Leiche an Bord. Ole R. Börgdahl
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Читать онлайн книгу Leiche an Bord - Ole R. Börgdahl страница 3
»Das Ganze steckt ja noch in den Kinderschuhen«, begann er. »Ich habe ein winziges Budget, aber man ist schon aufmerksam geworden. Es soll eine Kooperation zwischen mehreren Bundesländern werden. Hamburg ist da nicht unbedingt führend. Ich glaube, die Schwaben haben so einige Tillman Halls am Start, wenn Sie mir die Bemerkung erlauben.«
»Was heißt am Start?«, fragte ich sofort, obwohl ich es mir denken konnte.
»Na ja, die Behörden kaufen sich Know-How ein«, erklärte Bruckner. »Früher waren das mehr so Wissenschaftstypen. Biologen mit Hang zu verwesten Leichen, Psychologen, die am Liebsten auch noch den Profiler in die Klapse gesteckt hätten, Sie verstehen.«
»So in etwa. Das Thema ist mir nicht ganz fremd.«
»Ja, ja, genau. Jedenfalls dieses Interdisziplinäre, so wie wir beide immer zusammengearbeitet haben, das ist jetzt erst richtig im Kommen. Man will die Strippenzieher, die Profiler, ans Haus binden, das sollen wieder richtige Polizisten sein. Das kostet natürlich Ausbildung und damit fängt man jetzt so langsam an.«
»Das ist das Programm, von dem sie gesprochen haben«, unterbrach ich Bruckner.
»Ganz genau, das Programm.« Bruckner nickte und widmete sich kurz wieder seinem halbgeleerten Teller. Er zerschnitt eine Kartoffel, ohne etwas zu essen.
»Sie halten hier Seminare ab, wenn ich es richtig verstanden habe?«
»Mittlerweile schon«, sagte Bruckner. »Die erste Veranstaltung war aber mehr ein Meinungsaustausch, ein Arbeitstreffen. Wir hatten einige Wissende und viele Unbefleckte hier.«
»Unbefleckte?«
»Ja, so nenne ich das. Auf jeden Fall haben wir schnell gemerkt, dass wir etwas tun müssen. Vier Wochen später hatten wir dann den ersten Kurs auf die Beine gestellt. Ich habe das übernommen. Die anderen Kollegen haben sich um das Budget gekümmert und vor allem die Häuptlinge davon überzeugt, dass das Ganze eine gute Sache ist. Seitdem laufen die Seminare. Für den Sommer ist aber jetzt eine Pause geplant.«
»Gerade, wo es hier richtig schön wird.«
»Ich bin nur sechs Monate freigestellt, dann will mein Chef mich zurück in Hamburg haben.« Bruckner zögerte kurz. »Es ist aber auch so, dass ich mal eine Pause brauche. Beim letzten Seminar hat mich ein Kollege aus Berlin begleitet. Er wird im Herbst die zweite Staffel übernehmen. Und danach müssen die Verantwortlichen entscheiden, ob und wie es weitergeht.«
»Aber das Dozieren macht Ihnen Spaß?«, fragte ich.
Bruckner tippte sich an den Kopf. »Hier oben steckt eine Menge Erfahrung drin. Ich merke, dass ich was weitergeben kann und vor allem, dass man mir zuhört.«
»So ist mir das in Quantico auch gegangen«, stellte ich nickend fest. »Was bringen Sie den Leuten denn bei, woraus besteht Ihr Lehrstoff?«
Bruckner lächelte. »Nach dem allerersten Kurstag bin ich nachts um drei aufgewacht und habe mich an den Computer gesetzt. Der erste Kurstag war nicht schlecht, aber mir hat etwas gefehlt.«
»Und was hat Ihnen gefehlt?«
»Die Fälle, echtes Anschauungsmaterial. Wir hatten den Kurs sehr theoretisch aufgebaut. Das habe ich übrigens von Ihnen übernommen. Sie sind mir doch immer mit Ihrer Theorie gekommen, mit den Checklisten und Anleitungen, mit den Herleitungen. Ihretwegen habe ich damals doch den Sherlock Holmes gelesen.«
»War das keine gute Idee?«, fragte ich.
»Doch, doch, aber bei dem Seminar haben mir eben die echten Fälle gefehlt. Genau das habe ich morgens um drei gemerkt. Ich habe mich in sämtliche Polizeidatenbanken eingewählt, die mir eingefallen sind …«
»Und da haben Sie Ihre Fälle gefunden?«, unterbrach ich Bruckner.
»Genauso war es. Ich habe ein paar Folien gemacht. War nicht schwer, denn ich bin ja eigentlich Praktiker, und genau das wollte ich den Kursteilnehmern vermitteln.« Bruckner stutzte. »Wollen Sie meine Unterlagen mal sehen? Wollen Sie mal sehen, wie ich meinen Kurs aufgebaut habe?«
»Natürlich, aber es ist Ihr Kurs. Erwarten Sie keine Beurteilung von mir.«
»Nein, nein, das will ich gar nicht. Wir haben in unserer Gruppe darüber gesprochen, das ist längst optimiert, also zumindest so, wie wir es für richtig halten.«
Bruckner ließ sein Besteck fallen und bückte sich unter den Tisch. Dort stand seine Aktentasche, in der er zu wühlen begann. Ich beugte mich vor und sah ihm interessiert zu. Er prüfte einige Papiere, zog dann eine rote Mappe hervor und legte sie auf den Tisch. Er schaute mich an, während er die Gummibänder von der Mappe löste.
»Ich präsentiere die Sachen hier sonst mit dem Beamer und blende die Fakten der einzelnen Folien nach und nach ein.«
Er zog ein farbiges Blatt aus der Mappe und schob es mir hin. Ich beugte mich darüber. Ein Frauenkopf, kein Foto der Leiche, aber offensichtlich das Opfer eines Verbrechens. Neben dem Bild standen die Falldaten.
»Das ist immer der Einstieg«, kommentierte er. »Ich nenne sie Maria Müller. Das ist natürlich nicht ihr richtiger Name. Ich arbeite nie mit den echten Identitäten, aber dennoch haben die Opfer der Schulungsfälle oft einen Namen. Das erleichtert die Erklärungen, auch für die Kursteilnehmer.«
Ich nickte. »Das ist ja gerade das Prinzip von Jane oder John Doe, das in den Staaten angewendet wird.«
»Mit dem Unterschied, dass ich natürlich weiß, wer Maria Müller wirklich war, denn es ist selbstverständlich ein echter Fall«, erklärte Bruckner weiter.
»Aber Sie haben einige Details konstruiert, damit Sie besser schulen können?«
»In der Regel mache ich das schon, damit es in der Schulung für die Teilnehmer schlüssiger ist und wir schneller zum Ziel kommen. Bei diesem Fall war das aber nicht notwendig, der gibt auch so genug her.«
»Und das wäre?«
Bruckner überlegte kurz, wie er beginnen sollte. »Sie war neununddreißig, geschieden, aber dem männlichen Geschlecht nicht abgeneigt. Natürlich nicht im Sinne von Prostitution, ganz und gar nicht. Sie hatte einige Liebhaber hintereinander, in relativ kurzer Zeit. Sie war ja ungebunden und konnte machen, was sie wollte.« Bruckner zog die zweite Folie aus der roten Mappe. »Das ist der Leichenfundort.« Er tippte auf die Fotografie, aus der die gesamte Folie bestand.
Ich hatte schnell den Überblick. Es war offensichtlich ein Park, eine Bank neben einer Laterne. Dahinter ein Gebüsch in voller Blüte, weiter nichts. »Macht es nicht Sinn, den Fundort zu fotografieren, bevor die Leiche abtransportiert wurde?«, stellte ich spöttisch fest.
Bruckner schüttelte den Kopf. »Die Leiche ist noch da.«
Er zog eine dritte Folie hervor. Ein Zoom auf das Gebüsch hinter der Bank. Und dann sah ich es auch. Ich tippte auf die Fotografie.
»Der schwarze Sack, der hier durch die Zweige schimmert.« Ich überlegte. »Die alte Frage, wollte der Täter, dass die Leiche gefunden wird, oder wusste er es nicht besser?«
Bruckner