Auf fremden Pfaden. Karl May
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Читать онлайн книгу Auf fremden Pfaden - Karl May страница 16
»Wenn ich mich nicht irre, so ist er der Enkel jenes Großoheims, von welchem Ihr mir erzähltet. Dieser fiel als wackerer Kämpe in der Schlacht bei Pieter-Maritzburg, in welcher auch dessen Sohn mitfocht, der, wie ich Euch versichere, ein Jäger und ein Krieger war, wie es kaum einen zweiten gab. Der Enkel gleicht ihm auf das Haar. Seine Büchse hat noch niemals ein Ziel verfehlt, weder bei Tag noch bei Nacht; darum wird er nur der Boer van het Roer genannt, und seine Fäuste sind stark wie die Tatzen des Löwen; wehe dem, der zwischen sie gerät!«
Mietje war uns vorausgeeilt; wir sahen sie jetzt hinter den Planken des Hofes verschwinden.
»Und dieses Kaffernmädchen?« fragte ich.
»Ist seine Adoptiv-Schwester und seine Braut.«
»Ah!«
»So ist es! Sein Vater war nordwärts vom Griqua auf einer Jagdstreiferei in die Kalahari gekommen und fand dort neben der Leiche einer jungen, schönen und wohl kaum vor einer Stunde verstorbenen Kaffernfrau das halb verschmachtete Kind. Er hatte ein mitleidiges Herz und nahm das Mädchen mit sich. Es wurde getauft und neben Jan erzogen, der es nicht anders als sein Schwesterchen nannte, bis er auf den Gedanken kam, aus der angenommenen Schwester sein Weib zu machen.«
»Waren die Eltern damit einverstanden?«
»Natürlich! Ihr dürft nicht glauben, daß wir dieselben Vorurteile hegen, wie ihr daheim. Mietje ist ein ganzes Mädchen und wird eine Frau werden, wie Jan unter den Ansiedlern keine bessere finden kann.«
»Sie muß eine Amatomba oder Lagoanerin sein.«
»Wahrscheinlich, doch geben die Gegenstände, welche van Helmers bei ihrer Mutter fand, keinen Anhalt. Sie ist, da Jan sehr viel außer Hause ist, die Seele der ganzen Besitzung, nimmt alle Sorgen mit Freuden auf sich und hat auch jetzt uns nur verlassen, damit wir bei unserer Ankunft sofort einen gedeckten Tisch vorfinden. Wäre ich jung, so könnte ich Jan um diese Braut beneiden!«
Wir ritten in raschem Schritte über die fetten Wiesen dahin, passierten das offenstehende Thor und gelangten in einen sehr großen Hofraum, in welchen die Eingangsthüre des Wohngebäudes mündete. Einige Fanghunde empfingen uns mit lautem Gebell, doch ließen sie sich durch Uys, der ihnen jedenfalls bekannt war, sofort beschwichtigen. In ihr Gebell hatte sich ein eigentümliches Pfauchen und Zischen gemischt. Ich folgte der Richtung des Schalles und gewahrte einen gezähmten Leoparden, welcher neben einer für ihn errichteten Hütte an einer starken Kette lag.
Das Gebell hatte noch eine weitere Folge. Ich vernahm nämlich hinter dem Hause die eigentümlichen Töne einer Stimme, welche mir vollständig unbekannt war, und sah gleich darauf um die Ecke einen Strauß hervorbiegen, der sich mit weit vorgestrecktem Halse und schlagenden Flügeln auf uns losstürzte. Das Haus schien außerordentlich gut bewacht zu sein.
Unglücklicherweise hatte sich der riesige Vogel meinen braven Quimbo zum Gegenstande seines Angriffes ausersehen. Dieser erkannte die Gefahr, welche ihm drohte, und brachte augenblicklich seine beiden nackten Beine auf den Rücken des Pferdes› in Sicherheit.
»Mynheer, Mynheer,« brüllte er, »Strauß will freß' Quimbo! Strauß hab' Hunger! Strauß mag verschling' Pferd, aber nicht Quimbo!«
Durch das Zetermordio des Attackierten noch mutiger gemacht, verschärfte der Vogel seinen Angriff und versuchte, die Beine des Kaffern mit dem Schnabel zu erreichen. Da diese aber immer auf die gegenüberliegende Seite des Pferdes gehalten wurden, so griff er schließlich den Brabanter an, der die energischen Schnabelhiebe des streitbaren Federhelden allerdings so wenig nach seinem Geschmacke fand, daß er trotz seiner Schwerfälligkeit mit allen vieren in die Luft ging und Quimbo in die höchste Gefahr brachte, seinem Feinde vor die Füße geworfen zu werden.
»Mynheer rett' Quimbo! Mynheer helf arm' Quimbo! Quimbo will nicht gut schmeck' Strauß, oh, oh! Mynheer schieß' tot Strauß, aber Mynheer nicht treff' Quimbo, denn Quimbo bin sonst tot!«
Kees Uys versuchte vergebens, den Vogel zu beruhigen. Der dicke Gaul stieg unaufhörlich bald vorn bald hinten in die Höhe und wieherte vor Schmerzen; der Kaffer brüllte; die Hunde begannen von neuem ihr Gebell, und der Leopard zerrte an der Kette und brüllte, daß es einem wirklich angst werden konnte. Da erscholl ein einziger Zuruf durch das geöffnete Fenster, und sofort gehorchten alle diese zahmen und halbwilden Tiere.
»Rob, zurück!« rief Mietje, und der Vogel wandte sich vom Pferde hinweg, um an das Fenster zu eilen und, den Kopf durch dasselbe steckend, sich von seiner Herrin liebkosen zu lassen.
Dadurch wurde nicht nur Quimbo befreit, sondern auch wir sahen uns aus einer fatalen Lage erlöst, da es uns andernfalls notwendig erschienen wäre, gewaltsam gegen den jedenfalls freundlich gehegten Vogel einzuschreiten.
Einige herbeieilende Hottentotten nahmen unsere Pferde in Empfang; dann trat ich mit Uys in die Wohnung, in welcher wir außer Mietje eine ältliche Frau fanden, welche, sorgfältig in Decken gehüllt, in einem Lehnstuhle saß. Mietje hatte uns bereits angekündigt, und ich wurde von der Kranken mit außerordentlicher Herzlichkeit empfangen.
»Jeffrouw Soofje, dieser Mynheer kommt aus Holland,« bemerkte Kees Uys.
»Und zwar aus Zeeland,« fügte ich hinzu.
»Aus Zeeland?« fragte sie. »Ich kenne es nicht; aber der Vater meines Mannes war dort geboren. Er hat viel dorthin geschrieben, endlich aber keine Antwort mehr erhalten. Kennt Ihr Storkenbeek in Zeeland?«
»Ich bin eine volle Woche dort gewesen als Gast einer Familie van Helmers.«
»Bei den Helmers?« fragte sie, trotz ihres Leidens und ihrer außerordentlichen Wohlbeleibtheit, außerordentlich lebhaft. »Das sind ja unsere Verwandten! Habt Ihr sie nicht von Lucas van Helmers sprechen hören?«
»Sehr oft, Jeffrouw. Sie baten mich, nach Euch zu forschen und Euch diese Briefe zu überreichen, falls es mir gelingen sollte, Euern Aufenthalt zu entdecken. Auch sie haben schon öfters geschrieben, ohne eine Antwort zu erhalten. Die Postzustände scheinen zur Zeit der Invasion der Engländer keine besonders lobenswerten gewesen zu sein.«
»Einen Brief aus Storkenbeek? Gebt ihn schnell her, Mynheer! Mietje mag ihn vorlesen, während Ihr dort zu dem Imbiß greift. Setzt Euch zur Tafel, und nehmt fürlieb. Wildbret ist leider nicht dabei, da Jan schon seit vorgestern abwesend ist, um auf einen Leoparden zu gehen.«
Sie legte auf das Wort Leopard einen Ton, welcher mich annehmen ließ, daß es mit demselben eine besondere Bewandtnis haben müsse, zumal sie dabei einen eigentümlichen, bezeichnenden Blick auf Uys warf. War unter dem Leoparden vielleicht etwas ganz anderes zu verstehen, als das bekannte katzenartige Raubtier, welches in der Kolonie allerdings häufig getroffen und eifrig verfolgt wird wegen des großen Schadens, den es unter den Herden stiftet?
Uys beantwortete diese unausgesprochene Frage durch eine Bemerkung, welche er der Frau auf ihre Worte machte:
»Ich wollte mit ihm, wurde aber abgehalten, zur rechten Zeit einzutreffen, und werde, sobald mein Pferd gefüttert ist, ihm folgen. Übrigens ist dieser Mynheer kein Freund der Engländer, und wir können also offen vor ihm sprechen, Jeffrouw. Ist Jan allein fort?«
»Ja.«
»Nach der Klaarfontain?«
»Er sagte so, Baas Uys.«
»Hat