Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen
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Es war ein wahrer Genuß, ein so wahrer, daß man auf den Thee verzichtete und es bei der Verstandesübung bewenden ließ, das nannte man Menschen spielen und darin war durchaus keine Bosheit, denn sie spielten eben nur – und Jeder dachte blos an sich und daran, was wohl das Geldschwein denken möchte. Das Geldschwein dachte am längsten, es dachte ja an Testament und Begräbniß – und wann käme dieses wohl zu Stande – immerhin viel eher als man es erwartet hätte. – Knack! fiel es vom Schranke herunter, fiel auf den Fußboden und zersprang in Scherben, und die Groschen tanzten und hüpften, daß es eine Lust war, die kleinsten drehten sich wie ein Kreisel, die großen rollten davon, namentlich der eine harte Silberthaler wollte in die Welt hinaus. Und er kam auch in die Welt hinaus, und das gelang ihnen Allen insgesammt; die Scherben vom Geldschweine wurden in das Kehrichtfaß gethan, aber auf dem Schranke stand wieder Tags darauf ein neues irdenes Geldschwein; es hatte noch keinen Heller im Magen, weshalb es denn auch nicht klappern konnte, und hierin ähnelte es dem andern, das war immerhin ein Anfang – und mit dem wollen wir ein Ende machen.
Die Kröte.
Der Brunnen war tief, deshalb war das Seil lang; die Winde drehte sich schwer, wenn man den Eimer mit Wasser gefüllt über die Brunnenkante hinauf heben mußte. So klar das Wasser auch war, so reichte die Sonne doch niemals so weit in den Brunnen hinab, daß sie sich im Wasser spiegeln konnte, aber so weit sie zu scheinen reichte, wuchs Grünes zwischen den Steinen der Brunnenwände hervor.
Es wohnte dort unten eine Familie vom Krötengeschlechte; sie war eigentlich kopflings hinunter gerathen durch die alte Krötenmutter, die noch lebte. Die grünen Frösche, die weit früher hier zu Hause waren und im Wasser umherschwammen, erkannten die Vetterschaft an und nannten sie die »Brunnengäste«. Diese mochten aber im Sinne haben dort zu bleiben; sie lebten hier sehr angenehm auf dem Trockenen, wie sie die nassen Steine nannten.
Die Froschmutter war einmal gereist, war im Wassereimer gewesen, als dieser aufwärts ging, aber es wurde ihr zu licht, sie bekam Augenschmerzen, glücklicher Weise gelangte sie aus dem Eimer heraus; sie fiel mit einem entsetzlichen Plump in's Wasser und lag drei Tage darauf krank an Rückenschmerzen. Von der Welt oberhalb sollte sie freilich nicht viel erzählen können, aber das wußte sie, und das wußten sie alle, daß der Brunnen nicht die ganze Welt sei. Die Krötenmutter hätte zwar Dieses und Jenes erzählen können, aber sie antwortete niemals, wenn man sie fragte, und so fragte man nicht.
»Dick, fett und häßlich ist sie,« sagten die jungen grünen Frösche. »Ihre Jungen werden ebenso häßlich sein!«
»Das mag sein!« sagte die Krötenmutter, »aber eins von ihnen hat einen Edelstein im Kopfe oder ich habe ihn!«
Die grünen Frösche horchten und glotzten, und weil ihnen das nicht gefiel, so machten sie Grimassen und gingen in die Tiefe. Aber die Krötenjungen streckten die Hinterbeine aus vor lauter Stolz, jedes von ihnen glaubte, den Edelstein zu haben; und darauf saßen sie ganz still mit dem Kopfe, aber endlich fragten sie, was es wäre, worauf sie stolz wären und was so ein Edelstein eigentlich für ein Ding sei.
»Das ist etwas so Herrliches und Köstliches, daß ich es gar nicht beschreiben kann!« sagte die Krötenmutter. »Es ist Etwas, womit man zu seinem eigenen Vergnügen umhergeht und über welches die Andern sich ärgern. Aber fragt nicht, ich antworte nicht!«
»Ja, ich habe den Edelstein nicht!« sagte die kleinste Kröte; sie war so häßlich wie nur eine sein kann. »Weshalb sollte auch ich eine solche Herrlichkeit haben? Und wenn sie Andere ärgert, kann sie mich ja nicht erfreuen! Nein, ich wünsche nur, daß ich einmal bis an den Brunnenrand hinaufkommen und hinausschauen könnte; dort muß es reizend sein!«
»Bleibe Du am liebsten, wo Du bist!« sagte die Alte, »hier kennst Du Alles und weißt was Du hast! Nimm Dich in Acht vor dem Eimer, der zerdrückt Dich; und kommst Du auch wohlbehalten hinein, so könntest Du herausfallen; nicht Alle fallen so glücklich wie ich und kommen mit ganzen Gliedmaßen und ganzen Eiern davon!«
»Quak!« sagte die Kleine, und es war grade als wenn wir Menschen »Ach!« sagen.
Sie hatte ein zu großes Verlangen bis zur Brunnenkante hinauf zu gelangen und dort auszuschauen; sie fühlte eine zu große Sehnsucht nach dem Grünen dort oben; und als am nächsten Morgen zufällig der mit Wasser gefüllte Eimer aufgewunden wurde und einen Augenblick unterwegs grade vor dem Steine anhielt, auf welchem die Kröte saß, bebte es im Innern des kleinen Thieres, es sprang in den gefüllten Eimer, der nun vollends hinaufgewunden und ausgegossen wurde.
»Pfui Teufel!« sagte der Knecht, der den Eimer ausgoß und die Kröte erblickte. »So was Häßliches habe ich lange nicht gesehen!« Und mit seinem holzbeschuhten Fuße stieß er nach der Kröte, die beinahe verstümmelt worden wäre, sich aber doch in die hohen Nesseln hinein rettete, die am Brunnen standen. Hier sah sie Stiel an Stiel stehen, sie schaute aber auch aufwärts! Die Sonne schien auf die Blätter, die ganz transparent waren; ihr war zu Muthe wie uns Menschen, wenn wir plötzlich in einen großen Wald treten, wo die Sonne zwischen Zweige und Blätter hinein scheint.
»Hier ist es viel schöner wie unten im Brunnen! Hier möchte man sein Leben lang bleiben!« sagte die kleine Kröte. Sie blieb deshalb eine Stunde, ja zwei Stunden liegen. »Was wohl draußen sein mag? Bin ich so weit gekommen, muß ich auch versuchen weiter zu kommen!« Sie kroch so schnell als sie kriechen konnte, und gelangte auf die Landstraße hinaus, wo die Sonne sie beschien und wo der Staub sie puderte, als sie quer über die Straße marschirte.
»Hier ist man richtig auf's Trockene gelangt!« sagte die Kröte, »es ist beinahe zu viel des Guten, es kribbelt in mir!«
Sie erreichte den Graben; hier wuchsen Vergißmeinnicht und Spiräen, ganz in der Nähe war eine Hecke von Weißdorn und auch Hollunder wuchs da und Schlingpflanzen mit weißen Blüthen; hier waren Couleurs zu sehen; auch ein Schmetterling flog da umher; die Kröte meinte, es sei eine Blume, die sich losgerissen habe, damit sie sich besser in der Welt umschauen könne, das wäre ja ganz natürlich.
»Wenn man solche Fahrt machen könnte wie die,« sagte die Kröte. »Quak! Ach! welche Herrlichkeit!«
Sie blieb acht Nächte und Tage am Graben und hatte keinen Mangel an Eßwaaren. Am neunten Tage dachte sie: »vorwärts, weiter!« – Aber was könnte sie Herrlicheres und Schöneres finden? Vielleicht eine kleine Kröte oder einige grüne Frösche. Es hatte die letzte Nacht grade so im Winde gelautet, als seien »Vettern« in der Nähe.
»Es ist herrlich zu leben! Herrlich aus dem Brunnen heraus zu kommen, in Brennnesseln zu liegen, auf dem staubigen Wege zu kriechen! Aber weiter, vorwärts! um Frösche oder eine kleine Kröte zu finden, das ist nicht gut zu entbehren, die Natur ist Einem nicht genug!« Damit ging sie wieder auf die Wanderung.
Sie gelangte auf's Feld an einen großen Teich, der mit Schilf umwachsen war; sie spazierte hinein.
»Hier wird's Ihnen wohl zu naß sein!« sagten die Frösche; »aber Sie sind sehr willkommen! Sind Sie ein Er oder eine Sie? Es thut nichts zur Sache, Sie sind