Rudyard Kipling - Gesammelte Werke. Rudyard Kipling

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einfach, freilich, waren die Melodien, denen Mottrams Kunst und der Zustand des Klaviers Ausdruck geben konnten, aber die Herren hörten mit Vergnügen zu und sprachen in den Pausen von den Erlebnissen, die sie gehabt, als sie noch in ihrer Heimat gewesen waren. Ein dichter Staubsturm erhob sich draußen und heulte über das Haus hinweg, hüllte alles in mitternächtliches Dunkel, doch Mottram spielte unentwegt fort; die anderen hörten es kaum mehr, so wild und laut flatterte das Segeltuch an der Zimmerdecke.

      In dem tiefen Schweigen nach dem Tosen des Sturmes ging Mottram von den ausgesprochen schottischen Liedern, leise die Melodie mitsummend, in die Abendhymne über.

      »Sonntag!« sagte er zur Erklärung und nickte den anderen zu.

      »Nur weiter!« rief Spurstow, »brauchst dich nicht entschuldigen!«

      Hummil lachte laut und wild auf. »Ja, ja, spiel sie nur! Du bringst uns heute eine Überraschung nach der ändern; hab gar nicht gewußt, daß so viel Sarkasmus in dir steckt! Wie geht das Zeug weiter?«

      Mottram nahm die Melodie wieder auf.

      »Viel zu langsam! Nicht das richtige Tempo für ein Dankgebet«, spöttelte Hummil, »es muß so schnell sein wie die Grasshopper-Polka; so etwa.« Und er sang prestissimo:

      »Ruhm Dir mein Gott in dieser Nacht,

      Für den Segen, den Dein Licht gebracht.«

      »Das drückt aus, wie sehr wir den Segen fühlen! - Wie geht's weiter?«

      »Wenn in der Nacht ich schlaflos bin,

      Gib frommes Denken meinem Sinn«,

      »Schneller, Mottram!«

      »Für mich im Traum zu Deinem Land,

      Scheuch fort der dunkeln Mächte Hand!«

      »O Mottram, was für ein alter Heuchler du doch bist!«

      »Sei kein Esel, Hummil!« warnte Lowndes. »Mach Witze, über was du willst, aber laß diese Hymne in Ruh! Wenn ich sie höre, steigen in mir die heiligsten Erinnerungen auf.«

      »Jawohl!« stimmte Mottram bei. »Sommerabend auf dem Land; bunte Glasfenster; Dämmerlicht; und du und ›sie‹ sitzen eng beisammen, die Köpfe über ein gemeinsames Gesangbuch gebeugt.«

      »Und dann«, fügte Lowndes hinzu, »fliegt dir nachts, wenn du heimgehst, ein fetter alter Maikäfer ins Auge, Heugeruch, ein Mond auf einem Grashaufen, groß wie eine Hutschachtel - Fledermäuse, Rosen, Milch und Mücken.«

      »Aber auch: - Mütter! Ich kann mich noch ganz gut erinnern, wie meine Mutter mich, als ich noch ein kleiner Knirps war, mit der Hymne in den Schlaf gesungen hat«, sagte Spurstow.

      Tiefe Dunkelheit lag im Zimmer; Hummil bewegte sich unruhig in seinem Sessel hin und her und sagte mürrisch:

      »Folglich wirst du sie singen, wenn du bereits sieben Klafter tief in der Hölle steckst. Es ist eine Beleidigung der Weisheit Gottes, zu tun als sei man mehr als ein gequälter Rebell.«

      »Nimm zwei Pillen!« riet Spurstow. »Die Leber ist schuld.«

      »Hummil scheint heute miserabel gelaunt«, sagte Lowndes, als die Diener Licht brachten und den Tisch fürs Abendessen deckten, »merkwürdig, sonst ist er doch so ruhig.«

      Während die Herren sich niedersetzten zu den elenden Ziegenfleisch-Koteletten und dem angebrannten Sagopudding, raunte Spurstow Mottram zu: »Gut hast du's gemacht.«

      »Behalt ihn im Auge!« war die leise Antwort.

      »Was habt ihr da zu flüstern?« fragte Hummil argwöhnisch.

      »Wir haben nur gesagt«, erwiderte Spurstow mit dem liebenswürdigsten Lächeln von der Welt, »daß du ein verdammt schäbiger Wirt bist. Das >Geflügel< ist zäh wie Holz. Und das nennst du ein Dinner?«

      »Kann's nicht ändern. Habt ihr vielleicht ein Bankett erwartet?«

      Während des Essens war Hummil ununterbrochen darauf aus, seine Gäste – einen nach dem ändern – zu reizen und zu beleidigen. Jedesmal gab Spurstow dem Betreffenden ein Zeichen mit dem Fuß unterm Tisch; er wagte nicht, sie mit Blicken zu warnen. Hummils Züge waren blaß und verfallen und seine Augen weit aufgerissen. Keiner der Herren dachte auch nur eine Sekunde daran, seine bösartigen Beleidigungen als Kränkung aufzufassen, aber nachdem die Mahlzeit vorüber war, brachen sie eilig auf, um fortzugehen. »Aber bleibt doch noch! Ihr seid ja kaum erst richtig aufgetaut. Hab ich euch irgendwie beleidigt?« fragte Hummil. »Ihr seid gar so empfindliche Teufel.« Und gleich darauf flehentlich in fast unterwürfigem Ton: »Nicht wahr, ihr geht doch noch nicht?«

      »Um die Worte des berühmten Jorrick zu gebrauchen: ›Wo ich gefressen hab, dort schlaf ich auch‹«, sagte Spurstow. »Wenn du nichts dagegen hast, möcht ich morgen sowieso mal deine Kulis auf ihren Gesundheitszustand hin ansehen. Einen Platz wirst du wohl haben, wo ich mich hinlegen kann?«

      Die beiden ändern Gäste schützten die dringenden Geschäfte des nächsten Tages vor, sattelten ihre Pferde und ritten fort, von Hummil wiederholt gebeten, Sonntag bestimmt wieder zu kommen. Unterwegs machte Lowndes zu Mottram gewendet seinem Ärger Luft:

      »Am liebsten hätte ich ihm an seinem eigenen Tisch eine heruntergehauen. Sagt der Mensch, ich hätte beim Whist betrogen, und erinnert mich an meine Schulden! Dir wirft er vor, du seiest ein Lügner, und du bist nicht einmal empört darüber.«

      »Bin's auch nicht«, sagte Mottram, »armer Teufel, das! Erinnerst du dich, den alten Hummy jemals so von Sinnen gesehen zu haben?«

      »Das ist doch wahrhaftig keine Entschuldigung! Spurstow hat mich die ganze Zeit über auf den Fuß getreten, deshalb schwieg ich. Aber sonst hätte ich –«

      »Gar nichts hättest du! Du hättest gehandelt wie Hummil in dem Falle Jevins! Man verurteilt niemand bei einem solchen Wetter. Die Schnalle meines Zügels glüht förmlich, so heiß ist's. Trab ein bissel schneller, aber gib acht auf die Rattenlöcher.«

      Ein Trab von zehn Minuten, dann hielt Lowndes an - der Schweiß troff ihm aus allen Poren - und machte die weise Bemerkung:

      »Gut, daß Spurstow die Nacht über bei ihm bleibt!«

      »Ja! Guter Kerl, der Spurstow. Unsere Wege trennen sich hier. Sehen uns also nächsten Sonntag, wenn die Sonne mich inzwischen nicht umgebracht hat.«

      »Hoffentlich kommt's zustande. Wenn nur nicht der Finanzminister des ›Alten Schöpsen‹ mir unterdessen das Futter versalzen hat. Gute Nacht! Und - Gott behüte dich!«

      »Wieso? Was meinst du damit?«

      »Ach, gar nichts.« Und Lowndes versetzte Mottrams Stute einen leichten Gertenhieb in die Flanke, so daß sie gleich darauf pfeilschnell über den Sand dahinflog, »wollte nur sagen, daß du gar kein so übler Bursche bist.«

      Unterdessen saßen Hummil und Spurstow im Bungalow, rauchten schweigend ihre Pfeifen und beobachteten einander scharf. Die Einrichtung des Junggesellenhaushalts war ebenso leicht wie einfach; ein Diener schob den Speisetisch hinaus, brachte zwei landesübliche rohe Bettstellen (Hanfgurten über einen dünnen Holzrahmen gespannt) herein, warf eine Decke aus kühlem Kalkuttageflecht darüber, schob sie nebeneinander,

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