Unter den Bäumen des Himmels. Ludwig Wolf

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Unter den Bäumen des Himmels - Ludwig Wolf

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zur übrigen Halle war abgegrenzt mit goldglänzenden Messingsäulen, zwischen denen ein dickes rotes Hanfseil aufgefädelt war, über das sich eben eine ältere versnobt wirkende Dame lehnte, ihre Zigarettenasche in den Aschenbecher auf dem Cafehaustisch fallen ließ. Der Kellner kommentierte dies mit den nonchalanten Worten, „Dangge fiar´s oaschen, gnä´ Frau.“ (19), nahm den beschmutzen Ascher mit und kam zu Josef, um seine Bestellung aufzunehmen. Der bestellte ein Weizenbier.

      „Mit Zitrone der Herr?“

      „Bitte.“

      „Kommt sofort der Herr.“

      Das tat es auch wirklich. Es war ein klares Weizen und die Zitronenscheibe gab ihm noch geschmacklich wie frischemäßig einen Extrapfiff. Schmeckte hervorragend und erinnerte Josef, während er die vorbeiströmende Menschenmenge beobachtete, die sich, unterwegs in gegensätzlichen Richtungen, nicht nur ver- sondern sich ineinander mischte; die einen flogen ab, die anderen waren gelandet; die versnobte Dame, die mit der linken auf den Halter ihres Trollys aufgestützt, ihre Goldkettchen darauf klimpern ließ, ungeniert einen weiteren Aschenbecher für ihre kalte Asche benutzte; all das ließ die Bilder einer wirkliche Situation hochkommen, die er im vorigen Sommer in der Hauptstadt erlebt hatte. Es war in etwa um zwei Uhr nachmittags gewesen, im letzten Jahr als er an einer schon sehr nach Altwiener Beisl aussehenden Location ein Weizenbier ordernd, ein helles Weizenbier, dann ein scheissnormales Ottakringer kredenzt bekommen hatte, noch dazu um volle drei fünfzig. Euro, nicht Schilling. In Schilling wär´s eindeutig zuwenig gewesen. In Euro war es aber eindeutig zuviel. Erst recht wenn man den Betrag wieder in Schillinge umrechnete. Achtundvierzigundsechzehn. Das konnte gar nicht mehr schmecken und das an sich war schon ein starkes Stück gewesen. Dann aber auch noch keine Chance zur Reklamation zu haben, weil der Wirt alles andere als ein Wiener war, das konnte einen geradezu dazu nötigen die verdammte Pisse auszusaufen. Musste es. Widriger Umstände halber. Oder das Ganze um drei fünfzig in den Rinnstein zu schütten, wo es eigentlich hingehörte. Die palästinensische Schläferzelle am Nebentisch hielt ihn aber davon ab. Die fuhrwerkten an ihrem Laptop herum, dass sogar Arnold in True Lies blasser als blass geworden wäre. Und Jamie Lee damit. Wow! Was für ein Film! Immer noch in jeder Einstellung vorhanden. Szenisch. Im Hirnkastel. Ein Meisterwerk des gediegenen Trashs. Perfecto! Die wahrscheinlich zurzeit kürzeste Japanerin kam an seinem Tisch vorbei, forschen Schrittes, einem, wahrscheinlich ihrem, Japaner folgend, der mit hektisch schaukelnder Krawatte so heftig ausschritt, dass man meinte, er wäre kaserniert. Okinawa, oder so. Müßig zu erwähnen, dass Krawatte wie Anzug schwarz, das Hemd hingegen weiß war, blütenweiß, ohne jeden Makel. In Japan verlief ja sogar die ganze Kirschblüte makellos, ohne jeden kleinsten braunen Fleck. Kein Wunder. In Japan fiel kein Blütenblatt zu früh oder zu spät aus den Kronen der Bäume, keines war zu rosa angehaucht oder zuwenig weiß. Ein wahrhaft schönes Schneien, ein weiches, dickes, unschuldiges Zudecken, etwas, das man hierzulande nur zu gerne hätte, ein schönes Schneien ohne groben Temperaturabfall für volle Kassen. Etwas wie die beschaulich meditative Kirschblüte konnte aber nur in der schlichten Perfektion und Tradition des japanischen Volkes gelingen. Einem Volk, das die Selbsttötung zum in höchstem Maße ehrenvollen Ritual stilisieren konnte. Wo spritzend rote Blutfontänen zu wunderbar geschwungenen Kalligraphien, zu letzten Haikus wurden. Zu wahren Erkenntnissen. Kein Tropfen Blut zuviel und keiner falsch gesetzt.

      Die Schläferzelle erging sich gerade in bestem Arabisch, von dem Josef kein Wort verstand. Jedoch vermochte er schon eine gewisse Ungeduld aus den gebellten Worten heraus zu hören.

      Hierzulande, also nicht in Japan, blieb einem nur der bröselige Ersatzschnee aus kalten Schneekanonen, der bald braun verspurt war, dachte er. Das lag an den klingelnden Kassen, deren Geldladen, unaufhörlich aufschnappend, nach Füllung bettelten, um sich in einem Fort zu mästen.

      Der wahrscheinlich größte Norweger, der momentan auf Erden wandelte, zog an Josef vorbei - wie ein Elch in den besten Jahren. Erkennbar war er sehr leicht am Norwegerpullover, dem zerzausten Bart, der ebenfalls zerzausten Frisur und den leicht wässrigen Augen unter den enorm dichten Augenbrauen, denen an Länge zum Zerzausen auch nicht mehr viel fehlte. Der Bast hing ihm in blutigen Fetzen von den Schaufeln. Bellend röhrte er eine Heiligenstatue an, die ruhig von einem Dachfirst aus nach unten auf ihn blickte. Er schüttelte den Kopf was einige Bastfetzen davonfliegen ließ. Beinahe meinte man, er würde jeden Moment seinen mächtigen Elchpenis ausschachten, die Gebirge faltiger Vorhaut zu entfalten um all seine Pheromone in den Wind zu setzen. So konnte er seinen Talgdrüsen die Arbeit überlassen, die Luft mit seiner übermächtigen Geilheit zu schwängern, um alle Weibchen in der Umgebung mit aufgeblähten Nüstern in die geilste Stimmung zu versetzen, die sie bislang gekannt hatten. Übermächtig, willenlos hinrasend die stärksten und dicksten Schwänze erwartend, um sie in ihren Lusthöhlen zu vergraben und sie auszusaugen bis auf den letzen Tropfen. Die nächstbeste Frau wollte er solcherart in höchster egoistischer Brunft einfach bespringen, ihr seinen zügellosen Herren tiefer als jemals zuvor in die Vulva zu treiben, am Kelch ihrer Lust zu reiben bis er eimerweise Sperma in sie vergoss, alles das, bevor er röhrend und allein um die nächste Ecke, und endlich, in einem gesuchten Antiquariat verschwand, das Bestiarium eines alten Meisters zu finden. Genauer gesagt, das Bestiarium des Abdul Alhazred, jenes verrückten Arabers, der auch das berühmt berüchtigte Necronomicon geschrieben hatte, das Buch des Teufels und seiner höllischen Heerscharen. Ein gleich monströses wie gefährliches Werk, das jeden seiner Leser früher oder später in den Wahnsinn oder in noch schlimmeres trieb. Alhazreds Bestiarium war ein milderer Ableger, ein Buch, das die Dämonen und andere Wesen aus noch unentdeckten und unerforschten Teilen der Wüste illustrierte. Es zeigte ihre schrecklichen Körper, wenn sie sich manifestierten und beschrieb ihre abscheulichen Gewohnheiten bis hin zu ihrer bevorzugten Nahrung, die meist aus menschlichen Organen und Fleisch bestand. Ein Buch, das nur die grauenvolle Oberfläche zeigte, scheinbar aber keinerlei Magie besaß. Sofern man nicht durch Zufall oder allzu große Neugier einen Schritt zu weit ging. Dann gab es auch hier kein Zurück mehr.

      Die sichtlich genervte Kellnerin stieß indes zur Schläferzelle, meinte Annie Lennox wär doch was. Josef war inzwischen völlig klar, warum der Wirt Araber war; ebenso wie ihm klar war, dass sie sich tatsächlich immer so einfach verrieten wie im Film. Er meinte blöder als wie bloß ein falsches Bier zu servieren, konnte es wohl nicht laufen. Und schon war dem Wirt die ganze Aufmerksamkeit dieses einen, zufällig hereingeschneiten Gastes sicher. Und am Ende war ausgerechnet der Gast von der Staatssicherheit. Die fanden ihre Körner ja zumeist auch nur zufällig wie die blinden Hühner. Selbe Arbeitsweise. Pick, pick. Scharr, scharr. Aber jetzt Annie Lennox? Warum nicht RuPaul? Oder Donna Summer? Zu plakativ? Zuwenig musikalisch?

      „Entschuidigst, i muas oabeitn a no, i muas orechnan, die Hearn.“ (20)

      Sichtlich genervt sauste die Kellnerin wieder in die Gaststube, die beiden von der Schläferzelle sahen sich an wie zwei Schafe und meckerten sich auf Arabisch an.

      Langsam fragte Josef sich, ob er hier wirklich sicher saß, oder ob das Plastik schon unter der Jacke des einen auf ihn wartete. Eine Explosion in Kürze seinen Leib in herumfliegende Fleischfetzen und Innereien verwandeln würde, die an Wände, Pflastersteine und Gastgartenmöbel klatschen würden. Sein Geschlecht in einen Teller herrlich duftenden Salonbeuschels mit Serviettenknödel patschen würde. Die Dame dahinter würde soßenbeschmiert aufkreischen, während Josefs harte Knochenteile die Fensterscheiben der Cafes in der näheren Umgebung wie Geschosse zerschlagen würden, Emailbehältnisse von Einspännern, Melangen und kleinen Braunen zersplittern und Passanten lebensgefährlich treffen würden. Das Stakkato einzelner Zähne aus seinem weggesprengten Mund grübe sich wie eine dentine Maschinengewehrsalve in die Brust einer dunkelhaarig gut gelaunten Kellnerin, perforierte hellrote Löcher in ihre frisch blütenweiß sauber gestickte Servierschürze, was ihren Gesichtsausdruck überrascht wirken lassen würde, ehe sie in sich zusammensänke. Ein tödliches Zahnstakkato.

      Indes zog ein Engländer, ausgestattet mit dem Kopf einer vollreifen Pelati, einer sonnengereiften San Marzano, wirklich zum Platzen reif, mit seiner Frau, wahrscheinlich Frau, vorbei,

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