Auf fremden Pfaden. Karl May
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Читать онлайн книгу Auf fremden Pfaden - Karl May страница 18
»Wo liegt der Wald?«
»Ist man hier das Thal hinauf und über die Höhe rechts hinübergegangen, sieht man ihn liegen.«
Wälder sind in diesen Gegenden eine Seltenheit, und da ich mich jetzt ohne weitere Beschäftigung sah, so rief ich meinen Diener, welcher in scheuer Entfernung vom Leoparden stand und das ihn verdrießlich anblinzelnde Tier neugierig betrachtete.
»Quimbo, hast du die Pferde versorgt?«
»Pferd hab' freß' und hab' sauf, Mynheer,« antwortete er. »Quimbo sein fleißig und hab' auch schon eß'!«
»So nimm deine Waffen. Wir gehen nach dem Walde!«
Ich trat in die Stube, um meine Büchse zu holen, und machte die beiden Frauen mit meinem Vorhaben bekannt. Sie warnten mich vor giftigen Schlangen, deren es im Walde eine Unzahl gebe, und boten mir einen Hottentotten als Führer an. Ich lehnte dies ab und verließ das Haus.
Quimbo hatte sich mit allen seinen Waffen behangen und machte ein höchst unternehmendes Gesicht.
»Mynheer hab' Flint'; Mynheer will schieß' tot. Was will Mynheer schieß tot?«
»Elefanten,« antwortete ich mit der ernsthaftesten Miene.
Der Kaffer that einen gewaltigen Sprung zur Seite und sah mich höchst erschrocken an.
»Elefant? – O, Mynheer werd' sein tot, und Quimbo werd' sein auch tot! Elefant bin dick; Elefant hab' Maul so groß – – –«
Er streckte die Hände so weit als möglich auseinander, um mir zu verdeutlichen, wie groß das Maul des Elefanten sei.
»Gut, so suchen wir uns einen Löwen!«
jetzt blieb er gar stillstehen vor Schreck.
»Mynheer will such' Löwe? Oh, oh, Löwe sein noch viel mehr groß bös als Elefant; Löwe freß' all' Tier und all' Mensch; Löwe freß' England, freß' Holland, freß' Koikoib, freß' Kaffer, freß' Mynheer und freß' auch Quimbo. Was soll thun Quimbo, wenn Löwe hab' freß' Quimbo? Quimbo will nehm' schön' Frau; Quimbo darf nicht werd' freß' von Löwe!«
Das war mir neu. Ich vermochte es nicht, mir den guten Kaffer als würdigen Ehemann vorzustellen, und fragte darum:
»Was? Heiraten willst du?«
»Quimbo wird nehm' Frau!«
Er sprach diese Versicherung mit einem außerordentlichen Selbstbewußtsein aus und zog dabei eine Miene, als erwarte er die größte Anerkennung von meiner Seite.
»So! Wen willst du nehmen?«
»Quimbo nehm' schön' Mietje!«
Beinahe hätte ich laut aufgelacht. Also Mietje sollte das Glück haben, Madame Quimbo zu werden!
»Warum Mietje?« fragte ich ihn.
»Mietje bin gut, als Quimbo fall' von Pferd; Mynheer Uys hab' woll' schneid' auf Quimbo, Mietje aber hab' Angst um Quimbo; drum werd' sein Mietje Frau von Quimbo.«
»Hast du es denn Mietje schon gesagt?«
»Nein. Quimbo hab' nicht sprech' mit Mietje.«
»Weißt du denn, daß Mietje deine Frau sein will?«
»Quimbo weiß! Mietje will sein sehr Frau von Quimbo, denn Quimbo bin schön, bin gut und bin groß' und tapfer' Krieger!«
Das waren freilich sehr bedeutende Eigenschaften, die ich leider dahingestellt sein lassen mußte. Ich konnte es nicht über das Herz bringen, den schönen, guten und tapfern Heiratskandidaten aus seiner beglückenden Illusion zu reißen, und ließ daher das Gespräch fallen, indem ich so wacker voranschritt, daß er Mühe hatte, mir zu folgen.
Das Thal verengte sich nach oben immer mehr und endete da, wo der Quell aus der Erde sprang. Bald erreichten wir die Höhe des Thalrandes, über welche sich der nachbarliche Berg noch weit erhob, schritten an dessen Lehne hin und erblickten nach einiger Zeit den Wald, welcher in der jenseitigen Bodensenkung begann und dann mit seinem Grün sich rechts und links ausbreitete, so weit es der von Höhen eingeengte Horizont erkennen ließ.
Während wir so dahinschritten, war es mir, als bemerke ich Spuren, daß vor ganz kurzer Zeit hier jemand gegangen sei. Zwar war kein einziger ausgeprägter Stapfen oder gar eine fortlaufende, deutliche Fährte zu erkennen, aber dem geübten Auge konnten doch einige untrügliche Merkmale nicht entgehen, welche sich hier und da in dem grobkörnigen Sande zeigten. Trotzdem der Betreffende ein Angehöriger der Farm sein konnte, fand ich doch diese Spuren, ohne einen besonders stichhaltigen Grund hiefür zu haben, höchst auffällig. Sie hörten schließlich infolge des felsigen Bodens, welchen wir betraten, ganz auf, und da keine nähere Veranlassung vorlag, unterließ ich es, sie wieder aufzusuchen.
Wir gelangten in den Wald.
Er bestand aus mächtigen Gelb-, Stink-, Eisen- und Assagaiholzbäumen, zwischen deren Stämmen baumartige Farne ihre palmenartigen Wedel emporstreckten. Der Saum wurde gebildet von Rhinocerossträuchern, zwischen denen das lebhafte Grün der Mesembryanthemum-, Oxalis- und Pelargoniumarten hervorleuchtete. Trotz der Dürre und Einförmigkeit des Bodens besitzt das Kapland eine eigentümliche und reiche Flora, welche man auf zwölftausend Arten schätzt. Hat in Gegenden, welche des Wassers nicht ganz und gar entbehren, die Vegetation einmal Wurzel geschlagen, so entwickelt sie infolge des höchst günstigen Klimas bald eine außerordentliche Üppigkeit, welche zu der Öde und Dürftigkeit wasserloser Striche im schärfsten Kontraste steht.
Gleich beim Eintritte in den Wald empfing uns eine Familie von Cercopithecus Erythropyga, eine kleine Paviansart, deren Angehörige die einzigen Quadrumanen des Kaplandes bilden, mit possierlichen Grimassen, welche Quimbo durch lebhaftes Gesichterschneiden erwiderte. Die Keule in der Rechten und den Wurfspeer in der Linken, folgte er mir in einer Weise, als ob er befürchte, daß jeden Augenblick ein Elefant oder Löwe zwischen den Bäumen hervorbrechen und sich auf uns stürzen könne. Leider hatten wir keines von beiden Tieren zu fürchten, da sie von Jahr zu Jahr seltener werden und sich vor den Verfolgungen der Ansiedler ebenso wie das Flußpferd und das Rhinoceros in die nördlicher liegenden Wälder zurückziehen.
Den größten zoologischen Reichtum dieses Waldes schienen die Vögel zu bilden, die in großer Zahl und vielen Arten die Wipfel belebten und sich durch uns nicht im mindesten stören ließen. Es war dies für mich ein Beweis, daß sich nur selten ein menschlicher Fuß hierher verirrte, und wenn dies geschehen war, ihn meist wohl friedliche Absichten herbeigeführt hatten.
Es war mir mehr darum zu thun, mich ordentlich auszugehen, als daß ich eine Absicht auf ein bestimmtes Wild gehabt hätte; dennoch aber hielt ich mich fortwährend schußbereit und ließ mir kein Geräusch entgehen.
So strichen wir bereits eine Stunde lang vorwärts, als ich plötzlich aus nicht zu großer Entfernung einen Schuß vernahm.
»Hör' Mynheer?« fragte Quimbo, mit einer höchst bedenklichen Miene den Zeigefinger erhebend.
Ich lauschte nach der Richtung hin, aus welcher der Schall zu uns gedrungen war. Ein zweiter Schuß ertönte.
»Oh,