Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen

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Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke - Hans Christian Andersen

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was das zu bedeuten habe, und wer der Mann sei.

      »Das ist der Bischof von Seeland!«

      »Mein Gott, was fällt dem Bischofe ein?« seufzte der Justizrath und schüttelte den Kopf. Der Bischof konnte es doch unmöglich sein! Darüber grübelnd, und ohne zur Rechten oder Linken zu sehen, ging der Justizrath durch die Oststraße und über den Hohenbrückenplatz. Die Brücke, die nach dem Schloßplatze führt, war nicht zu finden; er gewahrte das Ufer eines seichten Wassers, und stieß endlich hier auf zwei Leute, die in einem Boote waren.

      »Will der Herr nach dem Holm übergesetzt werden?« fragten sie.

      »Nach dem Holm hinüber?« sagte der Justizrath, der ja nicht wußte, in welchem Zeitalter er sich befand. »Ich will nach Christianshafen in die kleine Torfstraße!«

      Die Leute sahen ihn an.

      »Sagt mir nur, wo die Brücke ist!« sagte er. »Es ist schändlich, daß hier keine Laternen angezündet sind; auch ist ein Schmutz, als ginge man in einem Sumpfe!«

      Je länger er mit den Bootsmännern sprach, desto unverständlicher waren sie ihm.

      »Ich verstehe Euer Bornholmisch nicht!« sagte er zuletzt ärgerlich und kehrte ihnen den Rücken. Die Brücke konnte er nicht finden, ein Geländer war auch nicht da. »Es ist ein Scandal, wie es hier aussieht!« sagte er. Nie hatte er sein Zeitalter elender gefunden, als an diesem Abende. »Ich glaube, ich werde am Besten thun, eine Droschke zu nehmen,« dachte er. Aber wo waren die Droschken? Keine ließ sich sehen. »Ich werde nach dem Königsneumarkte zurückgehen müssen, dort halten wohl Wagen, sonst komme ich nie nach Christianshafen hinaus.«

      Nun ging er nach der Oststraße und war fast hindurch gekommen, als der Mond hervorbrach.

      »Mein Gott, was ist das für ein Gerüst, das man hier errichtet hat!« rief er aus, als er das Ostthor erblickte, welches zu jener Zeit am Ende der Oststraße stand.

      Inzwischen fand er noch einen Durchgang offen und durch diesen kam er nach unserm Neumarkte hinaus; aber das war ein großer Wiesengrund; einzelne Büsche ragten hervor und quer durch die Wiese zog sich ein breiter Canal oder Strom. Einige erbärmliche Holzbuden für holländische Schiffer lagen auf dem entgegengesetzten Ufer.

      »Entweder erblicke ich eine fata morgana, oder ich bin betrunken!« jammerte der Justizrath. »Was ist das nur? Was ist das nur?«

      Er kehrte wieder um, in der festen Ueberzeugung, daß er krank sei. Indem er die Straße zurückkam betrachtete er die Häuser genauer; die meisten waren blos von Fachwerk und viele hatten nur Strohdächer.

      »Nein, mir ist gar nicht wohl!« seufzte er. »Und ich trank doch nur ein Glas Punsch! Aber ich kann ihn nicht vertragen, und es war auch ganz und gar verkehrt, uns Punsch und warmen Lachs zu geben; das werde ich der Frau Agentin auch sagen! Ob ich wohl wieder zurückkehre und sage, wie mir zu Muthe ist? Aber das sieht lächerlich aus, und es ist die Frage, ob sie noch auf sind.«

      Er suchte nach dem Hause, aber es war gar nicht zu finden.

      »Es ist schrecklich. Ich kann die Oststraße nicht wieder erkennen! Nicht ein Laden ist da; alte, elende, verfallene Häuser erblicke ich, als ob ich in Roeskilde oder Ringstedt wäre. Ach, ich bin krank! Es nützt nichts, sich zu geniren. Aber wo in aller Welt ist des Agenten Haus? Es ist nicht mehr dasselbe, aber dort drinnen sind noch Leute auf – ach, ich bin sicher krank!«

      Nun gelangte er an eine halb offene Thüre, wo das Licht durch eine Spalte fiel. Es war eine Herberge jener Zeit, eine Art Bierhaus. Die Stube hatte das Ansehen einer holländischen Diele; eine Anzahl Leute, bestehend aus Schiffern, Kopenhagener Bürgern und einigen Gelehrten, saßen hier im tiefsten Gespräche bei ihren Krügen und beachteten den Eintretenden nur wenig.

      »Um Entschuldigung,« sagte der Justizrath zur Wirthin, »mir ist sehr unwohl geworden; wollen Sie mir nicht eine Droschke nach Christianshafen hinaus besorgen lassen?«

      Die Frau sah ihn an und schüttelte mit dem Kopfe; darauf redete sie ihn in deutscher Sprache an. Der Justizrath nahm an, daß sie der dänischen Zunge nicht mächtig sei, und brachte deshalb seinen Wunsch auf Deutsch vor; dies im Vereine mit seiner Kleidung, bestärkte die Frau darin, daß er ein Ausländer sei; daß er sich unwohl befinde, begriff sie bald und brachte ihm deshalb einen Krug Wasser; freilich schmeckte es etwas nach Seewasser, wiewohl es draußen aus dem Brunnen geschöpft war.

      Der Justizrath stützte seinen Kopf auf die Hand, holte tief Athem und grübelte über alles Seltsame rings um ihn her nach.

      »Ist das die heutige Nummer vom »›Tag?‹[5]« fragte er ganz mechanisch, indem er sah, wie die Frau ein großes Stück Papier weglegte.

      Sie verstand nicht, was er damit meinte, reichte ihm aber das Blatt; es war ein Holzschnitt, welcher eine Lufterscheinung darstellte, die in der Stadt Köln gesehen worden war.

      »Das ist sehr alt!« sagte der Justizrath und wurde durch diese Antiquität ganz heiter. »Wie sind Sie denn zu diesem seltenen Blatte gelangt? Das ist höchst interessant, obgleich das Ganze eine Fabel ist! Man erklärt dergleichen Lufterscheinungen jetzt für Nordlichter, die man erblickt hat; wahrscheinlich entstehen sie durch die Elektricität.«

      Die, welche ihm zunächst saßen und seine Rede hörten, sahen ihn erstaunt an, und Einer von ihnen erhob sich, nahm ehrerbietig den Hut ab und sagte mit der ernsthaftesten Miene: »Ihr seid sicher ein höchst gelehrter Mann, Monsieur?«

      »O nein!« erwiderte der Justizrath; »ich kann nur von dem Einen und dem Andern mitsprechen, was man ja verstehen muß!«

      » Modestia ist eine schöne Tugend!« sagte der Mann. »Uebrigens muß ich zu Eurer Rede sagen: mihi secus videtur; doch suspendire ich hier gern mein Judicium

      »Darf ich wohl fragen, mit wem ich das Vergnügen habe zu sprechen?« erwiderte der Justizrath.

      »Ich bin Baccalaureus der heiligen Schrift,« sagte der Mann.

      Diese Antwort war dem Justizrathe genügend: der Titel entsprach hier der Tracht. Das ist sicher, dachte er, ein alter Dorfschulmeister, ein origineller Patron, wie man sie noch zuweilen oben in Jütland treffen kann.

      »Hier ist zwar kein locus docendi,« begann der Mann, »doch bitte ich, daß Ihr Euch bemüht, zu sprechen! Ihr seid sicher in den Alten sehr belesen!«

      »O ja!« antwortete der Justizrath; »ich lese gern alte nützliche Schriften, habe auch die neueren recht gern, mit Ausnahme der »Alltagsgeschichten«, deren wir in der Wirklichkeit genug haben!«

      »Alltagsgeschichten?« fragte unser Baccalaureus.

      »Ja, ich meine die neuen Romane, die man jetzt hat.«

      »O,« lächelte der Mann; »sie enthalten doch vielen Witz und werden bei Hofe gelesen; der König liebt besonders den Roman von Herrn Iffven und Gaudian, welcher vom König Artur und seinen Rittern der Tafelrunde handelt. Er hat mit seinen hohen Herren darüber gescherzt.«

      »Den habe ich freilich noch nicht gelesen!« sagte der Justizrath; »das muß ein ganz neuer sein, den Heiberg herausgegeben hat!«

      »Nein,« erwiderte der Mann, »er ist nicht bei Heiberg, sondern bei Godfred von Gehmen[6] herausgekommen!«

      »So, ist das

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