Orangen und Datteln. Karl May
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Читать онлайн книгу Orangen und Datteln - Karl May страница 6
»Hedjahn-Bei? Wer ist das?«
»Kennst du den Karawanenwürger nicht? Ist dein Ohr taub, daß du noch nichts von ihm vernommen hast? Er ist der Herr der Wüste, fürchterlich in seinem Zorne, gräßlich in seinem Grimme, schrecklich in seinem Hasse und unüberwindlich im Kampfe. Der junge Ungläubige ist sein Gefangener.«
Ich lachte.
»Unüberwindlich im Kampfe? So kämpft er wohl nur mit dem kleinen Schakal und der feigen Hyäne? Kein Franke fürchtet sich vor ihm und seiner Gum. Warum giebt er den Gefangenen nicht frei? Hat er nicht zweimal Lösegeld erhalten?«
»Die Wüste ist groß, und der Hedjahn-Bei hat viele Männer, welche Kleider, Waffen und Zelte brauchen.«
»Der Karawanenwürger ist ein Lügner und Betrüger. Sein Herz kennt nicht die Wahrheit, und seine Zunge ist falsch; sie hat zwei Spitzen wie die Zunge der Schlange, der man den Kopf zertritt. Mit welcher Botschaft sendet er dich?«
»Gieb uns Burnus und Schuhe, Waffen und Pulver, Spitzen für unsere Speere und Tücher für unsere Zelte!«
»Ihr habt bereits zweimal erhalten, was du begehrst. Du wirst nicht den Zipfel eines Tuches und nicht ein Körnchen Pulver mehr erhalten!«
»So stirbt der Gefangene!«
»Der Hedjahn-Bei giebt ihn nicht los, auch wenn er erhält, was er von uns fordert.«
»Er wird ihm seine Freiheit schenken. Der Würger der Karawanen ist gnädig, wenn er den Preis erhält.«
»Wie viel fordert er?«
»So viel, als er bereits erhalten hat.«
»Das ist viel. Du willst die Waren mitnehmen?«
»Nein. Du wirst sie ihm senden wie die beiden andern Male.«
»Wohin?«
»Nach dem Bab-el-Ghud.«
Das war ja derselbe Ort, nach welchem mich Emery bestellt hatte! War dies Zufall oder wußte er, daß der Räuber sich dort befinden würde?
»Werden wir den Gefangenen dort treffen und gegen das Lösegeld erhalten?«
»Ja.«
»Sagst du die Wahrheit?«
»Ich lüge nicht!«
»Du hast bereits zweimal ja gesagt, und doch gelogen. Schwöre es mir!«
»Ich schwöre es!«
»Bei der Seele deines Vaters?«
»Bei – der Seele meines – – Vaters!« stieß er zögernd hervor.
»Und beim Barte des Propheten!«
Jetzt wurde er vollständig verlegen.
»Ich habe geschworen; das ist genug!«
»Du hast geschworen bei der Seele deines Vaters, die nicht mehr wert ist, als die deinige. Für beide zusammen gebe ich nicht eine einzige Sisch oder Bla halef, und ein Schwur bei ihnen ist kein Sandkorn wert, deren doch die Wüste voll ist vom Aufgang bis zum Niedergang. Schwörst du beim Barte des Propheten?«
»Nein.«
»So ist dein Wort wieder Lug und Trug, und du wirst die Sterne der Wüste nicht wieder sehen.«
Sein Auge leuchtete auf.
»Wisse, Ungläubiger, daß die Seele des Gefangenen zur Tschehennah (Hölle) fahren wird, wenn ich nicht bis zur rechten Zeit beim Hedjahn-Bei eingetroffen bin; dieses schwöre ich dir allerdings beim Barte des Propheten, der seine Gläubigen zu schützen weiß!«
»Dann wird deine Seele ihr vorangehen, und die Gebeine des Karawanenwürgers und seiner Gum werden bleichen im Sonnenbrande, das schwöre ich dir bei Jesus, dem Sohn Mariens, den ihr Isa Ben Marryam nennt, und der mächtiger und größer ist als Mohammed; denn ihr selbst sagt, daß er sich einst auf die Moschee der Ommijaden zu Damaskus niederlassen wird, um zu richten alle Kreaturen der Erde, der Luft und des Wassers!«
Er warf den Kopf empor und fuhr sich mit den Nägeln der geöffneten Rechten rasch unter den Bart, bei den Beduinen die Gebärde der vollständigsten Verachtung.
»Ihr werdet alles bringen, was wir verlangen! Ich war zweimal bei euch, und ihr habt es nicht gewagt, eure Hände an den Gesandten des Hedjahn-Bei zu legen; ihr werdet es auch heute nicht thun. Hundert Männer wie du vermögen nicht, ihn zu besiegen, und tausend Männer deinesgleichen werden seine Gum nicht überwinden, denn du bist – ein Giaur!«
Ich trat sofort mit erhobener Faust auf ihn zu.
»Ist dein Kopf leer und dein Geist verdorrt, daß du es wagst, mir dieses Wort zu sagen, du, der du nichts bist als ein Kelb den man zur Erde schlägt?!«
Er ließ sofort die Flinte zur Erde gleiten und erhob die beiden Arme. An jedem Handgelenke hing ihm ein scharfes, spitzes Kussa (Messer) von wohl acht Zoll Klingenlänge. Während der gewöhnliche Beduine nur ein solches Messer trägt, führt der Wüstenräuber deren zwei, welche er in der Weise gebraucht, daß er den Feind umarmt und ihm die beiden Klingen dabei in den Rücken stößt. Mein Tuareg hielt sich zu demselben Verfahren bereit.
»Willst du das Wort widerrufen?« fragte ich.
»Ich sage es noch einmal, Giaur!«
»So falle nieder vor dem Giaur!«
Noch ehe er eine Bewegung machen konnte, traf ihn meine Faust auf die Stirn; er knickte zusammen und sank besinnungslos zu Boden. Es war dies ganz derselbe Jagdhieb, wegen dessen man mich in der Prairie Old Shatterhand genannt hatte.
»O mon Dieu!« kreischte Madame auf, »Sie haben den Mann erschlagen; er ist tot; vollständig tot!«
Mademoiselle lag in halber Ohnmacht auf dem Diwan, neben welchem sie gestanden hatte, und Latréaumont war sprachlos und machte ein Gesicht, als ob der Blitz grad vor ihm in den Boden gefahren sei.
»Keine Sorge, Madame,« tröstete ich; »dieser Geselle lebt noch, wenn ihm auch die Besinnung für einige Zeit abhanden gekommen ist. Ich kenne meine Faust genau; wäre es meine Absicht gewesen, ihn zu töten, so hätte ich ein wenig weiter ausgeholt.«
Diese Worte brachten den erschrockenen Franzosen wieder zu Atem.
»Aber Sie sind ja ein Gigant, ein wahrer Goliath, Monseigneur! Bei mir hätte es wenigstens einiger hundert Hiebe bedurft, um diesen Mann par terre zu bringen!«
Das kleine Männchen, welches mir kaum bis zur Schulter reichte und die Hände eines Kindes besaß, hatte jedenfalls recht. Er hätte wohl Monate lang auf dem Schädel des Tuareg herumhämmern können, ohne ihm einigermaßen wehe zu thun.
»Bitte,