Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen
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»Hin! hin!« seufzte der Rosenkönig. »Das Schöne ist hin!«
Es war rauh, es war grau, kalt und windig, und durch den Wald und über das Feld peitschte der Regen in langen Regenwolken dahin.
Wo ist der Vogel, der da sang, wo sind die Blumen auf der Wiese und die süßen Beeren des Waldes? – Hin! hin!
Da schimmerte ein Licht aus dem Forsthause, wie ein Stern wurde es angezündet und warf seinen langen Strahl zwischen den Bäumen hindurch; es tönte ein Gesang aus dem Hause heraus; schöne Kinder spielten dort um den Großvater; er saß, die Bibel auf dem Knie, und las von Gott und dem ewigen Leben und sprach vom Frühlinge, der wiederkehren, vom Walde, der sich auf's Neue grün belauben, von den Rosen, die blühen, den Nachtigallen, die singen, und dem Schönen, das wieder als Herrscher auftreten würde!
Aber der Rosenkönig hörte es nicht, er saß in dem nassen, kalten Wetter und seufzte: »Hin! hin!« – die Schweine waren Herren im Walde, und die Schweinemutter betrachtete ihr kleines Ferkel und seinen Ringel. »Es bleibt immer Jemand, der Sinn für das Schöne hat!« sagte die Schweinemutter.
Am Spittelfenster.
Nahe beim rasenbedeckten Walle, welcher sich rings um Kopenhagen zieht, liegt ein großes rothes Haus; Balsaminen und Ambra blicken uns aus den langen Fensterreihen des Hauses entgegen, in welchem es ärmlich genug aussieht, und arm und alt sind auch die Leute, die darin wohnen. Das Haus ist das Warton-Spittel.
Sieh da! Am Fenster lehnt ein altes Mädchen; es zupft das dürre Blatt von der Balsamine ab und blickt hinaus auf den rasenbedeckten Festungswall, wo fröhliche Kinder spielen. Woran denkt wohl das alte Mädchen? Ein ganzes Lebensdrama rollt sich vor dem innern Blicke auf.
Die armen Kleinen, wie glücklich sind sie, wie fröhlich spielen sie und tummeln sich! Welche rothe Wangen und Engelsaugen! aber Strümpfe und Schuhe haben sie nicht an. Sie tanzen auf dem grünen Walle umher an der Stelle, wo, der Sage nach, vor vielen vielen Jahren der Boden stets eingesunken war, und wo man ein unschuldiges Kind durch Blumen, Spielzeug und Zuckergebackenes, in ein offenes ihm bereitetes Grab lockte; über dem spielenden, lächelnd genießenden Kinde wurde die Gruft vermauert. Von Stunde an senkte sich aber der Boden nicht mehr, der Wall blieb hoch und fest liegen und überzog sich schnell mit herrlich grünendem Rasen. Die Kleinen, die jetzt an der Stelle spielen, wissen nichts von der Sage, sie würden sonst das Kindchen weinen hören dort unten in tiefer Erde, und die Thautropfen jedes Grashalms würden ihnen wie Schmerzensthränen sein. Sie wissen auch nichts von dem Dänenkönige, welcher hier im Angesichte des stürmenden Feindes seinen zitternden Hofleuten gegenüber den Schwur that, er wolle mit den Bürgern seiner Hauptstadt ausharren und in seinem Neste sterben; nichts von den hier kämpfenden Männern oder von den Frauen, welche von hier aus die Feinde mit siedendem Wasser begossen, die weißgekleidet an der äußern Wallseite sich im Schnee verbargen und von hier aus die Stadt überrumpeln wollten.
Spiele nur immerhin, Du kleines Mädchen! bald kommen die Jahre – ja die herrlichen Jahre; die Confirmanden sind eingesegnet, Hand in Hand lustwandeln sie an dem grünenden Walle, Du trägst ein weißes Kleid, es hat Deiner Mutter viel Schweiß gekostet, und doch ist es aus einem größern, alten Kleide für Dich zugestutzt! Du wirst auch ein rothes Umschlagetuch tragen, und wenn es auch viel zu tief herabhängt, nun, so sieht man doch daraus wie groß, wie gar zu groß es ist! Du denkst an Deinen Putz und an den lieben guten Gott; ja, herrlich ist's auf dem grünenden Walle zu lustwandeln!
Die Jahre verstreichen und haben auch Ueberfluß an finsteren Tagen. Du hast Dein frisches jugendliches Gemüth, und das führt Dir einen Freund zu, Du weißt selbst nicht wie; Ihr begegnet Euch, wie oft! Ihr lustwandelt auf dem Walle im frühen Lenze, an dem Buß- und Bettage, an welchem alle Welt auf dem Walle lustwandelt, und alle Glocken der Kirchthürme dem nahen Lenze ein Ave läuten.
Noch sind kaum die Veilchen hervorgesprossen, aber dort auf dem Walle, gerade dem alten schönen Schlosse Rosenberg gegenüber, prangt ein Baum mit den ersten grünenden Knospen. Alljährlich treibt dieser Baum grüne Zweige, – ach, so nicht des Menschen Herz! »Trübe Wolken, in größerer Zahl als der reine nördliche Himmel sie kennt, ziehen in das Herz eines Menschen ein. Armes Kind! die Brautkammer Deines Freundes wird ein finsterer Sarg, und Du – wirst alte Jungfer; vom Spittelfenster aus, hinter der Balsamine schaust Du dereinst den fröhlichen, spielenden Kindern zu, siehst Du Deine eigene Geschichte sich erneuern.
Und das ist das Lebensdrama, welches an dem alten Mädchen vorüberzieht, indem es auf den Wall, den grünen sonnigen Wall hinausschaut, wo die Kinder mit den rothen Wangen, barfuß ohne Schuhe und Strümpfe fröhlich aufjauchzen wie die andern freien Vögelein alle. –
Der Goldschatz.
Die Frau des Trommelschlägers ging in die Kirche; sie sah den neuen Altar mit gemalten Bildern und geschnitzten Engeln; sie waren ebenso schön, die auf der Leinewand in Farben und der Glorie, als die in Holz geschnitzten, und noch dazu gemalt und vergoldet. Das Haar strahlte in Gold und Sonnenschein, reizend anzusehen; aber Gottes Sonnenschein war doch noch reizender; der schien klarer, rother durch die dunkeln Bäume, wenn die Sonne unterging. Herrlich, in Gottes Angesicht zu schauen! sie sah in die rothe Sonne hinein und dachte so tief darüber nach, dachte an den Kleinen, den der Storch bringen sollte; sie war sehr fröhlich dabei und sah und sah und wünschte, daß das Kind den Sonnenglanz bekommen, zum wenigsten einem der strahlenden Engel am Altar gleichen möchte.
Und als sie nun wirklich das kleine Kind in ihren Armen hielt und es zu seinem Vater erhob, da war es anzusehen wie einer von den Engeln in der Kirche, – das Haar wie Gold; der Schein der untergehenden Sonne leuchtete darin.
»Mein Goldschatz, mein Reichthum, mein Sonnenschein!« sagte die Mutter und küßte die strahlenden Locken; und es klang wie Musik und Gesang in der Stube des Trommelschlägers; da war Freude, Leben und Bewegung. Der Trommelschläger schlug einen Wirbel, einen Freuden-Wirbel. Die Trommel ging, die Brandtrommel ging:
»Rothes Haar! Der Kleine hat rothes Haar! Glaube dem Trommelfelle und nicht was Deine Mutter sagt! Trommelom, trommelom!«
Und die Stadt erzählte, was die Brandtrommel erzählte.
Der Knabe kam in die Kirche, er wurde getauft. Von dem Namen war Nichts zu erzählen; er ward Peter genannt. Die ganze Stadt, auch die Trommel nannte ihn: Peter, des Trommelschlägers Knaben mit dem rothen Haare; aber seine Mutter küßte sein rothes Haar und nannte ihn Goldschatz.
Im Hohlwege, in den lehmigen Abhang, hatten Viele ihren Namen zur Erinnerung eingeritzt.
»Berühmtheit,« sagte der Trommelschläger, »das ist immer Etwas!« und so ritzte er auch seinen Namen und den seines kleinen Sohnes hinein.
Die Schwalben kamen; sie hatten auf ihrer langen Reise dauerhaftere Schrift in den Klippen und in den Wänden des Tempels in Hindostan eingehauen gesehen: große Thaten von mächtigen Königen, unsterbliche Namen, so ganz alte, daß sie jetzt Keiner mehr lesen oder nennen konnte.
Nennenswert! Berühmtheit!
Im Hohlwege bauten die Erdschwalben; sie bohrten Löcher in den jähen Abhang, der Platzregen und der Staubregen bröckelte und spülte die Namen fort, – auch den des Trommelschlägers und seines kleinen, Sohnes.
» Peters Name bleibt doch wohl anderthalb Jahr stehen!« sagte der Vater.
»Narr!« dachte die Brandtrommel;