Unter den Bäumen des Himmels. Ludwig Wolf
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Josef sagte: „Das ist sehr schade. Sollten sich die Dinge wieder besser entwickeln, dann denken Sie bitte an mich.“
Es war erstaunlich, wie viele Gedanken einem in einer so kurzen Zeit der Redepause durch den Kopf schießen konnten.
Avanzotti nickte.
Und Josef verließ das Büro.
(1)
„Guten Morgen.“
„Guten Morgen.“
„Gehen wir es wieder einmal an?“
„Scheiss Wetter.“
„Ja.“
„Ist normal.“
„So ist es wenigstens nicht um die Zeit schade.“
„Das nicht.“
„Ja, klar.“
„Ist ja schon das ganze Monat schon so beschissen.“
„Ja.“
2. Freizeit ist Freiheit?
Spüren
Der Lawinenstrich war bretthart. Der harte Harsch in sich verschmolzener Eis- und Schneekristalle bot überhaupt keinen Halt, das Gelände war ein einziger Abgrund, hunderte Meter tief, ein Gefälle dessen Prozentwert man sich gar nicht vorstellen mochte. Er zog den bereits gesetzten Fuß vorsichtig wieder zurück, schaute nach oben. Dort sah es etwas besser aus. Er kletterte ein Stück weit nach oben um festzustellen, dass es hier gleich eisig war, er also höchstens noch tiefer fiel, wenn er ausrutschen sollte. Und das würde er ohne Zweifel. Es war verdammt gefährlich. Kein Eispickel dabei, die Sohlen der Bergschuhe von den niederen Temperaturen hart und so glatt wie Plastik. Er überlegte, ob es Sinn machte, das Taschenmesser aufzuklappen, um es notfalls ins Eis stechen zu können, verwarf die Idee aber wieder. Er erinnerte sich, das schon einmal im Bruchharsch gemacht zu haben. Es hatte damals zwar funktioniert, um ein Haar wäre die Klinge aber umgeklappt und hätte ihm die Finger gekappt. Leicht vorzustellen war, was passieren würde, wenn die Klinge im Absturztempo an den Gelenken einklappte. Schließlich war sie gut geschärft. Die Fingerglieder würden munter nach unten hüpfen, und er, Josef, gleich munter hinterher rutschen. Es mochte zwar recht lustig aussehen, wenn frisch abgeschnittene Fingerglieder fröhlich über den glitzernden Bruchharsch hüpften und ihr Eigner fruchtlos fuchtelnd hinterherrodelte; - für allfällige Zuseher und; - allenfalls. Für Josef selbst war der Bedarf an solch zweifelhafter Survivalchirurgie eindeutig nicht gegeben.
Etwas weiter unterhalb waren ein Grasbüschel und ein einzelner Stein im Eis auszumachen. Der war sicher so angefroren, dass er hielt. Musste es sein. Vorsichtig, fast liegend brachte er den rechten Fuß zum Grasbüschel, um in leichter Grätsche draufzukommen, dass er auf diese Weise den linken Fuß nicht nachsetzen konnte. Shit! Das Ganze wurde immer mehr zu einem seidenen Faden, an dem er zwischen Himmel und Erde hing. Wenn er an dem Faden nach unten zur Erde hin abstürzte, würde ihn derselbe Faden anschließend unverzüglich himmelwärts befördern. Flott himmelwärts befördern. Ins Blau schießen. Auf Nimmerwiedersehen. Ein JoJo ohne Effekt quasi, aber einer mit One Way Ticket. No way back. Mehr zur Beruhigung hielt er sich an einem Harschbrocken fest und zog den rechten Fuß wieder zurück, kauerte überlegend eine Weile neben der Rutschbahn. Zurückgehen, die geplante Tour aufgeben? Wäre vernünftig, vielleicht das einzig Richtige, aber nun mal gar nicht sein Ding. Er war es gewohnt, einmal angefangene Dinge auch durchzuziehen. Auch wenn es hart wurde. Ein bisschen Adrenalin von Zeit zu Zeit konnte nicht schaden. Fand er immer schon. Das gab ihm den Kick, den sein Motor zum Weiterlaufen brauchte. Lieber was riskieren als sein Lebtag lang diese blöde Autoplay-Schiene zu fahren, in der alles brav abgesichert war, ganz nach dem Motto: „Birth, school, work, death.“ Welch Meister, welch Werk, welch Punk, welch epigonales Punkmeisterwerk! Mehr war dazu nicht zu sagen. Das traf´s auf den Punkt. Vorher noch Pension und Zusatz einzahlen und am besten noch vor der Lukrierung beider Töpfe abtreten. Für die Gesellschaft, für das Volkswohl, oder für sonst irgendeinen Arsch. Schläft einem nicht nur das Gesicht ein dabei. Nein auch der Arsch. Und der Schwanz sowieso. Sich den in der Rente immer noch von derselben Frau verwöhnen zu lassen, sich auf der sicheren Seite wie ein Wuchtelteig zu fühlen, ein klassischer Hefeteig, der zwar schon ordentlich durchgearbeitet wurde, aber doch einiges an Zeit brauchte, um auch wirklich anständig aufzugehen. Dafür konnte er aber auch um die Zeit wieder schneller zusammenfallen. Ähnlich wie der Börsenkurs angesagter Aktien. Erst ein hübsches stetes Ansteigen, ein Peak, eine wunderbare Spitze, und dann, zack! ein Abfall, senkrecht wie die Eiger-Nordwand. Also war eine traurig weiche, wenngleich noch leidlich geschmeidige Nudel alles an Gewinn, was einem die Rente per Hacklerregelung einbrachte, man also Polizist oder irgendein anderer Sesselfurzer war, sich alles richten konnte. Per Blasrohr oder Mausarm. Richtige Schwerarbeiter waren hierzulande immer noch beamtet. Schwer beamtet. Dauernd musste irgendein Formular ausgefüllt werden, Kästchen richtig angekreuzt, Namen richtig geschrieben, Daten penibel eingetragen werden, vor allem Gebühren auf Heller und Pfennig, Schilling und Groschen, neuerdings auf Euro und Cent eingetragen werden. Das kostete Nerven, machte aus einem Maus- schon mal schnell einen Tennisarm. Was hatten Bau- und Straßenarbeiter, Eisengießer und Industriearbeiter denn schon für eine Ahnung davon? Oder deren Frauen, die an Supermarktkassen ständig denselben Semmel in die Warenmulde schupften? Rein gar keine. Von berufswegen gut abgehärtet, brauchten sie den ganzen Tag nicht nachzudenken, weil die Arbeit eh immer die gleiche war und einen dazu noch körperlich kräftigte. Solcherart sparten sie sich die Kosten fürs Fitnesscenter also auch noch. Wahrlich himmelschreiend. Und da noch Extrawürste bei der Pension? Wo kämen der Staat und sein Politiker da hin? Woher sollte man das Geld für die Frühpension nehmen, so man sich als Minister erst einmal den Kopf kaputtgedacht hatte? Sowas war irreparabel. So ein schön kaputtgedachter Ministerschädel. Eine Büste der Tragik, quasi. Ein Elend. Woher das Geld für die Bonitätszahlungen für den Bankmanager in der Nachbarsvilla nehmen? Sollte der auf seine alten Tage etwa noch auf Knäckebrot umsteigen? Nein hier galt für´s ungelernte Volk immer noch g´sund sterben ist besser als krank feiern. Ist auch viel moralischer. Und viel besser für´s Gewissen. Was dachte man, wie schwer es war als Banker, wenn man erst ein paar Millionen verschleudert und verschoben hatte bis die Kredite quasi faulten, auch noch fünf davon als Abfindung kassiert zu haben? Die fünf Millionen, die noch nicht zu Kompost geworden waren natürlich. Die obenauf. Die waren immer schön im Trockenen gestanden die Scheine, wie es sich gehörte. Da hatte es immer vorbeigeregnet. Ganz wundersam war das gewesen. Ein verdammt unsanftes Ruhekissen, auf dem kaum Schlaf zu finden war, war so etwas, so ein Millionenpolster, der nicht nass geworden war. Nur das Geld der Kunden, das hatte es immer ordentlich angeschifft. Da wuchs nicht einmal mehr Salat drauf. Das reinste Papiermaché war es geworden. Aber auch nur das Geld von den anderen verquoll in wertlosen Papierbrei. Von denen das, das eigene, das des Bankers, das nicht.
Und auch als Ex-, Vor-, Aktuell- oder Nach-Noch-Bundeskanzler in Frührente ruhig schlafen zu können, nachdem man den Arbeitslosen ihren Nichtstuerobolus endlich auf ein volkswirtschaftlich vertretbares Niveau hinuntergeschraubt hatte; - „eh, ätsch ihr faulen Säcke! Für Kartoffeln reicht´s ja noch!“ - ; nun das war auch alles andere als einfach. Da nützte auch die beste Foie Gras de Canard in Portwein, ganz langsam geschmurgelt, als Betthupferl nichts mehr. Mit und ohne Birne. Da musste der bestens bekannte Neurologe doch noch ein leichtes Sedativerl dazuverschreiben, nicht? Dann ging´s wieder bestens. Das mit dem Heia Heia machen.
Okay. Die Fragestellung hier, abseits aller Abschweifung,