Rudyard Kipling - Gesammelte Werke. Rudyard Kipling
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»Hoffentlich treffen wir den armen Kerl diesmal in besserer Verfassung!« meinte Lowndes und schwang sich vor der Eingangstür aus dem Sattel. »Vermutlich ist er noch nicht aufgestanden.«
»Will mal hineinschauen«, sagte der Arzt, »wenn er schläft, wollen wir ihn nicht wecken.«
Einen Augenblick später errieten die beiden am Klang der Stimme Spurstows, die sie hereinrief, bereits, was geschehen war. Nutzlos, Hummil wecken zu wollen!
Die Punkah bewegte sich noch, aber er selbst mußte dieses Leben schon seit drei Stunden verlassen haben.
Der Tote lag auf dem Rücken, die Hände fest an die Seiten gepreßt, genau, wie ihn Spurstow vor sieben Nächten hatte liegen sehen. In den starren Augen den Ausdruck eines unbeschreiblichen Entsetzens.
Mottram, der hinter Lowndes eingetreten war, beugte sich über den Leichnam, berührte dessen Stirn leicht mit den Lippen und flüsterte: »O du glücklicher, glücklicher Bursche.«
Lowndes aber, der die starren Augen gesehen hatte, wandte sich schaudernd ab und ging an die andere Seite des Zimmers:
»Armer Kerl! Armer Kerl! Spurstow, wir hätten bei ihm wachen sollen. Hat er -?«
Schweigend setzte der Arzt seine Untersuchung fort und nahm dann die Umgebung in Augenschein; »nein«, sagte er entschieden, »er hat nicht -. Nirgends eine Spur, die darauf hinweisen würde. Ruft die Dienerschaft herein!«
Die Leute kamen, acht oder zehn; einer blickte dem ändern über die Schulter. Sie flüsterten sich etwas zu.
»Wann ist euer Sahib schlafen gegangen?« fragte Spurstow.
»Um elf oder um zehn«, berichtete Hummils Privatdiener.
»War er da noch wohl? Aber wie könnt ihr das wissen!«
»Krank war er nicht, soweit wir das beurteilen können, aber geschlafen hat er seit drei Nächten nur sehr wenig. Ich weiß es, denn ich hab ihn viel herumgehen sehen - besonders in der Tiefe der Nacht.«
Als Spurstow die Kopfpolster zurechtrückte, fiel ein langer Jagdsporn auf den Boden. Spurstow stöhnte laut auf. Der Diener blickte verstohlen auf den Toten.
»Woran denkst du, Chuma?« fragte Spurstow rasch, da er den Blick in dem dunklen Gesicht des Mannes gar wohl bemerkt hatte.
»Himmelsentsprossener, nach meiner armseligen Meinung ist der, der mein Herr war, hinabgestiegen in die Stätten der Finsternis; er wurde gepackt, da er nicht schnell genug hat fliehen können. Der Sporn ist der Beweis, daß er mit Furcht gekämpft hat. Männer meiner eigenen Rasse hab ich es so machen sehen mit Dornen, wenn ein Zauber auf ihnen lag, der sie im Schlaf überwältigen wollte, und sie sich fürchteten, einzuschlafen.«
»Chuma, du bist ein Mostschädel! Geh hinaus und richte die Siegel vor, die an deines Sahibs Eigentum angelegt werden müssen.«
»Gott hat den Himmelsentsprossenen erschaffen. Gott hat mich erschaffen. Wer sind wir, daß wir dem Ratschluß Gottes nachforschen dürften? Ich werde den ändern Dienern befehlen, sich zu entfernen, während du den Besitz des Sahibs aufschreibst. Sie sind alle Diebe und würden stehlen.«
»Soviel ich beurteilen kann«, erklärte Spurstow seinen Freunden, »ist er an – irgend etwas gestorben: Herzlähmung, Hitzschlag oder sonst irgendeiner - Heimsuchung. Wir müssen ein Inventar seiner Habseligkeiten aufnehmen und so.«
»In den Tod gehetzt ist er worden!« behauptete Lowndes. »Sieh dir nur die Augen an! Um Gotteswillen, laß ihn nicht mit offenen Augen begraben werden.«
»Was es auch immer gewesen sein mag, jetzt ist er erlöst von aller Qual!« sagte Mottram mild.
Spurstow blickte scharf in die Augen des Toten:
»Komm mal her! Siehst du etwas drin?«
»Ich kann nicht hinschauen«, schluchzte Lowndes. »Deck sein Gesicht zu. Gibt es wirklich ein Furchtgefühl auf Erden, das einen Mann so verwandeln kann?! Es ist grauenhaft. Spurstow, deck seine Augen zu!«
»Auf Erden? Nein!« sagte Spurstow; Mottram lehnte sich an ihn und blickte forschend hin:
»Ich sehe nichts. Nur ein paar graue Flecken in der Pupille. Etwas anderes kann es nicht gut sein.«
»Meine ich auch. Denken wir mal nach, was zu geschehen hat. Ich brauche einen halben Tag, um eine Art Sarg zurechtzuzimmern, Lowndes, altes Haus, geh hinaus und befiehl den Kulis, sie sollen die Erde neben Jevins' Grab aufschaufeln. Und du, Mottram, geh mit Chuma durch den Bungalow und laß die Siegel anlegen. Schickt mir zwei Leute herein, damit ich anfangen kann.«
Als die beiden starkarmigen Diener zu ihren Genossen zurückkehrten, wußten sie eine sonderbare Geschichte zu erzählen: der Doktor Sahib hätte sich vergebens bemüht, ihren Herrn durch magische Künste ins Leben zurückzurufen. Zum Beispiel habe er eine kleine grüne, bisweilen leise knackende Schachtel vor die Augen des Toten gehalten und dabei erschrocken gemurmelt, dann habe er sie mit sich genommen.
Das dröhnende Hämmern auf einen Sarg ist kein angenehmes Geräusch, aber die, die dergleichen kennen, behaupten, viel schrecklicher sei noch das leise Rascheln der Bettücher und das Hin- und Herschieben der Lagerstätte, wenn der Abgeschiedene zum Begräbnis angekleidet und die verhüllte Gestalt langsam herabgelassen wird, bis sie den Boden berührt, und alles ruhig mit sich geschehen läßt.
Noch im letzten Augenblick wurde Lowndes von Gewissensmahnungen ergriffen. »Was meinst du, sollen wir die Gebete verrichten?« fragte er Spurstow.
»Ich glaube: ja! Du bist der Ältere im Zivildienst. Tue du's!«
»Ich? An diese Möglichkeit habe ich gar nicht gedacht. Aber vielleicht kann ich irgendwo einen Geistlichen auftreiben. Wenn ich noch so weit reiten müßte, ich tat's gern, um dem armen Hummil eine Chance zu geben.«
»Unsinn«, sagte Spurstow, und gleich darauf ertönten von seinen Lippen die gewaltigen Worte, mit denen der Gottesdienst bei einem Begräbnis beginnt.
Nach dem Frühstück rauchten die drei stumm ihre Pfeifen zum Gedächtnis des Toten. Plötzlich sagte Spurstow nachdenklich:
»In der medizinischen Wissenschaft ist es nicht bekannt.«
»Was?«
»Bilder in den Augen von Leichen.«
»Um Himmelswillen, sprich nicht mehr von all dem Entsetzlichen!« rief Lowndes. »Ich hab einmal einen Eingeborenen vor Schrecken sterben sehen, als ein Tiger hinter ihm her war; ich weiß, was Hummil getötet hat.«
»Einen Schmarren weißt du! Ich will mich jetzt überzeugen, was es war«, und Spurstow zog sich mit einer Kodakkamera in das Badezimmer zurück. Nach ein paar Minuten hörte man drin ein Geräusch, als ob etwas in Stücke geschlagen würde. Gleich darauf trat der Arzt, totenblaß, wieder ein.
»Hast du ein Bild bekommen?« fragte Mottram. »Ist etwas auf der Platte?«
»Nein.