Rudyard Kipling - Gesammelte Werke. Rudyard Kipling
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Читать онлайн книгу Rudyard Kipling - Gesammelte Werke - Rudyard Kipling страница 122
Wilde Pflaumen wachsen im Busch, nur ein Penny das Pfund,
Nur ein Penny das Pfund, husch, husch - nur ein Penny das Pfund.«
Vielemal versichert, daß Zwetschgen so überaus billig seien, kuschelte sich Tota in Schlaf. Die beiden sanften weißen Ochsen beim Brunnen wiederkäuten rastlos ihre Abendmahlzeit und der alte Pir Khan kauerte zu Häupten des Pferdes seines Herrn, seinen Polizeisäbel auf den Knien und schlaftrunken an seiner Wasserpfeife saugend, die schnurgelte und quakte wie ein Riesenfrosch im Sumpf. Das schwere Holztor war verriegelt, und Ameeras Mutter spann unten in der Veranda. Die Musik eines Hochzeitszuges tönte aus dem Summen der Stadt bis herauf auf das Dach und ein paar fliegende Hunde huschten über das schimmernde Antlitz des Mondes.
»Ich habe gebetet«, sagte Ameera nach einer langen stillen Pause, »ich habe um zwei Dinge gebetet: zuerst, daß ich an deiner Statt sterben möge, wenn dich der Tod ruft - und daß man mich von der Erde nähme an Stelle des Kindes. Ich habe zum Propheten gebetet und zu Bibi Mirjam, der Jungfrau. Glaubst du, sie haben meine Bitte gehört?«
»Wer würde von deinen Lippen nicht auch das leiseste Wort hören?!«
»Ich habe dich um ein kaltes, klares Wort gebeten, statt dessen antwortest du mir lieb und sanft. Wird mein Gebet erhört werden?«
»Wie kann ich das wissen! Gott ist allgütig.«
»Dessen bin ich nicht so sicher! Hör mich an: wenn ich stürbe, oder das Kind stirbt, was wird dann dein Schicksal sein? Lebst du, dann wirst du zurückkehren zu den frechen, weißen mem-log, denn Art schreit nach Art.«
»Nicht immer.«
»Bei einer Frau, nein; aber bei Männern ist es anders. Du wirst in deinem Leben - später - zurückkehren zu deinem Volk. Ich werde es tragen können, denn dann bin ich nicht mehr. Aber wenn du stirbst, dann gehst du fort in ein mir fremdes Land und in ein Paradies, das ich nicht kenne.«
»Ob es wohl das Paradies sein wird?«
»Sicher, denn wer könnte dir Böses wünschen? Aber wir zwei - ich und das Kind - werden anderswo sein, und nicht zu dir kommen können - so wenig, wie du zu uns kommen kannst. In früheren Tagen, bevor das Kind geboren wurde, habe ich an solche Dinge nie gedacht; aber jetzt verläßt mich der Gedanke nicht. Es liegt mir schwer auf dem Herzen.«
»Es wird kommen, wie es bestimmt ist. Das ›Morgen‹ kennen wir nicht, aber das ›Heute‹ und die Liebe, die kennen wir. Und heute sind wir glücklich.«
»So glücklich, daß es gut wäre, wir schmiedeten unser Glück für immer fest. Deine Bibi Mirjam wird meine Bitte hören, denn sie ist ein Weib wie ich, aber sie wird mich beneiden! Es soll nicht sein, daß ein Mann ein Weib anbetet.«
Holden lachte laut auf bei diesem seltsamen Eifersuchtsausbruch Ameeras.
»Du glaubst, es ist nicht recht? Warum erlaubst du mir dann, daß ich dich anbete, Arneera?«
»Du? Mich anbeten? Du mein König: trotz deiner süßen, lieben Worte weiß ich doch immer, daß ich nur deine Sklavin bin und Staub zu deinen Füßen. Ich möchte auch nicht, daß es je anders sei. Schau!«
Und ehe Holden sie daran hindern konnte, beugte sie sich vor und berührte seine Füße - stand dann leise lachend auf und drückte Tota an die Brust. Dann fuhr sie fort, fast wild:
»Ist es wahr, daß die frechen weißen mem-log dreimal länger leben als wir anderen Frauen? Ist es wahr, daß sie nicht früher heiraten, als bis sie alte Weiber geworden sind?«
»Sie heiraten, wie andere auch, wenn sie erwachsene Frauen geworden sind.«
»Das weiß ich, aber sie sollen sich mit fünfundzwanzig Jahren vermählen. Ist das wahr!«
»Ja, das ist wahr.«
»Ya illah! Mit fünfundzwanzig! Wer heiratet freiwillig ein Weib, wenn es schon achtzehn ist? Ein Weib - es altert doch von Stunde zu Stunde! Fünfundzwanzig! Ich werde in dem Alter eine alte Frau sein - und diese mem-log bleiben ewig jung. Oh, wie ich sie hasse!« »Was hat das mit uns zu tun?«
»Das kann ich nicht sagen. Ich weiß nur: heute schon kann das Weib auf Erden leben, das zehn Jahre älter ist als ich und zu dir kommen wird und mir deine Liebe rauben, wenn ich eine grauhaarige Greisin sein werde und die Dienerin Totas. Das ist ungerecht und schlimm. Oh, wenn sie doch stürbe.«
»Nun, trotz deiner Jahre bist du doch noch ein Kind, das man nehmen und die Leiter hinuntertragen muß.«
»Tota! Gib acht auf Tota, mein Herr und Gebieter! Du bist wirklich noch so närrisch wie ein Baby!« Und Ameera barg sorgsam Tota an ihrer Brust, damit ihm nichts geschehe, und wurde lachend von Holden auf den Armen hinuntergetragen, wobei das Kindchen, die Augen weit offen, lächelte, wie Engel lächeln.
Es war ein stilles Kind, und ehe Holden noch richtig begriffen hatte, daß es wirklich und wahrhaftig auf der Welt war, hatte es sich bereits in einen kleinen goldfarbenen Gott verwandelt und sich zum unbestrittenen Despoten in dem Hause, das da hinab sah auf die Stadt, aufgeschwungen. Es waren Monate ungetrübten Glückes für Ameera und Holden - des Glückes in einer Welt, die abgeschlossen war durch das Holztor und bewacht wurde von Pir Khan. Tagsüber erfüllte Holden seine Amtspflichten, tiefes Bedauern für alle im Herzen, die nicht so glücklich waren wie er, und voll Sympathie für kleine Kinder, die auf den engen Spielplätzen ihre Mütter in Entzücken und Staunen versetzten. Brach der Abend an, kehrte er zu Ameera zurück, die immer von neuen Wundertaten Totas zu berichten wußte: wie er bereits zielbewußt die Finger zu bewegen verstünde - was offenbar ein Mirakel bedeutete - und später, daß er aus eigenem Antrieb sein niedriges Bettchen verlassen habe und auf dem Boden herumgekrochen sei - einmal sogar drei Atemzüge lang aufrecht auf zwei Beinen.
»Und es waren sogar lange Atemzüge«, erklärte Ameera; »ich weiß es bestimmt, denn mir stand, das Herz still vor Wonne.«
Später nahm Tota das Getier des Hauses in Augenschein: die Brunnenochsen, die kleinen grauen Eichhörnchen, die Schnattergans, die in einem nassen Loch beim Brunnen wohnte, und insbesondere Mian Mittu, den Papagei, der immer furchtbar schrie, wenn ihn der Kleine bei den Schwanzfedern zauste - bis Ameera oder Holden zu Hilfe eilten.
»Du Bösewicht! Du gewalttätiges Kind!« pflegte Ameera bei solchen Gelegenheiten zu schelten. »So etwas deinem Bruder oben auf dem Hausdach?! Tobah, Tobah! Pfui! Pfui! Aber wart, ich weiß einen Zauberspruch, der macht dich weise wie Suleiman und Aflatoun. Da schau« – und sie reichte dem Kind eine Handvoll Mandeln hin - »schau! Wir zählen jetzt bis sieben. Im Namen Gottes!«
Dabei hebt sie den wütenden und schlimm zerzausten Papagei auf seinen Käfig hinauf, setzt sich zwischen ihn und das Kind, knackt und schält eine Mandel und hält sie mit ihren weißen Zähnen fest: »Lach nicht, mein Leben, es ist ein wirklicher Zauber. Schau, ich gebe Mian Mittu die eine Hälfte und Tota die andere!« Behutsam holte sich der Vogel mit dem Schnabel seinen Teil, und die andere Hälfte küßte sie in den Mund des Kindchens hinein, das langsam die Mandel aß mit verwunderten Augen. »Das werden wir sieben Tage hindurch tun; dann wird unser kleiner Sohn ein kühner Redner und ein Weiser werden. Sag, Tota, was wird sein, bis du ein Mann bist und ich eine alte grauhaarige Frau?« Tota verschlang seine fetten Beinchen als Antwort zu den erstaunlichsten Verknotungen. Kriechen? Ja, das ging noch an, aber seine Jugend mit eitlen Gesprächen verbringen? Nein! Wonach es ihn gelüstete, war: Mian Mittu wieder in den Schweif