Rudyard Kipling - Gesammelte Werke. Rudyard Kipling
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In der Morgendämmerung erschien endlich Deesa auf der Plantage. Er war schwer bezecht und sah seiner Bestrafung mit Fassung entgegen; er wußte gar wohl, daß er seinen Urlaub überschritten hatte, und atmete befreit auf, als er sah, daß das Bungalow und die Pflanzung noch unbeschädigt dastanden, denn er hatte, im Hinblick auf Moti Gujs Temperament, bereits das Schlimmste befürchtet. Mit vielen Salaams und noch mehr Lügen meldete er sich. Moti Guj weste ab. Er hatte sich zum Frühstück begeben, Die nächtliche Forschungsreise hatte ihn hungrig gemacht.
»Ruf dein Vieh her!« befahl der Pflanzer ärgerlich. Deesa schrie etwas in der geheimnisvollen Elefantensprache, die, wie viele Mahouts glauben, aus China herübergekommen ist, - bei Erschaffung der Welt - als noch Elefanten und nicht Menschen die Herren der Erde waren. Moti Guj horchte auf und kam sogleich. Elefanten laufen nie im Galopp; sie bewegen sich fort mit wechselnder Geschwindigkeit. Wenn ein Elefant einen Expreßzug einholen wollte, würde er auch nicht galoppieren, aber einholen würde er ihn bestimmt. So langte Moti Guj vor der Tür des Pflanzers an, ehe noch Chihun bemerkt hatte, daß er im Stalle fehlte. Er fiel Deesa um den Hals, trompetete entzückt und beide betasteten sich dann gegenseitig von Kopf bis zu Fuß, ob auch keiner von ihnen Schaden genommen hätte.
»Jetzt wollen wir an die Arbeit gehen!« sagte Deesa. »Heb mich auf, mein Sohn und meine Freude!«
Moti Guj schwang ihn auf seinen Nacken, und dahin ging's zu der Kaffeeplantage, die lästigen Stümpfe ausreißen.
Dem Pflanzer aber verging der Zorn vor Staunen.
»Ohne priesterlichen Segen«
Ich erntete vor Frühling meinen Herbst.
Wie du verfrüht, mein Kornfeld, dich verfärbst!
Wie schmerzlich mich dein Rätsel überkommt,
Erwürgte und verdorrte Jahreszeit,
In Wachsens und in Sterbens Heimlichkeit!
Eh andre sahn den Tag, sah ich das Leid
Des Sonnenuntergangs, der Dunkelheit,
Ich, der ich weiß, was nicht zu wissen frommt!
I
»Was aber, wenn es ein Mädchen wird?«
»Herr meines Lebens, das kann nicht sein! Ich habe so viele Nächte hindurch gebetet und so oft Opfergaben zum Heiligenschrein Sheikh Badls geschickt, daß ich bestimmt weiß: Gott schenkt uns einen Sohn - einen Knaben, der zum Manne heranreifen wird. Denk daran und freue dich. Meine Mutter wird seine Mutter sein, bis ich wieder soweit bin, ihn zu mir zu nehmen, und der Mullah der Pattan-Moschee soll ihm sein Horoskop stellen. Gott gebe, daß er in einer günstigen Stunde geboren wird! Und - und dann wirst du meiner nie überdrüssig werden - meiner, deiner Sklavin.«
»Bist du denn je meine Sklavin gewesen?«
»Ja, seit jeher - von Anbeginn an - seit ich der Gnade teilhaftig geworden bin. Wie könnte ich deiner Liebe gewiß sein, wo ich doch weiß, du hast mich gekauft. Mit Silber!«
»O nein, es war ein Brautgeschenk; nur habe ich es deiner Mutter gegeben.«
»Und sie hat es verscharrt und sitzt darauf den ganzen Tag wie eine Henne. Was redest du da von einem Brautgeschenk! Gekauft bin ich worden wie ein Tanzmädchen.«
»Bereust du den Handel?«
»Ich habe ihn einst bereut, aber heute bin ich glücklich. Wirst du niemals aufhören, mich zu lieben? Sag, mein König!«
»Nein. Niemals - niemals.«
»Auch nicht, wenn die mem-log – die weißen Frauen dei ner Rasse dich mit ihrer Liebe verfolgen? Oh, ich habe gut gesehen, wie sie des Abends ihre Blicke auf dich werfen. Sie sind so schön!«
»So? Ich habe nur Hunderte von Leuchtkugeln gesehen! Aber dann habe ich den Mond gesehen, und vor seinem Glanz verblaßten die Leuchtkugeln!«
Ameera klatschte in die Hände und lachte. »Das ist lieb von dir«, sagte sie, spielte dann die Würdevolle: »Es ist genug. Ich gestatte dir, zu gehen, wenn du willst.«
Der Mann rührte sich nicht. Er saß auf einem niedrigen, rotlackierten Schemel in einer Stube, deren gesamte Ausstattung aus einem blau- und weiß-geblümten Teppich, ein paar Wolldecken und einer reichhaltigen Sammlung von Eingeborenenkissen bestand. Zu seinen Füßen saß eine Frau von sechzehn Jahren; sie bedeutete für ihn die ganze Welt. Nach wohl jedem Gesetz war sein Verhältnis zu ihr nicht einwandfrei, denn er war Engländer, sie die Tochter eines Muselmans, und er hatte sie ihrer Mutter abgekauft vor zwei Jahren. Die Alte war eine gänzlich mittellose Witwe und hätte gegen einen entsprechenden Preis Ameera auch an den Fürsten der Unterwelt verschachert.
John Holden hatte den Handel leichtfertig abgeschlossen, als Ameera fast noch ein Kind gewesen, aber seitdem hatte sie ihn immer mehr und mehr ausgefüllt. Um ihretwillen - und auch der Mutter zuliebe, einer runzeligen Hexe, hatte er ein kleines Haus gemietet, von dem aus man über die ganze große Stadt mit ihren roten Wällen blicken konnte. Als die Butterblumen am Brunnen im Hof zu blühen begannen, Ameera alles nach ihrem eigenen Geschmack wohnlich gemacht und die Alte endlich aufgehört hatte, über den weiten Weg zum Markt und die Unbrauchbarkeit der Küche zu maulen, sowie über Hauswirtschaft im allgemeinen, fühlte er sich geradezu heimisch, denn seine Junggesellenwohnung, wo jeder aus- und einging Tag und Nacht, wie es ihm gerade paßte, war ein unbehaglicher Aufenthalt. Zwar mußte er hier durch die Zimmer der Frauen gehen, wenn er über den Hof nach Hause kam, aber hatte sich das schwere Holztor einmal hinter ihm geschlossen, dann war er unbeschränkter König in seinem Reich - mit Ameera, seiner Königin. Doch jetzt drohte ein Drittes sich einzudrängen, dessen Kommen John Holden mit gemischten Gefühlen entgegensah. Es schien sein Glück trüben zu wollen. Es zerriß den Frieden des Hauses, das doch sein eigen war. Nur Ameera geriet außer sich vor Freude bei dem Gedanken an das kommende Kind, und ihre Mutter desgleichen. Die Liebe eines Mannes – und gar eines weißen Mannes - war im besten Falle eine Ungewisse Sache, aber - so schlossen die beiden Frauen - eines kleinen Kindes Hand würde sie befestigen. »Dann«, so pflegte Ameera zu sagen, »wird er sich nie mehr um die weißen mem-log kümmern. Ich hasse sie alle - ich hasse sie alle.«
»Er wird auch dann zu seiner Rasse zurückkehren«, meinte die Alte, »aber Gott gebe, daß diese Stunde ferne sei.«
Holden saß stumm auf dem Schemel und dachte über die Zukunft nach, die er sich trübe genug ausmalte. Die Nachteile eines doppelten Haushalts sind gar mannigfaltig! Überdies hatte ihn gerade jetzt das Gouvernement in väterlicher Besorgnis für eine zweiwöchentliche Reise in eine entfernte Station auserkoren - um einen Mann zu vertreten, der Tag und Nacht am Bett seiner kranken Frau wachte - und seinen Befehl mit der Bemerkung versüßt, wie gut es für ihn jetzt wäre, sich als Junggeselle frei und ungebunden zu wissen. Holden überbrachte die Hiobsbotschaft Ameera.
»Angenehm ist es wohl nicht«, sagte sie zögernd, »aber schließlich auch nichts Schlimmes. Meine Mutter ist ja bei mir, und es wird mir auch nichts Böses zustoßen - höchstens sterbe ich vor Freude.