Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen

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Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke - Hans Christian Andersen

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freilich ist es das!« sprach Tölpel-Hans, »und zwar von der feinsten Sorte, seht, er läuft Einem gar durch die Finger durch!« und dabei füllte er seine Tasche mit dem Schlamme.

      Allein die Brüder sprengten dahin, daß Kies und Funken stoben, deshalb gelangten sie auch eine ganze Stunde früher als Tölpel-Hans an das Stadtthor; an diesem bekamen alle Freier Nummern, sofort nach ihrer Ankunft und wurden in Reih' und Glied geordnet, sechs in jede Reihe, und so eng zusammengedrängt, daß sie die Arme nicht bewegen konnten; das war sehr weise so eingerichtet, denn sie hatten einander wohl sonst das Fell über die Ohren gezogen, blos weil der Eine vor dem Andern stand.

      Die ganze Volksmenge des Landes stand rings um das königliche Schloß in dichten Massen zusammengedrängt, bis an die Fenster hinauf, um die Königstochter die Freier empfangen zu sehen; je nachdem Einer von diesen in den Saal trat, ging ihm die Rede aus wie ein Licht.

      »Das taugt nichts!« sprach die Königstochter. »Fort, hinaus mit ihm!«

      Endlich kam die Reihe an denjenigen der Brüder, welcher das Wörterbuch auswendig wußte, aber er wußte es nicht mehr, er hatte es ganz vergessen in Reih' und Glied; und die Fußdielen knarrten und die Zimmerdecke war von lauter Spiegelglas, daß er sich selber auf dem Kopfe stehen sah, und an jedem Fenster standen drei Schreiber und ein Oberschreiber, und Jeder von diesen schrieb Alles nieder, was gesprochen wurde, damit es sofort in die Zeitung käme und für »Einen Silbergroschen« an der Straßenecke verkauft werde. Es war entsetzlich, und dabei hatten sie dermaßen in dem Ofen eingeheizt, daß er glühend war.

      »Hier ist eine entsetzliche Hitze, hier!« – sprach der Freier.

      »Ja wohl! mein Vater bratet aber auch heute junge Hähne!« sagte die Königstochter.

      »Mäh!« da stand er wie ein Mähäh; auf solche Rede war er nicht gefaßt gewesen; kein Wort wußte er zu sagen, obgleich er etwas Witziges hatte sagen wollen. »Mäh!«

      »Taugt nichts!« sprach die Königstochter. »Fort, hinaus mit ihm!« und hinaus mußte er.

      Nun trat der andere Bruder ein.

      »Hier ist eine entsetzliche Hitze!« – sagte er.

      »Ja wohl, wir braten heute junge Hähne!« bemerkte die Königstochter.

      »Wie be – wie?« sagte er, und die Schreiber schrieben: wie be – wie!

      »Taugt nichts!« sagte die Königstochter. »Fort, hinaus mit ihm!«

      Nun kam Tölpel-Hans dran; er ritt auf dem Ziegenbocke direct in den Saal hinein. »Na, das ist doch eine Mordhitze hier!« sagte er.

      »Ja wohl, ich brate aber auch junge Hähne!« sagte die Königstochter.

      »Ei, das ist schön!« erwiderte Tölpel-Hans, »dann kann ich wohl eine Krähe mit braten?«

      »Mit dem größten Vergnügen!« sprach die Königstochter; »aber haben Sie Etwas, worin Sie braten können? denn ich habe weder Topf noch Tiegel.«

      »Oh, das hab' ich!« sagte Tölpel-Hans. »Hier ist Kochgeschirr mit zinnernem Bügel,« und so zog er den alten Holzschuh hervor, und legte die Krähe hinein.

      »Da ist ja eine ganze Mahlzeit,« sagte die Königstochter, »aber wo nehmen wir die Brühe her?«

      »Die habe ich in der Tasche!« sprach Tölpel-Hans. »Ich habe so viel, daß ich sogar etwas davon wegwerfen kann!« – und nun goß er etwas Schlamm aus der Tasche heraus.

      »Das gefällt mir!« sagte die Königstochter, »Du kannst doch antworten, und Du kannst reden, und Dich will ich zum Manne haben! –aber weißt Du auch, daß jedes Wort, welches wir sprechen und gesprochen haben, niedergeschrieben wird und morgen in die Zeitung kommt? An jedem Fenster, siehst Du, stehen drei Schreiber und ein alter Oberschreiber, und dieser alte Oberschreiber ist noch der schlimmste, denn er kann nichts begreifen!« und das sagte sie nur, um Tölpel-Hans zu ängstigen. Und die Schreiber wieherten und spritzten dabei Jeder einen Tintenklecks auf den Fußboden.

      »Ah, das ist also die Herrschaft!« sagte Tölpel-Hans; »nun so werde ich dem Oberschreiber das Beste geben!« und damit kehrte er seine Taschen um und warf ihm den Schlamm gerade ins Gesicht.

      »Das war fein gemacht!« sagte die Königstochter, »das hätte ich nicht thun können! aber ich werde es schon lernen!« –

      Tölpel-Hans wurde König, bekam eine Frau und eine Krone und saß auf einem Throne, und das haben wir ganz naß aus der Zeitung des Oberschreibers und Schreiberinnungsmeisters – und auf die ist nicht zu bauen!

      »Ding – dang! Ding – dang!« klingt es aus der »Glockentiefe« herauf in der Odense-Au. – Jedes Kind in der alten Stadt Odense auf der Insel Fünen kennt die Au, welche die Gärten rings um die Stadt bespült und die sich von der Schleuse bis zur Wassermühle unter die hölzernen Ueberbrückungen dahinzieht. In der An blühen gelbe Wasserlilien oder Auknöpfe, und braungefiedertes Röhricht; es wächst dort die schwarze, sammetartige Rohrpompe, hoch und dick; alte geborstene Weiden, gereckt und gestreckt, hängen weit über den Strom hinaus an der Seite der Mönchswiese und der Bleiche; aber dieser gegenüber ist Garten an Garten, einer anders als die anderen, bald mit schönen Blumen und Lauben, glatt und zierlich, wie ein kleiner Puppenstaat, bald nur mit Kohl und anderem Gemüse bewachsen; oder auch ist kein Garten zu erblicken, indem die großen Hollunderbäume sich an den Ufern ausbreiten und weit über die strömenden Gewässer hinaushängen, die hier und da tiefer sind, als daß die Ruderstange ihren Grund erreichen könnte. Dem alten Fräuleinkloster gegenüber ist die tiefste Stelle, Glockentiefe genannt, und dort unten wohnt der alte Wassergeist, der »Aumann«. Derselbe schläft den Tag über, während die Sonne durch das Wasser hinabstrahlt, aber er zeigt sich bei sternenhellen Nächten und Mondschein. Er ist sehr alt; die Großmutter sagt, sie habe von ihm erzählen hören von ihrer Großmutter: er verlebe ein einsames Leben, habe Niemand, mit dem er reden könne, außer der großen, alten Kirchglocke. Einst hing die Glocke im Kirchthurme – ja, jetzt ist keine Spur mehr, vom Thurme ebensowenig wie von der Kirche, derjenigen, welche St. Albani hieß.

      »Ding-dang! Ding-dang!« klang die Glocke, als der Thurm noch dastand, und eines Abends, während die Sonne sank und die Glocke im stärksten Schwunge sich befand, riß sie sich los und flog dahin durch die Luft; das blanke Metall blitzte glühend in den rothen Strahlen.

      »Ding-dang! Ding-dang! Jetzt will ich mich zur Ruhe betten!« sang die Glocke und flog hinaus in die Odense-Au, wo sie am tiefsten ist, und deshalb heißt diese Stelle die Glockentiefe. Allein ihr ward keine Ruhe und kein Schlaf. Unten bei dem Aumann singt und klingt sie, daß es zuweilen herauftönt durch die Gewässer, und viele Leute sagen, solches Klingen bedeute, daß Jemand sterben solle, aber es ist nichts an Dem, nein, sie singt und unterhält sich mit dem Aumann, der jetzt nicht mehr allein ist.

      Was erzählt wohl die Glocke? – Sie ist alt, sehr alt, wie wir schon bemerkten, sie war schon lange da, bevor die Großmutter der Großmutter geboren wurde, und doch ist sie an Alter nur ein Kind gegen den Aumann, der ein alter, stiller Mann, ein Sonderling ist, mit seinen Hosen von Aalfell und seiner schuppigen Jacke mit den gelben Auknöpfen, mit einem Schilfkranze in dem Haar und Meerlinsen im Barte – aber er sieht so doch hübsch aus.

      Was die Glocke erzählt – das wiederzugeben würde Jahre und Tage erfordern; sie erzählt Jahr ein Jahr aus gar oft die alten Geschichten wieder auf's Neue, bald kurz, bald lang, wie es ihr die Stimmung giebt; sie erzählt von alten Zeiten, den

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