Leiche an Bord. Ole R. Börgdahl

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Leiche an Bord - Ole R. Börgdahl Tillman-Halls-Reihe

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sind gekommen und ein Mordermittler aus Brandenburg, der auch gleich ein Team der Spurensicherung mitgebracht hat. Die Fähre wurde sogar für den Rest der Woche stillgelegt. Die Fachleute haben sich Zeit gelassen, die Leiche zu bergen.« Bruckner deutete auf die Tür hinter sich. »Es ist nicht so einfach einen Körper aus einem verschlossenen Schacht zu befreien, und dabei gleichzeitig mögliche Tathergangsspuren zu erhalten. Am Ende waren die Fakten allerdings ganz eindeutig. Das Opfer wurde nicht beraubt. Er hatte noch seine Brieftasche bei sich und man konnte ihn sofort identifizieren. Den Rest kennt ihr aus dem Fazit des Obduktionsberichtes, darum sollte unsere Aufmerksamkeit auch auf etwas Anderem liegen.«

      Den letzten Satz hatte Bruckner wie eine Frage formuliert und er hatte die ganze Angelegenheit so dargestellt, als sei der Fall noch ganz frisch. Ich verstand, dass dies das Vorgehen bei der Schulung war. Die Teilnehmer sollten die nächsten Ermittlungsschritte vorgeben. Dann würden sie es diskutieren und Bruckner würde am Schluss darlegen, wie der Fall tatsächlich abgelaufen war. Dann benutzte Bruckner noch ein Hilfsmittel. Er zückte sein Mobile und wählte eine Diktier-App aus. Das hatte er von mir gelernt. Voicememos nenne ich das.

      Ute meldete sich, Bruckner hielt ihr das Telefon hin. Sie kannte die Prozedur bereits. Sie beugte sich zu dem Gerät. »Wenn er schon eine Woche in dem Schacht lag, wird es schwierig sein, die Mitpassagiere zu ermitteln und zu befragen.«

      »Warum?«, warf Klaus sofort ein und ging ebenfalls näher an Bruckners Mobile heran. »Es gibt doch bestimmt Passagierlisten.«

      Bruckner schüttelte den Kopf. »Bei so einer Fähre nicht. Niemand braucht beim Ticketkauf seinen Personalausweis vorzeigen. Die Reederei kennt nur in Ausnahmefällen die Namen der jeweiligen Passagiere.«

      »Was ist mit dem Zoll?« Klaus blieb an dem Thema dran. »Die Leute mussten in Trelleborg doch zur Passkontrolle.«

      »Hey, Klaus, weißt du nicht, dass du im Schengenerraum lebst. Da gibt es keine Grenzkontrollen mehr«, rief Ute lachend.

      Klaus sah sie böse an.

      »Die Idee mit dem Zoll ist gar nicht so abwegig«, beschwichtigte Bruckner. »Es gibt immer noch Kontrollen, wenn den Zollbeamten etwas merkwürdig vorkommt, aber diese Erhebung ist natürlich bei Weitem nicht vollständig.«

      »Gibt es eine Videoüberwachung?«, fragte Gisela. »Ich kann mir gut vorstellen, dass dieser Bereich hier, wo die Fahrzeuge aufs Schiff kommen, videoüberwacht ist.« Sie sah sich um, suchte nach einem Hinweis auf Kameras.

      »Das wäre ein Ansatz«, bestätigte Bruckner, »aber so gut sind die hier nicht ausgerüstet.«

      »Also keine Videoaufzeichnungen, die den Tathergang zeigen oder vielleicht sogar, mit wem der Tote während der Überfahrt Kontakt hatte«, stellte Klaus nachdenklich fest und überlegte. »Bleibt also nur die Mannschaft. Wurde die Mannschaft verhört?«

      Alle traten jetzt näher an Bruckner heran, damit die kommende Diskussion besser vom Mikrophon des Smartphones erfasst werden konnte.

      »Stimmt, die Mannschaft ist der erste Ansatz«, bestätigte Bruckner. »Ein Matrose hat ihn gefunden, als er diesen Aufgang vom Bilgendeck zum Parkdeck genommen hat. Der Mann hat mit seiner Taschenlampe in den Schacht geleuchtet.«

      »Benutzt denn sonst niemand diese Treppe?«, fragte Klaus. »Eine Woche ist doch schon eine sehr lange Zeit.«

      »Es ist nicht klar, wie oft einzelne Besatzungsmitglieder den Aufgang benutzt haben, ohne etwas zu bemerken. Der besagte Matrose hat laut Aussage einen Geruch wahrgenommen, einen Verwesungsgeruch. Er hat zunächst an Ratten gedacht und daraufhin seine Taschenlampe in den Schacht gehalten.«

      »Und ist wahrscheinlich vor Schreck umgefallen«, kommentierte Ute.

      »Ganz im Gegenteil. Der Mann hat sich sehr professionell verhalten. Er hat nichts unternommen, sondern hat gleich seine Offiziere gerufen und die haben auch nichts unternommen, außer die Polizei zu informieren.«

      »Wann wurde die Leiche eigentlich gefunden, ich meine, wann hat sich das Ganze ereignet?«, fragte Gisela.

      »Richtig, diese Fakten fehlen noch«, antwortete Bruckner. »Es ist für unsere Schulung zwar nicht primär wichtig, aber vielleicht verstecken sich dahinter doch Informationen, die den Profiler interessieren sollten.« Bruckner überlegte, machte dann die Angaben aus seinem Gedächtnis. »Am 17. Dezember 2012, einem Montag, morgens um neun. Die Fähre sollte um 10:30 Uhr ablegen. Die Schutzpolizei war gegen halb zehn an Bord und hat den Tatort gesichert. Erst gegen Mittag waren der Mordermittler und die Spurensicherung in Sassnitz. Die Leiche wurde noch am selben Tag geborgen. Bei der ersten Leichenbeschau wurde auffällig, dass es nur geringe äußere Verletzungen aufgrund des Sturzes gab. Getötet wurde das Opfer durch einen beim Aufprall auf dem Schachtboden erlittenen Genickbruch.« Bruckner zögerte und sah in die Runde. »Und mit diesen Fakten seid ihr jetzt hier an Bord. Stellt euch vor, dass ihr bei der Leichenschau anwesend wart und mir auch eure Fragen an den Gerichtsmediziner stellen könnt.«

      Gisela meldete sich. »Genickbruch. Könnte der auch von einem Schlag herrühren, den das Opfer vor dem Sturz erlitten hat?«

      Bruckner schüttelte den Kopf. »Es gab keine Verletzungen, die darauf hinweisen. Alle erlittenen Verletzungen stammen mit neunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit vom Sturz.«

      »Neunzig Prozent«, wiederholte Ute. »Die restlichen zehn Prozent lassen also Raum für Spekulationen?«

      Bruckner zuckte mit den Schultern. »Du wirst nie eine Hundertprozentaussage von der Obduktion bekommen. Aber wir können das dennoch einmal durchspielen. Einer Person das Genick zu brechen, zum Beispiel mit einer Keule, würde eine große Kraftausübung erfordern, die wiederum eindeutig erkennbare äußere Verletzungen nach sich zieht. Die wurden aber nicht gefunden.«

      Ute nickte. Gisela meldete sich erneut. »Es stellt sich die Frage, wie der Tote da hineingefallen sein kann? Erstens: Er ist gefallen, in Form eines Suizids. Zweitens: Er ist gefallen, in Form eines Unfalls. Drittens: Ein oder mehrere Personen haben nachgeholfen.«

      »Genau so müsst ihr das aufbauen«, sagte Bruckner nickend. »Und in diesem Stadium noch keine Entscheidung treffen. Hütet euch vor einer Entscheidung. Gibt es eine vierte Möglichkeit?«

      Gisela und Ute schienen zu überlegen. Klaus ging zur Tür, die zum Schacht führte. »Kann man da noch einmal rein?«

      Bruckner sah sich um, der Matrose mit dem Schlüssel war nicht mehr zu sehen. »Ich fürchte nicht. Worum geht es dir denn?«

      »Ich würde das Geländer der Treppe vermessen. Vielleicht war er nur zu schnell auf der Treppe unterwegs und ist gestolpert«, sagte Klaus.

      »Das hatte Gisela schon, Punkt zwei, Unfall«, erklärte Bruckner. »Aber du hast recht, es ist natürlich wichtig, die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls anhand dieser Indizien abzuwägen.«

      Ich durchschaute Bruckners Methode, die tatsächlich noch besser in einem Zweierteam funktionierte. Man hätte die Fragen und Antworten natürlich auch aufschreiben können, zum Beispiel an einem Flipchart, um später auch Querverbindungen anlegen zu können. Ganz sicher würde das beim Abspielen der Tonaufnahme noch geschehen, sobald die Gruppe wieder in ihrem Unterrichtsraum war.

      Gisela hob die Hand. »Die Unfall- und die Suizidthese lassen sich vorerst am wenigsten belegen. Wir sollten also nach dem Ausschlussverfahren vorgehen und weitere Hinweise sammeln, die ein Verschulden Dritter eindeutig ausschließt, um wieder auf die Thesen Unfall und Suizid zu kommen.«

      »Das

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