Auf fremden Pfaden. Karl May
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»Help, help! Oh, woe to me!« hörte ich eine laute, ängstliche Stimme rufen.
Das war englisch. Jedenfalls befand sich ein Weißer in Gefahr, und darum drang ich so schnell wie möglich durch die dichten Farne. Schon nach einigen Augenblicken bot sich mir ein halb ernster, halb komischer Anblick dar. Auf dem moosüberzogenen Stamme eines umgestürzten und schräg gegen die umstehenden Bäume anliegenden Gelbholzbaumes hockte eine lange, dürre Menschengestalt und verteidigte sich mit dem Kolben der umgedrehten Büchse gegen einen mächtigen Eber, welcher am Hinterteile verwundet war und unter zornigem Grunzen und wütenden Stößen die improvisierte Festung zu erobern trachtete.
Ich erhob die Büchse, fühlte aber meinen Arm von Quimbo gefaßt.
»Oh, nicht schieß' Mynheer! Quimbo eß' gern schön' Sau; Quimbo mach' tot Sau!«
Mit drei raschen Sprüngen stand er hinter dem Eber, dessen Angriff in so blinder Wut geschah, daß er den neuen Feind gar nicht bemerkte. Den Wurfspieß erhebend, schleuderte er denselben mit solcher Kraft dem Tiere hart hinter dem Vorderbeine in die Seite, daß das feste, unzerbrechliche Holz tief in die Gegend des Herzens eindrang. Das Tier stand einen Augenblick bewegungslos und wandte sich dann, einen blutigen Schaum ausgeifernd, welcher die Trefflichkeit des Lanzenwurfes bekundete, gegen den Kaffer. Schon aber war dieser, um den Hauern auszuweichen, auf die Seite gesprungen und schwang die kurze, schwere Keule. Ein wuchtiger Schlag sauste gegen den Kopf des Ebers, der sofort zu Boden stürzte, und ein zweiter Hieb vollendete den Sieg, welcher das Werk von kaum einer Minute gewesen war. Der Held dieses Kampfes schwang die Keule hoch in der Luft und stieß einen lauten Triumphruf aus.
»Mynheer seh! Sau bin tot, bin viel tot, bin sehr tot. Sau nicht eß' Mann, sondern Quimbo eß' Sau!«
Er riß den Spieß aus dem Leibe des erlegten Tieres und griff zum Messer, um es sofort aufzubrechen. Der aus einer so fatalen Belagerung befreite Fremde schob seine langen, unendlichen Gliedmaßen von dem Baumstamme herunter und dehnte sich wie einer, der aus einem fürchterlichen Traume erwacht.
»Hail, Sir, das war Hilfe zur rechten Zeit! Das Viehzeug, damn it, war so direful und unhöflich, daß ein Gentleman sich gar nicht mehr mit ihm abgeben konnte!«
Der Mann war auf alle Fälle ein Engländer. Er trug auf dem rotblond behaarten Kopfe, dessen Gesichtsteil zwei riesige Bartkoteletten zierten, eine hohe, helmartige und aus Nashornhaut gefertigte Mütze; den hageren Körper bedeckte eine kurze, karierte Jacke und eine ebensolche Hose, über welche zwei Filzgamaschen geknöpft waren, unter denen ein schmaler, ewig langer Fuß hervorragte. Die dürren Finger krallten sich noch immer um die abgeschossenen Läufe seiner Doppelbüchse; an seiner Linken hing in einer ledernen Scheide ein riesiger Schleppsäbel mit Korbgriff, und aus dem um die dünne Taille geschlungenen Shawl sahen zwei hölzerne Messergriffe und die Kolben von drei riesigen Reiterpistolen hervor.
»Sir Hilbert Grey,« stellte er sich vor, indem er mit einer unbeschreiblichen Handbewegung mich aufforderte, ein Gleiches zu thun.
»Was führt Euch in diese Gegend, Sir?« fragte ich, nachdem ich auch meinen Namen genannt hatte.
»Geschäfte, Mynheer, wichtige Geschäfte, die ich Euch allerdings nicht verraten kann, da Ihr ein Holländer seid.«
»Ich bin kein Holländer, sondern ein Deutscher, Sir, und gehe im Kapland ein wenig spazieren. Doch erlaubt mir zu fragen, was dieses Tier hier mit Euern wichtigen Geschäften zu thun hat!«
»Dieses Tier, dieser Drache, dieser Cerberus? Stand off! Nicht das mindeste. Ich ging ein wenig zwischen die Bäume, um einen Schöps zu verdauen, welchen wir gegessen haben, und geriet dabei mit diesem Ungetüm zusammen – –«
»Welches die Absicht hatte, nun Euch zu verdauen,« fiel ich lachend ein. »Doch apropos, Sir, wo glaubt Ihr, daß man einen Eber treffen muß?«
»Pshaw! Dieser Lindwurm wollte ja nicht stillhalten, als ich zielte. Ich verstehe schon, ein Gewehr da hinzuhalten, wohin es gehört, und habe daher nur einmal in die Luft geschossen, was bei einem Deutschen wohl zweimal geschehen wäre!«
»Möglich, vorausgesetzt, daß kein anderes Ziel als nur die Luft vorhanden ist. Darf ich vielleicht fragen, Sir, wer die Leute sind, mit denen Ihr Euern Schöps verspeist habt?«
»No, no! Das ist nichts für Euch. Ruft diesen Menschen von dem Tiere zurück; es gehört mir. Und dann geht Eures Weges!«
»Meint Ihr, Sir Hilbert Grey?« fragte ich und fügte bei: »Dieser Eber gehört meinem Diener, denn er hat ihn erlegt, und das Recht, welches Euch Euer Schuß an dem Wilde geben könnte, ist recht gut abzutreten gegen den Umstand, daß er Euch das Leben gerettet hat.«
»Fudge! Ich behaupte, daß diese Sau mein Eigentum ist und werde – – –«
»Nichts werdet Ihr! Wenn sich Angehörige von zwei civilisierten Nationen in diesen Breiten begegnen, so pflegen sie sich freundlicher zu verhalten, als es bei Euch der Fall ist, Sir Hilbert Grey. Ihr verlangt, daß ich meines Weges gehen soll. Gut, ich folge Euch, aber dieser Weg geht grad dahin, wohin Euch der Eure führt: zu dem Orte, an welchem der edle Schöps verspeist wurde. Hier hat ein jeder das Recht und sogar die Pflicht, zu sehen, wer sich in seiner Nähe befindet, und will man ihn daran hindern, so gilt einfach das Recht des Stärkeren. Wollt Ihr mich zu Euren Genossen führen oder nicht?«
Der gute Mann blickte höchst verlegen zu mir hernieder.
»Ich darf nicht, Sir, denn es soll niemand wissen, daß wir uns hier befinden.«
Ich hatte einen allerdings noch unbestimmten Verdacht gefaßt, welcher durch das Verhalten des Engländers nichts weniger als gehoben werden konnte. Was that er hier in dieser Gegend, welche, wie ich wohl wußte, nur von einzelnen holländischen Boers bewohnt wurde, die den Engländern geradezu feindselig gesinnt waren? Ein geheimer Emissär der englischen Regierung konnte er unmöglich sein; dazu war er, wie es schien, geistig zu wenig befähigt, und was hätte er als solcher auch grad hier in diesem Walde zu thun gehabt? Zwar hatte Kees Uys gesagt, daß sich jenseits der Randberge die Zulus zusammenscharten – – ich mußte klar sehen und meinte daher:
»Wer soll es nicht wissen, Sir? Die Holländer oder auch ich als Fremder und Neutraler?«
»Niemand!«
»Und wenn ich es nun bereits wüßte?«
»Ihr? Impossible, unmöglich!«
»Und doch! Es sind Kaffern!«
Ich merkte es ihm sofort an, daß ich richtig geraten hatte, obgleich er mir auszuweichen suchte:
»Kaffern? Ihr irret Euch, Sir! Wo wollt Ihr sie gesehen haben?«
Quimbo war mit seiner Arbeit fertig geworden und erwartete neugierig das Resultat unserer ihm unverständlichen Unterredung. Ich wandte mich zu ihm:
»Laß das Tier einstweilen liegen. Wir müssen diesen Mann begleiten!«
»Quimbo laß' lieg' Sau? Oh, oh, Mynheer, Quimbo eß viel schön' Sau;