Auf fremden Pfaden. Karl May

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Auf fremden Pfaden - Karl May

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niederblickte. Wir suchten dem Flüchtlinge den Weg abzuschneiden, aber es gelang uns nicht; er war aus unserem Auge entschwunden, noch ehe wir den Hügel erreichten.

      »Hier ist die Käja,« meinte Onkel Sätte; »sie führt gerade an der bösesten Stelle empor. Legt die Ski ab! Sie taugen hier nichts mehr.«

      Wir hingen die Schneeschuhe über und stiegen die steile Lehne in die Höhe. Der Schnee lag mehrere Fuß tief, was den Aufstieg sehr beschwerlich machte. Wir gaben uns alle mögliche Mühe, so daß wir unter unserer schweren Kleidung in Schweiß gerieten, kamen aber doch nur langsam vorwärts. Endlich erreichten wir die Kuppe des Hügels, mußten uns aber mit der Spur des Bären begnügen; er selbst hatte einen bedeutenden Vorsprung gewonnen.

      Das Terrain war hier außerordentlich zerrissen. Wir mußten uns zwischen scharfen, halb verschneiten Felstrümmern hindurchwinden, bald rechts, bald links, bald vorwärts, bald wieder zurück. Es war, als habe sich der Bär ein Extrapläsir gemacht, uns recht in die Irre zu führen. Und dabei durften wir die Vorsicht keinen Augenblick außer acht lassen, da es hinter jedem Steine möglich war, auf ihn zu stoßen.

      Endlich erreichten wir eine kleine Erhöhung, wo er sich eine kurze Rast gegönnt hatte. Wir hatten es wirklich mit einem ganz ungewöhnlichen Schlaukopf zu thun. Er hatte sich für diesen erhöhten Standpunkt entschieden, weil er von hier aus unser Nahen bereits von weitem bemerken konnte, und war zugleich so klug gewesen, die ihm gewordene Frist zu einem schnellen Imbiß zu benutzen. Er hatte im allerhöchsten Fall zehn Minuten dazu übrig gehabt, aber während dieser kurzen Zeit war doch das Kalb beinahe ganz verschwunden.

      »Wuoike ... o weh!« rief Vater Pent. »Dieser Partne pahakase hat uns nur die Haut und die Füße übrig gelassen. Hautesn so mon kalkap lapmet ... ich werde ihn zu Tode prügeln!«

      Er schwang das Schaufelende seines Spießes drohend über dem Kopfe und nahm die Spur von neuem auf. Sie führte jetzt in einer steilen Schlucht zum Fjäll empor. Der hohe Schnee war uns außerordentlich hinderlich; wir glitten fast bei jedem Schritte wieder abwärts, und es dauerte eine lange Zeit, ehe wir die Höhe des Waldes erreichten. Es war von Vorteil, daß die Tannen des letzteren sehr licht standen; zahlreiche Felsen lagen zerstreut zwischen den Stämmen; die Spur war deutlich zu sehen.

      Immer einer hinter dem andern, schritten wir lautlos vorwärts. Da, eben als wir auf eine Lichtung treten wollten, blieb Pent, welcher der vorderste war, hinter dem letzten Baume stehen.

      »Was siehest du?« fragte Onkel Sätte laut.

      Ich ging hinter Pent und hatte gerade wie er einen Mann gesehen, welcher links von uns in schnellem Laufe zwischen den Bäumen hervorkam. Als er aber die Stimme des Onkels hörte, eilte er schnell wieder in das Halbdunkel des Waldes zurück.

      »Wer war dies?« fragte ich leise.

      »Ich habe ihn nicht erkannt, Herr.« antwortete der Alte. »Was hat ein Mann zu dieser Zeit hier zu suchen!«

      »Du bist ja wohl der einzige, der in dieser Gegend wohnt?«

      »Ja. Sollte es ein Mann sein, der auf dem Aitoi geht?«

      »Das glaube ich nicht. Er würde uns den Gruß nicht verweigert haben. Er ist geflohen, sein Weg muß also ein Weg des Unrechts sein.«

      »Herr, meinst du dies wirklich?«

      »Ja.«

      »So muß man ihm folgen!«

      Diese Worte waren in einem hastigen, sorgenvollen Tone gesprochen, den ich mir nicht gleich erklären konnte. Darum fragte ich:

      »Denkst du, daß es ein Rentiermörder ist?«

      »Nein, ich denke etwas anderes, Wäljam. Ich muß sehen, wer es ist. Folgt ihr unterdessen dem Bären!«

      »Du darfst nicht allein gehen!« warnte sein Sohn Neete.

      »Was weißt du, Knabe! Geht! Ich brauche keinen Menschen, welcher bei mir bleibt!«

      Diese Worte waren in einem so befehlenden Tone gesprochen, daß wir ihnen ohne Widerrede gehorchten. Es war sicher nicht ohne Gefahr, sich hier im Walde und bei diesem Schnee mit einem Fremden zu befassen, der sich so verdächtig benommen hatte. Er mußte einen ganz besonderen Grund haben, allein zu bleiben, wo eine Begleitung doch so notwendig erschien. Wir ließen ihn gehen und verfolgten die Fährte des Bären weiter. Unsere Anstrengung sollte sehr bald belohnt werden. Die Spur führte bereits in kurzer Zeit nach einem freien Plätzchen, welches von Steingewirr bedeckt war. Hier lag das Tier versteckt, denn als wir den Ort umgingen, fanden wir nicht, daß die Fährte wieder herausführte.

      Die Hunde waren bis jetzt bei uns gewesen, jeder mittels einer Schnur an seinen Herrn gebunden. Nun aber, als wir den Platz umstellt hatten, wurden sie losgelassen. Sie schossen zwischen die Steine hinein und bald vernahm ich neben ihrem wütenden Gebell ein tiefes und unmutiges Brummen. Der Lärm stand einige Zeit lang still und bewegte sich dann nach der mir entgegengesetzten Seite. Der Hund des Lappen benimmt sich, während er dem Wolfe sofort nach der Kehle geht, dem Bären gegenüber vorsichtig; er lockt ihn aus dem Lager, ohne sich selbst in Gefahr zu begeben, und so war auch heute nicht zu hören, daß einer unserer Hunde einen Schlag erhielt. Dagegen aber fiel sehr bald darauf ein Schuß und gleich darauf ein zweiter. Dann erhob sich von seiten der Meute ein triumphierendes Geheul, dem man sofort anmerkte, daß der Bär erlegt worden sei.

      »Neete, ist er tot?« rief Anda, welcher rechts von mir postiert worden war, über die Lichtung hinüber.

      »Mije lepe winsam ... wir haben gesiegt!« antwortete der Gefragte herüber. »Wiesodake le tarfok ... der Bär ist tot. Kommt zu uns, Kratnatjeh!«

      Wir eilten dem Rufenden zu; der Bär lag leblos am Boden. Der junge Neete hatte ihn bis auf zwei Schritte auf sich herankommen lassen, ihm dann den Lauf seines Doppelgewehres in den geöffneten Rachen gesteckt und zweimal losgedrückt.

      »Er hat es gewußt, daß das Kalb mir gehört, welches er gefressen hat,« meinte er sehr gleichmütig, »und darum ist er zu mir gekommen, um sich von mir töten zu lassen.«

      Bei den Lappen hat nämlich jedes Familienglied seine eignen Tiere bei der Herde, und für diese auch sein eignes, bestimmtes Zeichen. Bereits bei der Geburt schenkt der Vater dem Kinde ein Rentier; bei der Taufe erhält es ein zweites; wer den ersten Zahn bei ihm entdeckt, muß ihm ein drittes schenken. Auch das Gesinde erhält seinen Lohn und seine Extrageschenke in Rentieren, weshalb ein Knecht, der eine Magd heiratet und seine Tiere mit den ihrigen vereinigt, sehr leicht eine Herde zusammenbringt, die ihn zum selbständigen Manne macht. Daher giebt es eine eigentliche Armut bei den Lappen nicht, außer wenn einer durch die Seuche oder einen schneelosen Frost seine Herde verliert. In diesem letzteren Falle können die Tiere das Moos, welches ihre Winternahrung bildet, nicht von dem harten Eise befreien und müssen vor Hunger und Elend zu Grunde gehen.

      »Sotn le änak ... es ist ein Männchen,« sagte der Onkel. »Zieht ihm das Fell ab, und schneidet ihn in Stücke, damit wir ihn leichter tragen können. Rupmaha le mijit, katjeh mije wattepe ... der Leib gehört uns, die Tatzen geben – –«

      Er hielt mitten im Satze inne; meine Anwesenheit schien ihn an der Vollendung seiner Rede zu verhindern. Ich ahnte den Grund davon. Die Lappen sind zum großen Teile Christen, haben aber aus ihrer heidnischen Vorzeit noch viele Gebräuche mit herübergenommen, an denen sie zähe festhalten, obgleich sie dies dem Fremden gegenüber nur höchst ungern merken lassen. Vielleicht sollten die Bärentatzen dem Thiermes, einer ihrer früheren Gottheiten, geweiht werden, dessen Bilde, einem roh zubehauenen

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