Propellerheim. Thomas Noll

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Propellerheim - Thomas Noll страница 3

Propellerheim - Thomas Noll

Скачать книгу

sogar. Da war allerdings niemand drin, im Stationszimmer, zumindest nicht die 4 Mal, als ich jemanden gebraucht hätte und andere Patienten machten ähnliche Erfahrungen. Merke: die Hälfte seines Lebens wartet der Patient vergebens!)

      Ob ich zurecht käme.

      „Ja!“

      Und nochmal: Ich könne jederzeit Hilfe rufen.

      „JA!!!“

      Der Hinweis, dass ich nun ruhen wolle, treibt sie endlich aus meinem Zimmer.

      Ich wickele Atemmaske, Laptop und meine allgemeine Stautasche von meinem Hals, und sehe aus dem Fenster.

      Da bin ich nun. Tief im Westen der Republik ist die Klinik. Nicht weit von zuhause, vom Saarland. Von uns aus Richtung Norden.

      Ich sehe mich um. Das Zimmer ist toll. Zwei Betten, ein riesiger Schrank für mich alleine. Ein Tisch, zwei Sessel. Möbel aus Holz… nichts abgewetzt, sauber. Für mich glatte 3 – 4 Sterne. Allerdings kann ich so etwas wie „Design“ oder “Stimmigkeit“ nicht wahrnehmen. Für mich zählt Funktionalität. Das Bad ist allerdings funktionaler als der Rest. Einfachst. Ist das Zimmer hotelmäßig, so ist das Bad klinikmäßig. Kleine Dusche, Duschvorhang auf zwei Seiten… bei meiner Körperfülle heißt das: am ganzen Körper klebender Vorhang; es gilt, Seife und Wasser zwischen die Komponenten Körper und Vorhang zu bringen – wobei dann doch der Vorhang ständig über dem Duschbecken hängt und das Bad unter Wasser steht! Unkomfortabel, aber machbar. Zumal ich ja das Bad nicht putzen muss. Auf der physischen Ebene kann ich hier überleben. Doch das heißt in einer Psychoklinik noch nicht viel…

      Ich wende mich von der Zimmerbetrachtung ab und schaue über den handtuchgroßen Balkon ins Freie. Es ist schönes, helles Wetter. Im Hintergrund sind afrikanisch anmutende Bäume, welche leider nicht den Blick auf ein Kohlekraftwerk verstellen. Ich werde wieder nachdenklich… wieso bin ich erneut in einer Klinik?

      Klar, es gab leicht problematische Arbeitsverhältnisse.

      „Deutschland geht es gut!“ ist das geflügelte Wort. Das heißt, dass unser Gott, die Industrie, gute Zahlen schreibt. Und das muss wiederum heißen, dass es den Menschen in Deutschland gut geht. So jedenfalls das Kurzsicht-Denken der Politiker. Eigentlich heißt es aber, aus unserer Religionssprache BWLisch übersetzt: möglichst wenige Menschen (als größter Kostenfaktor) arbeiten mit möglichst wenigen Mitteln möglichst viel zur Gewinnmaximierung. Wer das nicht (mehr) kann, steht in unserer Gesellschaft dumm da. Ich glaube, jeder Leser mag dies in seiner jetzigen Situation nachvollziehen können – sei er Arbeiter oder Angestellter im sich immer schneller drehenden Hamsterrad, oder sei er Selbständiger, den die Nebenkosten auffressen. Oder sei er gar Kind, Jugendlicher, Student, Hausfrau/Hausmann, Rentner oder Kranker, für die kein Geld da und für die kein Einsparziel zu hoch ist, weil diese Randgruppen (Kinder, Alte und Kranke) bwl-technisch nicht direkt profitabel sind.

      Wir haben einen Wertewandel durchgemacht, der als Lebenssinn alleinig die Arbeit sieht – die jedoch strukturell am Menschen gar nicht interessiert ist, höchstens an seiner Wertschöpfung – und die ist austauschbar. Was viele gerade zu spüren bekommen.

      Wirtschaftswachstum um jeden Preis. Und diesen Preis zahlen wir gerade durch das erdrutschartige Ansteigen psychischer Erkrankungen.

      Es gab Zeiten, da war die Kirche der gesellschaftliche Mittelpunkt, später dann war es das Militär. Jeder musste dort Karriere machen, von Kindesbeinen an wurde dies angestrebt. Familien wurden hoch angesehen, deren Sprösslinge Karriere bei Kirche oder Militär gemacht haben! Die Geschichte hat beiden Institutionen ihren Platz zugewiesen, ihre Hohepriester und Generäle werden nicht mehr in goldenen Karossen durch die Straßen am jubelnden Volk vorbei chauffiert, und sind nicht mehr bei jedem Staatsakt zugegen – wobei Klerus und Militär mit der politischen Herrschaft verschmolzen waren.

      Woher kennen wir das? Ein Schelm, wer hier Parallelen zwischen Politik und Wirtschaft sieht…

      Man darf sich fragen, wann großflächig die große Kunde von Butan bis nach Deutschland dringt, dass gute Wirtschaftszahlen nicht automatisch unbedingt bedeuten, dass es „Deutschland [und seinen Einwohnern!] gut geht.“

      Und, liebe Wirtschaftsfreunde:

      Genauso wenig wie der Glaube durch die Säkularisierung abgeschafft wurde, oder das Militär durch die Auflösung Preußens, genauso wenig soll „die Wirtschaft“ aufhören zu produzieren.

      Es muss nur ihr Stellenwert erheblich zurechtgerückt werden, die Wirtschaft hat nicht ihrer selbst zu dienen, sie ist nicht um ihrer selbst willen da (analog dem früheren Klerus und dem Militär), sondern sie muss für uns, für die Allgemeinheit da und dienbar sein – mit allem Machtverlust, der damit verbunden ist!

      Ich bin mir ziemlich sicher, in wenigen Jahren wird man das affige Getue um Industrie und Wirtschaft in ihren wichtigen business-Anzügen für genauso lächerlich halten wie heute den Hofstaat aus ergebenen Generälen um unseren letzten Kaiser. Realitäten werden das Theaterspielen überholen, wie das bei jeder Gesellschaftsänderung der Fall war.

      Dies als kleine Hintergrund-Exkursion – gesellschafts-philosophische Themen sollen nicht Hauptthema sein – jedenfalls nicht dieses Buches!

      Ich war Banker bei einer filiallosen internet-Bank. In deren CallCenter. Zum Teil auch noch mit Personalverantwortung. Zumindest in Vertretung, mein Aufgabengebiet waren die Prozessoptimierung und die Qualitätssicherung. Das heißt: mit den vorhanden (billigsten) Mitteln das Maximum für die Versorgung des Kunden herausholen. Und damit dies nicht so langweilig wurde, musste alles, was endlich funktionierte, sofort von einem neuen Manager komplett umgeworfen und neu aufgezogen werden; damit der Neu-Manager seinem Chef wiederum zeigen konnte, was für ein toller Hecht er ist! Das hieß für uns an der Front: Wieder in monatelanger Arbeit alles behelfsmäßig-eingeschränkt gangbar machen; und sobald es funktionierte, kam ein neuer Manager – er kam, sah, reorganisierte, und das Ganze begann von vorn. Keiner der Manager hatte Ahnung von unseren technischen Systemen und somit Möglichkeiten, die Anforderungen waren mit den gegebenen Mitteln gar nicht umzusetzen. Es war eine Flickschusterei während meiner gesamten Dienstzeit, dass es einer Sau gegraust hätte. Selbst direkt darauf angesprochen (wenn man einem solchen Menschen überhaupt einmal körperlich gegenüber sitzt, was sehr selten vorkam) und mit mathematisch-technischer Beweisführung, dass Wasser nicht den Berg hochfließt, kamen nur Worthülsen wie „Das sind doch nur Stellschrauben! Und mit Ihrer Erfahrung, Herr Noll, schaffen Sie das schon!“ Mehr wollte Mister BWL nicht von der Realität wissen und ging dem Gespräch aus dem Weg. Unterstützung von direkten Vorgesetzten gab es auch nicht, denn die konnten ja beim Strammstehen nicht reden… Schließlich sorgte ja Mister BWL eventuell für deren weitere Beförderung. Nur wenige fragten etwas nach. Die sind aber heute nicht mehr auf ihren Plätzen…

      Vom Grundgerüst her hieß der Job auch: Druck vom Konzern, Druck vom Standort, Druck vom Kunden, Druck von den anderen Abteilungen, innerer Druck als Perfektionist, weil alles nur noch provisorisch läuft – das bringt Kompression in den Kessel!

      Bis der Deckel aus dem Gewinde fliegt. Ein paar Jahre hielt ich dem 5-Fronten-Krieg stand. Robotete. Kaum Ausfalltage. Bei Erkältungen gab´s Tabletten oder Tag-Durchsteh-Saft, mit „Hallo-Wach“ wurden die Müdigkeitserscheinungen von dem Saft bekämpft. Von den vielen Medikamenten gab´s Magenprobleme – da gab´s so Tütchen mit milchiger Emulsion für.

      Ging aber alles noch… es lief ja gerade das wichtige Projekt, da konnte ich nicht krank machen. Später vielleicht. Irgendwann. Jetzt heißt es „Gas, Gas, Gas!“ Der Lieblingsspruch unseres Geschäftsführers. Kleine Hinweise des Körpers ignorierte ich. Gegen den Reizdarm, der mir wohl ein paar Pausen

Скачать книгу