Propellerheim. Thomas Noll

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Propellerheim - Thomas Noll

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meine Zeit als Banker ist eine andere Geschichte…

      Das Ergebnis war:

      Erste Reha 2007. 1 Jahr Krankenschein. Reha-Ziel: „Bitte wieder einsatzfähig machen!“

      Das wurde geschafft. Arbeitsfähig entlassen. So wollte ich es. Was sonst? Mit 39? Hielt ja auch drei Jahre…

      Zweite Reha 2010, 1 Jahr Krankenschein. Reha-Ziel ist die Beantwortung der Frage, ob es nochmal in den alten Beruf zurückgeht oder nicht. Mit Hilfe der Psychologen kam „man“ zu dem Entschluss „Ja, zurück!“ Hielt ja auch ein paar Wochen…

      Ende 2011 war alles vorbei mit dem Banking…

      Freiwillige Aufgabe, totaler Ausstieg. Eintritt in ein Yoga- und Meditationskloster. Lebensverändernd. Aber das ist auch eine andere Geschichte…

      Leider habe ich dort – vom Umfeld mal abgesehen – dasselbe gemacht wie vorher: die Bankgeschäfte des Ashrams, die Buchführung, Papier, kaufmännisches Arbeiten. Keine gute Idee!

      Ende 2012 auch dort Zusammenbruch. Nachdem ich die Schublade mit den Rückständen meines Vorgängers öffnete…

      Inzwischen waren alle Krankentage und natürlich auch Lohnfortzahlungen aufgebraucht, und der nächste Schritt ist ein Antrag auf Erwerbsunfähigkeits-Rente. Die Rentenversicherung möchte dies abwiegeln und probiert es mit einer erneuten Reha, die zum Ziel hat herauszufinden, wie arbeitsfähig ich noch bin.

      Das ist für mich prinzipiell einsehbar und ich bin einverstanden, auch in mir glüht ein Hoffnungsschimmer, dass mich eine Reha wieder auf die Beine bringt um wieder ´normal´ arbeiten zu können.

      So ist das gekommen, dass ich jetzt hier stehe und der Dinge harre, die da kommen mögen.

      Ich beginne auszupacken. Die Elektronik natürlich zuerst.

      Bin ich eigentlich ein Nerd?

      Gut, wenn ich nach dem Wetter gefragt werde bin ich ja jemand, der sich im internet die Meteo-Seite aufruft, anstatt den Kopf zu drehen und aus dem Fenster zu schauen. Oder jemandem, der triefnass durch die Tür kommt und den Regen verflucht sagt „Das kann nicht sein, da sind keine Regenwolken auf meiner Radar-Seite!“

      Binnen von Minuten sind sechs Steckdosen belegt: Handy, tablet-PC, mini-TV/DVD-Player, Radiowecker, Laptop und meine CPAP, die Atemmaske, welche ich des Nachts wegen Atemaussetzern benötige. Es sieht ein bisschen aus wie in einer Kommandozentrale von irgendwas… das Flair des ungestörten Kämmerchens im Grünen ist dahin. Ich habe aber was Kommunikation angeht meine eigene Meinung, die sich nicht ganz mit der landläufigen Theorie des „immer erreichbar-seins“ deckt. Richtig angewandt hatten wir noch nie so viele Möglichkeiten wie heute, Kommunikation in unserem Sinne zu selektieren. Früher ging man immer an das graue Wahlscheiben-Telefon im Flur – es konnte die Firma sein, Tante Hedwig könnte gestorben sein oder war es die Lotterie-Gesellschaft? Heute sehe ich vor dem Abheben, wer etwas von mir will – die Firma, die Krankenkasse, eine gute Freundin? Und bei Skype, sms und email kann ich antworten, wann ich will und Zeit und Lust habe. Am Ur-Telefon war man erst mal gefangen. Von daher machte mir die eingerichtete Kommunikationszentrale im Krankenzimmer kein Kopfzerbrechen.

      Allerdings wird diese später im Abschlussbericht erwähnt, im Zusammenhang mit ´Einsamkeit, Zurückgezogenheit, Patient nutzt elektronische Mittel zum Kontakt mit Freunden´ und Ähnlichem. Nun ja, meine Freunde wollten partout nicht mit in diese Anstalt, und den Kontakt wollte ich nicht verlieren; und hier neue Freunde für´s Leben zu finden ist teil-problematisch, oder sagen wir ´neuralgisch-prekär´…

      Meine Klamotten schmeiße ich in den riesigen Schrank, die sind nicht so wichtig wie der Aufbau der Fenster zur Welt. Ich habe nicht viel mit, nur kurze Sachen, T-Shirts, Badebekleidung, FlipFlops. Es ist Sommer, wir sind in einer Klinik… Danach werfe ich mich müde auf das Bett. Ich kann mich nicht einmal lang ausstrecken, als es klopft. Nicht zum letzten Mal in dem 6wöchigen Aufenthalt… dem Klopfen ist ein eigenes Kapitel gewidmet! In diesem Fall ist es meine Patin. Ich kenne es schon aus einer der beiden anderen Kliniken: Neupatienten bekommen einen älteren Patienten zur Seite gestellt, welcher ihnen alles zeigt und ein bisschen vom Klinikalltag erzählt. Also „auf, auf!“ zum 2. Klinikrundgang. Es hat sich allerdings nichts verändert seit dem ersten vor 2 Stunden, auch die Wegweiser, die auf den Zimmern liegen, stimmen akkurat. Die Klinik ist klein, hat keine 200 Betten, ist U-förmig mit zwei kleinen Nebengebäuden aufgebaut. Zur besseren Übersicht hat man sogar die Räume einfach den Flur entlang durchnummeriert, und Raumnummern beginnen mit dem Stockwerk, also 423 ist im 4. Stock und 124 im 1. Stock. So könne ich mir das merken und auch selbständig was finden. Wir gingen aber die ersten beiden Male zusammen zum Essen (Küche und Kantine sind unverfehlbar in einem Stockwerk, in dem sich sonst nichts befindet); wenn ich wollte, auch ein drittes Mal, was ich aber dankend ablehnte.

      Mir wird etwas unwohl bei den Erklärungen, welche Patienten verkehren hier normalerweise…? Der Alltag erfordert solche Kenntnisse doch dauernd… auf dem Amt, im Urlaub? Nichts schöner, als im Hotel herumzustöbern, schöne Plätze und Bars und das Restaurant zu finden? Eine Vorahnung auf heitere 6 Wochen schleicht sich leichtfüßig in mein fieberndes Gehirn…

      Todkrank?

      Eines sollte ein neu-Rehaianer gleich als Erstes wissen: Die Klinik wird zu Anfang eine schwere Zusatz-Erkrankung feststellen! Trotz meiner Erfahrung lasse ich mich auch ein Drittes Mal hereinlegen: nach einer Leberkrankheit (1. Reha) und schwerster Gicht (2. Reha) habe ich diesmal Zucker!

      Ein ´umfangreicher´ Test (kleines Blutbild) wird gleich am ersten Morgen nach dem Anreisetag gemacht. Und zwar morgens um 07:00 Uhr! Zu dem Thema „Morgen“ wird in einem späteren Kapitel noch näher eingegangen. Jedenfalls hatte ich um 07:00 Uhr erst 3 Stunden geschlafen und erst seit 4 Stunden nichts gegessen. Und mir wurde an einem Freitag gesagt (Donnerstagsnachmittags kam ich an), dass ich wohl Zucker hätte. Ob auch nahe Verwandtschaft von mir daran litte. Ich meinte „Ja, mehrere!“ Ich war wie vom Blitz getroffen! Zucker! Ich auch! Ob das sicher wäre? „Ja, wir prüfen das nochmal am Montag mit einem weiteren Test!“ So verbrachte ich das Wochenende mit innerer Angespanntheit ob einer neuen Krankheit, befragte schon einen Mitpatienten mit Diabetes, was mir nun bevor stünde, er wollte mir gleich ein Spritzenset schenken, und ich sah beide Füße schon ab, als es Montagsmorgens erneut zum Bluttest ging. Beim Montagsnachmittags-Arzttermin lag der aber noch nicht vor, das Labor hätte Rückstände. Der Blutdruck stieg, ich wurde auf morgen, Dienstag vertröstet. Dienstags hieß es dann, mein Arzt sei heut´ nicht da, ich solle halt bis Mittwochs warten. Beziehungsweise besser bis Donnerstag, Mittwoch habe er Urlaub. Ich forderte einen anderen Arzt – das ginge nur morgens! Ich lief der zuständigen Schwester in den Aufzug hinterher und bat nun einfach um eine Kopie meines zweiten Bluttests, ich würde den Wert selber erkennen, natürlich hatte ich über das Wochenende und Montags das gesamte internet über Zucker-Blutwerte durchgeackert. Man soll die Kopie einfach unter meiner Zimmertür durchwerfen.

      „Ahaha!“, lachte sie, „das wird niemand machen!“

      Die Abweisung war für mich nicht hinnehmbar.

      Ich wusste, das Ergebnis liegt vor, schlummert in seiner Akte vor sich hin, und niemand in einer Klinik voller Leute macht es mir zugänglich! Ich war als Banker mehr als genug geschult, meine Anliegen zu einem Ergebnis zu bringen.

      Ich drückte auf die Stopp-Taste vom Aufzug, der auch sofort mit einem Ruck stehen blieb. Die Schwester stutze – und ich monologisierte, ohne Kommentare oder Widersprüche zuzulassen (wofür sie auch in der Situation

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