Unter den Bäumen des Himmels. Ludwig Wolf

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Unter den Bäumen des Himmels - Ludwig Wolf

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beanspruchten Synthetiksocken mit einem Spritzer Fischsoße krass entgegen. Dem traute Josef nicht. Das gleubte er nicht wirklich. Warum hatte er die Jackfruit nicht gleich gekauft? Gleich, wie er sie gesehen hatte? Ach ja, der durchgeknallte Typ hatte abgelenkt. Ordentlich. Durian, Durian, nichts als Durian. Josef ging den Stand systematisch durch, umrundete ihn dabei mehrmals und kam frustriert auch wieder mehrmals am Ausgangspunkt an. Er gab auf.

      „Excuse me. Do you have Jackfruit too?“

      Wortlos griff die Verkäuferin aus dem Stapel, direkt vor ihm, ein farbenfroh gelb grünmetallen schimmerndes Ding mit dem Bild einer dicken Jackfrucht drauf.

      „Hundredfive Baht“, tat sie emotionslos kund. Konsterniert betrachtete Josef die achtzig Gramm cholesterinfreies Nettogewicht. Tatsächlich stand auch Jackfruit groß darauf. Aber darüber, da stand Durio. Das war aber nur die Herstellerfirma. Die verkaufsfördernd schick gestapelten Schachteln verdeckten aber die Front zu zwei Dritteln. Auf Augenhöhe konnte man so nur mehr Durio und darunter Dried lesen. Der Rest, in dem Fall die Hauptsache für einen Fremden, einen frischen Farang auf gut thailändisch, war verdeckt. Josef nahm sich vor nächstesmal eher zu fragen, zahlte und packte die Schachtel umständlich in seinen Rucksack. Er fuhr mit der Rolltreppe eine Etage tiefer und folgte den Hinweisen zum Gate C vier. Das Gate war relativ schnell erreicht, das Overhead-Display informierte über den Flug Nummer PG neunhundertsechs nach Koh Samui USM mit der Boarding Time um vierzehn fünfundfünfzig. Abflug fünfzehn fünfundreißig. Ankunft sechzehn vierzig. Bangkok Air. Verspätung durfte es keine geben. Josef wollte die letzte Fähre nach Koh Pah Ngan gleich im Anschluss an den Flug erreichen. Die fuhr um siebzehn dreißig ab und brachte ihn für dreihundert THB in zwanzig Minuten nach Koh Pah Ngan. Das Ticket war reserviert, der Transfer auch, es sollte also nichts schief gehen. Im Moment war noch Zeit genug.

      Die Entertainmentwelle am BKK schien nicht mehr zu bremsen zu sein. An jeder Ecke beim Gate C vier, und mit Sicherheit auch bei allen anderen Gates, hing ein Samsung Flachbild, leicht über Kopfhöhe, und bot ein schlechtes Bild und sich überlagernde Töne. Dazwischen gab’s auch ein paar LG Schirme in derselben Qualität. Damit man das Bild halbwegs scharf und frei von Bewegungsunschärfen sehen konnte, musste man gehörigen Abstand nehmen, und dort redete einem dann der nächste Fernseher quasi ins Bild. Das gab dann also Jay Leno und eine blonde Tussi across the Survival Man vom Discoverychannel, der zeigte, wie man Cocosnüsse schält und knackt, ganz superschlau.

      „Uh!“ Die Tussi gab sich gerade wasserstoffblond, und der Überlebensexperte drosch synchron mit einer abmontierten Schiffsschraube auf die Cocosnuss ein.

      „Kreisch!“

      Josef musste etwas Unschärfe in Kauf nehmen, näher an den Tropenexperten ran, diese überspannte Millionärszicke im Ohr war nicht auszuhalten. Die lachte demnächst noch über den eigenen kleinen Zeh, der schief aus den pinkfarbenen Manolo Blahnik Knotted Slingback Sandals stak. „Ups! Whats going up down there? Tic tac toe? Ooeee Jay!“

      Josef wünschte ihr ein paar kräftige Besenreißer an die schlanken Fesseln. Mister Survive hatte inzwischen die Nuss geknackt, nicht sehr schön, aber doch gekonnt, und sich mit Cocoswasser angepatzt. „As matters stand, no problem. Anyway, we had to go for some sunblocker now.“ Er mantschte mit seinen Fingern in der Cocosnusshälfte herum und schmierte sich mit der oberflächlichen Pulpe das Gesicht ein. Ein paar dicke weiße Klumpen darin erweckten den Eindruck, als ob ihm gerade jemand die volle Ladung ins Gesicht gespritzt hätte. „It´s very effective.“ Das Manolo Girl kreischte gerade wieder besonders begeistert im Hintergrund. Zweifellos ein Survival Porno. Get fucked by a coconut. Ob der Typ selber wusste, wie er gerade aussah? Wahrscheinlich nicht. Unverzagt ging er daran, das restliche Mark aus der Cocosnuss zu kratzen und zu essen. Josef faszinierte es immer wieder, wie lange die Akkus der Cams bei derartigen, quasi echten Dokus eigentlich hielten. Praktisch ewig. Dafür wurde alles andere zum Problem. Vom Sonnenhut bis zur Menüfolge aus rohen Muscheln und unter konkaven Glasscherben gerösteten Riesenmaden. Das Leben ging schon seltsame Wege. Und das Gate ging auf, die Boardingtime war angebrochen. Josef sah schnell auf die Uhr. Vierzehn fünfzig. Überpünktlich. Das sah gut aus. Josef ließ sich in die Menschenschlange und von dieser in die Maschine schleusen. Pünktlich um fünfzehn fünfunddreißig hob sie ab, in Richtung Koh Samui. Der Flug war praktisch ein Start und ein Landeanflug mit einem Snack und zwei schnellen Bierdosen dazwischen. Die Gepäckausgabe fraß mit stoischer Ruhe wichtige Zeit weg, Josef schien die schwarzen Plastikfahnen am Anfang des Förderbands eine halbe Ewigkeit angestarrt zu haben, bis endlich ein Koffer hereinrutschte, das Förderband überhaupt erst in Bewegung setzte. Während Josef auf die Zeiger seiner Uhr starrte, kam dann natürlich eine Menge an Gepäckstücken zum Vorschein, nur nicht sein blauer Tramperrucksack. Ein Liebespaar, das offenbar alle Zeit der Welt hatte, weil es sich immer wieder selbstvergessen abknutschte, klaubte sich entspannt seine Rucksäcke vom Band, während Josef immer nervöser wurde. Er musste den Transferbus rechtzeitig erreichen, die Strecke auf der Einundvierzigsechsundneunzig war noch zwölf Komma sieben Kilometer lang, grob gesagt musste er von Bo Phut nach Mae Nam, was sich eben in zwölf Komma sieben Kilometern niederschlug. Und die Fähre um siebzehn Uhr dreißig war die letzte nach Koh Pah Ngan. Wenn er sie nicht erwischte, hieß es auf Zimmersuche zu gehen. Und das bedeutete, eine Nacht ungewollt für gutes Geld zu verschlafen. Das Pärchen schlenderte hinaus. Ein unsägliches Ding von Hartschalentrolley holperte aufs Gepäckband. Josef wartete. Es war bereits fünf. Sollte der sehr unerwünschte aber doch nicht unhäufige Fall eingetreten sein? Das Gepäck irgendwo, nur nicht hier? Es wurde von Wien aus durchgecheckt. Irgendwo in den Gedärmen vom BKK hängen geblieben? An einer einzigen blöden Schnalle, einem unvorsichtigen Gurt? Dann So long good time. Hello sad time. Endlich kam der Rucksack an. Zur Sicherheit noch ein schneller Blick auf das Namensschild, dann jagte Josef zum Ausgang. Der Transferbus stand noch da, den Fahrer beeindruckte Josefs Eile nicht.

      „Booking sheet?“

      Natürlich. Josef suchte hektisch in seinen Papieren herum, sah die Fähre schon auf Nimmerwiedersehen davonbrausen.

      „Hier, ah, here. Okay? Please.“

      Es war okay. Der Thai stopfte den Rucksack hinten rein und Josef in die Mitte des Busses. Das verliebte Pärchen von vorhin saß bereits, daneben ein fülliger Herr, der ziemlich amerikanisch aussah. Er trug eines dieser Hawaihemden, die knallrot weiße Version mit diesen ornamental übergroßen Hibiskusblüten drin und einen Strohhut auf dem Kopf. Der Bus fuhr los. Josef atmete auf. Zehn nach fünf. Blieben noch genau zwanzig Minuten. Das war nur bei wenig Verkehr zu schaffen, und danach sah es nicht gerade aus. Ein Laster, der Holzverschlag randvoll mit Durians, dieselte an ihnen vorbei, jede Menge Vespas schwirrten wie die Bienen um ihn rum. Vor ihnen Limousinen und Pickups, kleine Autos schien man hier nicht zu schätzen. Der Kleinbus musste anhalten. Die Hitze ließ die Auspuffgase an den Hecks der Autos flimmern. Ein schwüles Wabern von dünnen, schwarzen Rändern umflort. Josef bemerkte erst jetzt, dass er klatschnass vom eigenen Schweiß war. Und noch etwas bemerkte er. Ein kräftiges Krabbeln am Rücken. Unter dem T-Shirt, knapp über dem Hosenbund bewegte sich etwas sehr bestimmt und heftig. Er erschrak und fasste nach hinten. Eigentlich dumm, weil jedes Insekt dann sofort zustechen würde. Sobald man es bedrängte. Josef hatte Glück. Es war ein sehr großer Käfer, der sich entschlossen mit den Widerhaken seiner schwarzglänzenden Beine an Josefs Haut festhielt. Ein kräftiger Bursche, der wild mit den Beinen ruderte, nachdem ihn Josef von seiner Haut abgelöst hatte. Er sah ganz hübsch aus, länglich oval gestreckt mit braun orange glänzenden Deckflügeln und blauschwarzem Bauch. Die schwarzen langen Fühler pendelten auf und ab. Der Käfer schaffte es sich aus Josefs Griff zu befreien und fiel auf die Gummimatte. Das Hawaihemd packte den Krabbler und beförderte ihn nach draußen, kurz bevor der Bus wieder losfuhr. Hoffentlich überlebte der Käfer diese Behandlung, geriet nicht unter die Räder. Nach mehreren Stop and Goes kam der Bus dann doch noch in ein gleichmäßiges Tempo und sie erreichten den Pier gerade noch, wurden in beispielloser Hektik durchgeschleust und auf den Catamaran gepfercht. Die Fähre war mit Menschen total angefüllt, ein Berg von Rucksäcken der Passagiere nach Koh Tao stapelte sich unter Deck, ein weiterer

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