Leiche an Bord. Ole R. Börgdahl
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Читать онлайн книгу Leiche an Bord - Ole R. Börgdahl страница 8
»Der Bericht enthält insgesamt siebenunddreißig Zeugenbefragungen.« Bruckner erzählte diese Details nicht das erste Mal. »Es gab tatsächlich neun Besatzungsmitglieder, die sich anhand der Fotografie des Toten, an den Mann erinnerten.«
»Moment«, unterbrach Ute. »Es wurde aber doch ein Lebendbild von dem Opfer verwendet, ansonsten wäre die Wiedererkennungsquote sicherlich niedriger.«
»Da wurde sauber gearbeitet«, bestätigte Bruckner. »Neun Zeugen konnten sich an den Mann erinnern, dass er als Passagier auf der Fähre war. Schwieriger war es allerdings mit dem Datum und der Häufigkeit. Einige Zeugen meinten, dass der Tote öfter auf der Fähre gewesen sei und nicht nur bei einer Überfahrt.«
Klaus hob die Hand. »Wer war er? Anonyme Mitpassagiere müssen wir zwar ausschließen, aber vielleicht ist er nicht allein gereist. Was haben die neun Zeugen aus der Mannschaft gesagt, haben sie den Toten eventuell in Begleitung gesehen?«
»Gutes Argument.« Bruckner hatte Klaus Worte aufgezeichnet. »Weiter.«
Ute sah sich um. »Das hier ist eine Autofähre«, stellte sie fest. »Wurde sein Auto auf der Fähre gefunden?«
»Sehr gut!« Bruckner nickte. »Info für euch, kein Auto. Wenn eines auf der Fähre gefunden worden wäre, hätte man vermutlich nach dem Fahrer gesucht. Welche Thesen zum fehlenden Auto?«
»Beziehungstat«, sagte Gisela. »Opfer und Täter gehen gemeinsam aufs Schiff, nur der Täter fährt allein wieder runter.«
»Warum Täter, warum keine Täterin?«, warf Klaus ein.
Ute nickte zustimmend. »Beziehungstaten schließen alles ein, Liebesbeziehung, Freundschaft und sogar geschäftlich. Wichtig, Täter und Opfer waren sich nicht unbekannt und davon wusste voraussichtlich auch die persönliche Umgebung des Opfers. Im Umfeld des Opfers muss daher geklärt werden, mit welcher der genannten Beziehungspersonen eine Reise auf der Fähre möglich war oder angekündigt oder sogar nachweislich vollzogen wurde.«
»Toll, jetzt kommt ja einiges zusammen«, sagte Bruckner euphorisch. »Bei diesem Fall können wir natürlich nicht mit den echten Beziehungspersonen oder dem persönlichen Umfeld des Toten arbeiten, aber ich habe für unsere Nachbesprechung einiges vorbereitet, das aus Datenschutzgründen natürlich fiktiv ist. Was noch?«
Klaus machte weiter. »Aus welcher Richtung kam er? Ist er auf dem Weg nach Trelleborg gestorben oder befand er sich auf dem Rückweg? Hat sich in Schweden etwas ereignet, das einen Suizid nach sich gezogen hat? Gibt es in Schweden Beziehungspersonen, die darüber Auskunft geben können?«
»Sehr gut. Diese Schlüsselfragen halten wir ebenfalls fest«, sagte Bruckner.
»Wir haben noch keine Antwort«, sagte Ute zu Bruckner.
»Entschuldigung, was war noch mal die Frage?«
»Das Auto des Toten war nicht auf der Fähre. Wie ist er nach Trelleborg gekommen oder nach Sassnitz oder stammte er sogar von hier?«
»Gut, verstehe. Ich habe euch noch nichts von seinen Papieren erzählt«, sagte Bruckner. »Seine Papiere waren alle noch vollständig da. Er hatte einen Führerschein und Wagenpapiere. Sein Wagen wurde später im Parkhaus nebenan gefunden. Nehmt das als Fakt um die Fragen zu stützen, die ihr schon gestellt habt.«
Ute überlegte. »Der Wagen wurde also gefunden. Hat sich die Spurensicherung den Wagen vorgenommen?«
»Das ist ein Aspekt, den ihr sicherlich aufnehmen solltet«, sagte Bruckner. »Auto, Parkhaus, Fähre mir fehlt noch etwas.«
»Das machen doch viele Touris so«, rief Klaus. »Die kommen mit dem Auto nach Rügen und steigen um in den Reisebus. Schwedenrundtour.«
»Oder einen Tag in Trelleborg.« Gisela reckte sich zu dem Gerät in Bruckners Hand. »Da wird die Beziehung zu den Mitreisenden nicht so stark gewesen sein, wenn man eben nur einen Tag zusammen ist.«
»Sehr gut, das Stichwort Städtetrip ist meiner Ansicht nach wichtig«, erklärte Bruckner.
»Ach, ich weiß.« Klaus fasste sich an die Stirn. »Wir quatschen die ganze Zeit hier und keiner erinnert sich mehr an den Stadtplan, der bei dem Toten gefunden wurde.«
»Stockholm, der Mann war auf einer Busreise nach Stockholm«, folgerte Ute. »Das grenzt die Busreisen ein, es lassen sich leichter Beziehungspersonen, zum Beispiel unter Busmitreisenden ermitteln. Wegen der Versicherung wird das Reisebusunternehmen Passagierlisten haben.«
»Ist aufgenommen!« Bruckner wedelte mit seinem Smartphone.
Ich bekam den Eindruck, dass sich in kurzer Zeit schon einiges angesammelt hatte. Ich sah auf die Uhr. So kurz war die Zeit gar nicht. Wir waren schon beinahe eine dreiviertel Stunde an Bord der Fähre. Bruckner war es jetzt auch bewusst. Er kündigte eine letzte Runde an.
»Ich möchte zum Abschluss von jedem eine Einschätzung zum Leichenfundort haben«, erklärte er. »Was sind eure Emotionen?«
»Ungewöhnlicher Ort zum Sterben.« Klaus räusperte sich.
»Es war Glück, dass er gefunden wurde. Eine Leiche an Bord schippert jahrelang über die Ostsee.« Gisela zitterte bei ihrer Einschätzung.
»Menschliches Versagen. Warum konnte der Passagier da überhaupt rein.« Ute schüttelte den Kopf. »Ich wette, seit der Sache sind die dreimal so gründlich.«
Gisela nickte. »Haben wir ja gesehen.«
Bruckner sah schließlich auch mich an. Ich zögerte kurz, aber mir fiel eben nur ein Wort ein. »Mord!«
Klaus wollte etwas erwidern, doch Bruckner drückte demonstrativ auf den Off-Knopf seiner Diktier-App. »Kein Kommentar, ihr kennt die Regeln.«
Wir verließen das Parkdeck, nahmen denselben Weg zurück über den Deckskorridor an Backbord und gingen über die Rampe vom Schiff. Wir steuerten auf einen VW-Bus zu. Ich brauchte Bruckner nicht zurück nach Sassnitz zu bringen, er würde bei seinen Kursteilnehmern mitfahren. Bruckner und ich blieben ein paar Meter hinter den anderen.
»Das wird gleich noch einmal interessant, wenn wir wieder im Seminarraum sind. Willst du noch mitkommen«, fragte er mich und schien das Du extra zu betonen.
Ich lächelte. »Das könnte es, aber ich muss nicht jedem Cold Case hinterherrennen, auch wenn alles zur Hälfte konstruiert ist. Ich werde mir den Unterricht ein anderes Mal ansehen. Vielleicht findet der Kurs ja irgendwann einmal in Hamburg statt, dann hätte ich bestimmt auch weniger Zeitdruck.«
Bruckner zuckte mit den Schultern. »Schade. Es ist aber schon ein echter Fall, nur weil die Lösung so unspektakulär ist, übergehe ich das Lösungsstadium und konzentriere mich darauf, alle möglichen Profilerwege mit den Kursteilnehmern durchzugehen.«
»Jedenfalls war das heute doch recht interessant für mich, lieber Kurt«, sagte ich, klopfte Bruckner auf die Schulter, wandte mich dann von ihm ab und gab den Damen die Hand.
Ute hielt mich eine Sekunde länger fest. »Ich würde gerne mal richtige amerikanische