Mann in seine Zelle!« Gottlob war es, wie ich im letzten Dämmerlicht noch feststellen konnte, eine saubere Zelle, sie war auch, wie ich nach der ersten dort verbrachten Nacht wußte, wanzenfrei. Ich war schon früh wach, ich baute mein Bett und schrieb meine beiden Briefe. Den Anwalt bat ich nur, mich zu besuchen; in dem Brief an meine Frau stand außer der gleichen Bitte noch einiges mehr, alles, was ich unter den gegebenen Umständen eben sagen konnte. Ich sah sie vor mir, sie hatte jetzt keine guten Tage, sie erwartete ein Kind, sie erwartete sogar Zwillinge, wie wir wußten, das machte ihr viel Beschwerden. Und dann sah ich mich fortfahren vom Haus, in diesem klapprigen Auto der SA, und ein Posten blieb vor ihrer Tür zurück. Wie würde sie das alles ertragen – bei ihrem Zustand ertragen? Ein bißchen beruhigte es mich, daß sie über mein Leben wenigstens ruhig sein durfte, der gute Onkel Doktor würde ihr meine Grüße schon gebracht haben! Und dann fiel es mir schwer auf ’s Herz, daß nicht einmal dies sicher war: würde der Posten dann Besucher zu ihr lassen? Was hatte der Posten für einen anderen Sinn als sie zu isolieren? Und ich sah sie da vor mir, allein mit dem Jungen im Hause, das Telefon erst auch gesperrt – und unten nur unsere Wirtsleute, alte Leute, zu Rat und Hilfe. Sponars! Plötzlich fiel mir der vom Haß glühende Blick der Frau Sponar ein, den sie auf mich geworfen, als ich, von SA eskortiert, nach oben gegangen war. Ein unangenehmes Gefühl wollte mich beschleichen. Sponars – hatten sie etwa auch ihre Finger in diesem üblen Handel? Gleich fiel mir der Donnerstag-Nachmittag ein, die Witzchen des Herrn von Salomon – aber es war doch unmöglich! Was sollten Sponars für ein Interesse haben, mich zu schädigen? Sie hatten im Gegenteil jedes Interesse, mir behilflich zu sein, ich hatte ihnen mehr geboten als jeder andere: ein sorgenfreies Alter! Nein, die Sponars würden meiner Frau schon helfen, so weit bei so fremden Leuten eben Hilfe war. Diese Szene vor dem Abendmahl am Karfreitag war wirklich reichlich widerlich gewesen – Suse würde zu solchen Leuten nie volles Vertrauen haben können! Aber immerhin lag jetzt auch in dieser Szene eine gewisse Beruhigung: so heuchlerisch, so verderbt waren diese alten Leute bestimmt nicht, daß sie, den Verrat im Herzen, zu uns gegangen wären, unsere Verzeihung zu erbitten! Unmöglich! Sie hatten es ja gar nicht nötig. Nein, diese ganze Suppe hatte mir dieser ewige Verschwörer und Tollkopf von Salomon eingebrockt! Verschwörung gegen die Person des Führers – das sah ganz nach ihm aus! Aber wieso kam man darauf, daß ich ein Mitverschwörer war? Schließlich konnte man doch nicht alle Personen, die Herr von Salomon in dieser Zeit besuchte, ohne Prüfung als Mitverschwörer verhaften und in Schutzhaft nehmen! Wie ich auch grübelte, ein Rest blieb ungeklärt, und immer wieder sah ich dann, ich mochte mich noch so sehr wehren, den haßerfüllten Blick von Frau Sponar.

      So gingen meine Gedanken, und ich war ordentlich froh, als der Wachtmeister endlich aufschloß und mir einen trockenen Kanten und einen Becher Zichorienwasser als Morgenfrühstück hineinreichte. Er nahm meine Briefe in Empfang, warf einen Blick auf mich, dann in die Zelle … der Blick blieb auf dem Bett haften, das vorschriftsmäßig gemacht jetzt an der Wand hochgeklappt war. »Zum erstem Mal sind Sie aber auch nicht im Kittchen«, stellte er fest. »So baut nur ein Alter den Kahn.«

      Er hatte leider recht mit seiner Bemerkung, in meinem viel bewegten Leben hatte ich auch dann und wann schon einmal eine Zelle bevölkert. Aber ich ärgerte mich doch ein wenig, daß er es gemerkt hatte. Unterdes war ich ein bekannter Schriftsteller geworden, und die Zeiten meiner Jugendtorheiten lagen weit zurück. Ich antwortete ihm nicht. Er warf wieder einen Blick auf mein Gesicht »Na«, meinte er dann. »Vor dem Mittagessen sehe ich noch rein und erkundige mich, was Sie haben wollen.«

      »Irgendeinen Fleischgang mit Suppe und Kompott«, sagte ich. »Und ein großes Glas Bier. Und zwanzig Zigaretten.« (Das Glas Bier – ich liebe Bier eigentlich gar nicht – hatte ich mir bestellt, weil mich Bier immer so schön müde macht. Ich hoffte auf einen ausgiebigen Nachmittagsschlaf. Damit verging die Zeit schneller.)

      »Ist gemacht«, antwortete er und ging. Der lange Tag lag vor mir, und ich wußte es aus mancher bitteren Erfahrung, wie unendlich lang und qualvoll solch ein Tag in der Zelle werden kann, wenn man keinerlei Arbeit hat und sich nur seinen Grübeleien überläßt. Die Fähigkeit zu »dösen« besitze ich überhaupt nicht, und meine Schlafbegabung ist auch in normalen Zeiten nur gering. So hatte ich mir denn Arbeit vorgenommen. Gewiß, meine Zelle war sauber aber nach den Großreinemachbegriffen meiner Hamburger Frau war sie ein Dreckstall. Ich hatte mir ausgerechnet, daß mein Anwalt wohl erst in zwei oder drei Tagen zu mir kommen würde, und diese drei Tage hatte ich mir aufgeteilt: vom Fensterputzen und Wändereinigen bis zum Blankputzen. Ich wußte, man konnte an einem Kübeldeckel aus Zink einen ganzen Tag lang putzen, ehe er eine spiegelnde Glätte aufweist, die auch nicht eine stumpfe Stelle von

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