Unter den Bäumen des Himmels. Ludwig Wolf

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Unter den Bäumen des Himmels - Ludwig Wolf

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was für eine Verheißung, Versuchung, was für ein Alles! Die ultimative Party, das Paradies für den professionellen Partygeher, passionierten Ausgeher, den nächtlich geprüften Umgeher. Die bittersüße Defloration des unerfahrenen Night Life Eleven. Und des Wüstlings letzter Traum.

      Hat Rin war der Himmel auf Erden, das Non plus ultra, die Materie gewordene Versprechung süßen Honigmonds, ein schwärmerisch verzücktes Füllhorn des Entzückens. Musste es sein. Die Amplitude des Ichs. Full Moon am Hat Rin, mehr ging nicht auf diesem Planeten. Hier traf sich die Euphorie mit dem emphatischen Blimpen der Nervenzellen, trieb einen der Sound in entrückten Taumel, plätteten einem die Blüten der Erde das Gehirn so flach wie eine Mosesflunder am Grund des Meeres es nur sein konnte. Bäng!

      Afro, Techno, House, Drum and Bass. Yeah, Mr. DJ, give it to me! Beat it! R and B? Vergiss R and B! Was ist denn das überhaupt? Wer legt denn sowas auf? DJ Piffi in der Landdisco? DJ Becks auf Mallorca? Doktor Lambrusco in der römischen Arena von Parma? Die Sterne explodierten wie Raketen am Firmament, oder war es umgekehrt? Reife Cocosnüsse donnerten in einer arithmetisch seltsam gerade austarierten Reihe in den Sand. Mitten durch die Partymeile ließen sie den Korallenstaub aufspritzen wie die Taliban-Artilleriegranaten den Buddhas in Afghanistan die steinerne Haut spritzend von den Gesichtern gefetzt hatten. Ganz Bamiyan trauert noch immer um sie. Und um ihren Frieden. Wie er. Wie Josef. Gramgebeugt der menschlichen Dummheit gleich global wie wütend ohnmächtig gegenüberstehend. Dynamit gab den Buddhakörpern den schmählichen Rest, verteilte jedoch ihre Wesenheit über das ganze Tal. Und alle Lebewesen atmeten sie ein. Bis hin zu den Pflanzen.

      Do the funky chicken! Shake it! Zehntausend im Partyrausch, fünfhundert Bullen auf Drogenjagd. Buckets, Dope, Acid, Coke und Exstasy, was gab es hier nicht, wer war hier nicht auf irgendwas drauf, surfte sich in sein eigenes Nirvana? Nur die Junkies waren nicht hier. Schläfrig kratzten sie sich in ihren Absteigen die juckenden Venen auf. Glücklich dämlich grinsend. Feucht. Beinah so wie eine missverstandene heilige Kuh.

      Hinter einer dicht gewachsenen, mehrstammigen Schraubenpalme, zwischen zwei nackten Beinen, hob sich ein nackter Hintern in die Höhe um gleich darauf wieder niederzugehen. Rauf und wieder runter, in einem weichen, einem sehr langsamen Rhythmus. Da trieben es zwei ganz in sich vertieft. So wie es sich gehörte. Mit Hingabe. Man konnte es nur sehen, man konnte es nicht hören, obwohl man praktisch direkt daneben stand. Die Musik war zu laut, sie überlagerte alles. Auch alles an Lustgeräuschen. Die beiden Leiber lagen halb im Schatten der Schraubenpalme. Der schwarze Fleck bedeckte ihre Köpfe und Oberkörper. Es war also durchaus möglich, dass sie Josef geradewegs ansah während sie von diesem Typen gefickt wurde. Das spitzte sie nur noch mehr an. Man sah es nur nicht. Sah nur seinen Hintern und ihre Beine. Sah hin. Musste hinsehen. Sah die Füße wie sie im Sand scharrten. Wurde selber immer spitzer dabei. Spürte etwas warm prickelndes in sich aufsteigen, konnte den Blick nicht von dem bleichen Hintern wenden, der zwischen seinen langsamen weichen jetzt auch schnellere und härtere Stöße nach unten zu führen begann, sich schließlich in den spitzen Winkel aus Frauenschenkeln hineinkrampfte und die Backen orgiastisch anspannte um sie gleich anschließend zufrieden erschlaffen zu lassen. Man meinte, nun doch ein Stöhnen vernommen zu haben, ein finales, ein ganz kleines letales, ein petit-mort-stöhnen musste es gegeben haben, am Höhepunkt hier mitten im großen Soundgewaber, und man spürte die sich stärker aufbauende Spannung im Schritt, den Hosenstoff der den Schwanz unten hielt, entfernte sich ein Stück weit den Strand hinunter um nicht noch mehr angeregt zu werden. Bei dieser Gelegenheit konnte man sich auch gleich erleichtern. Ein Stück ins Meer hinauswandern, eine Lücke in der langen Reihe von Pissern zu finden und es ihnen gleich zu tun. Mit ihnen gemeinsam all die getrunkenen Elephanten- und Drachenbiere abzulassen, dem Meer zu überantworten. Nachdem man das schwerer gewordene Glied unbeschwert hervorgeholt hatte und gerade damit begonnen hatte einen kräftigen Strahl aus dem Schwanzloch austreten zu lassen, ihn ins Meer zu schicken, bemerkte man, dass das was da neben einem stand kein Mann, sondern eine Frau war. Schwanzlos, den Rock hochgezogen und unter den linken Arm geklemmt, zog sie mit der anderen Hand ihre Fotze hoch und pisste einen ebenso kräftigen Strahl ins Meer wie man selber. In ihrem Gesicht steckten Piercings. Es war auch tätowiert und in den Furchtlocken auf ihrem Kopf steckte eine Menge Strandgut ihres Lebens. Glasperlen, ein Stück Holz, ein Ring, ein Knochen, fahl und blank, der vielleicht einmal ein Chicken wing gewesen war, verspeist in einem billigen Diner bei einem besonderen Date aus dem dann doch nichts Besonderes wurde. Man hörte sofort auf zu pissen. Man ging ohne nachzudenken ein Stück weiter vor um sein halblüsternes Glied aus der Reichweite ihres Blickes zu bekommen. Seit wann pissen denn Frauen schon wie Männer ins Meer? War zu erwarten, dass sie demnächst auch gegen Bäume pissten und Pissoirs in derselben Weise wie Männer benutzten? Brachen jetzt auch die allerletzten Refugien weg wie klimagebeuteltes Polareis? Der Meerschaum der Brandung leckte an Josefs Oberschenkeln hoch, einzelne Bläschen hielten sich fest, zerplatzten kitzelnd an kleinen schwarzen Härchen. Tausende pissten hier ins Meer, neben und hintereinander, zum Teil gegeneinander. Eine einzige große gelbe Pisswolke machte den Strand schleiernd zur fragwürdigen Sehenswürdigkeit. Und ließ die Fische husten. Stark husten. Es stank wie in einem Bahnhofsclo. Aber mit frischer Meeresbrise wie Zuhause im Clo bei Mami. „Immer frisch und sauber und gepflegt, ja das ist mein WC mit“ … Sie wissen schon. „Ja das ist doch jetzt alles überhaupt kein Problem mehr Susanne!“ Sie lächelt, die Werbe-Hausfrau. Und Jingle ab. Jingelingdonggong!

      Während des Zurückwatens schoss eine neuerliche Salve erboster Cocosnüsse im hämmernden Stakkato in den Sand. Ein paar Stände wurden schwer getroffen, eröffneten hoffnungsfrohe Räume weitgespannter Selbsttäuschung. Zurück zum Ursprung in einem Schwellenland? Vermessen wie die Vorstellung eines letztlich doch intelligenten Europäers.

      Friedlich am Firmament schwebende Kong Mings wurden von tobenden Feuerwerkskörpern abgeschossen, mit großer Lust in der Luft zerrissen. Orangeflammige Feuerzungen leckten nach unten, fraßen an der Energie der Tänzer, lutschten an ihrer Geschlechtlichkeit. Nimm ihnen den Saft, trockne sie aus! Lass sie hängen, die Organe des Seins und Werdens! Das Omelett entfaltete sich langsam, segelte zwischen Frontallappen und Hypothalamus hin und her, pulste mit Macht in Richtung Medulla oblangata, pumpte ihren Strang mächtig auf. Es war ein violett gelbes Anstauen von Gedankenenergie. Der Hirnanhang sprang unter den Goldhelmen auf und ab. Er pendelte, er ballte sich zusammen, er wurde immer heißer und er hatte einen Höllenspaß daran. Dem Cerebellum wurde auch schon merklich wärmer. Die Hypophyse, für gewöhnlich auf Höhe der Nase inmitten des Schädels gelegen, sprang unverzagt weiter auf und ab, knallte immer öfter wahllos an irgendwelche Ganglien, was Neuronenblitze auf ihren willkürlichen Weg brachte. Sie zuckten an den Sehnerven entlang und schauten Bilder.

      Die tanzende Menge wogte in einem einzigen Rhythmus über den Strand. Fehlgesteuerte Raketen explodierten in ihr, entzündeten Haare, brannten Augen aus. Wenige echte Ärsche wurden getroffen. Die einzelne Palme am Ufer, ohnehin schon von gefährlicher Schieflage, beugte ihre Krone noch weiter, beugte sie ganz nach vor, nach unten und tauchte ihre Wedel ins Meer. Dann erhob sie sich, schwang elegant zurück und über den Strand, schüttelte sich, besprengte die heißen Körper der Tänzer, weihte sie gleichsam ihrer wilden Passion. Roh peitschte der Schopfbaum hin und her, ein überdimensionaler Weihwasserpinsel der im Takt der Musik schaukelte, an den fetten Basslinien entlang oszillierte. … „Keep control; … of me.“ Tropfen salziger Segnung trafen zischend auf heiße Haut; … „Try to keep … my … frequency … clear;“ verdampften auf ihr; und schließlich; … „re … animate my heart;“ flossen bissige Rinnsale in Richtung Chakra. Sex und Instinkt. Nur noch Sex und Instinkt. Für mehr war kein Platz mehr. Musste auch nicht. Das DJ-Set trieb unaufhaltsam seinem Höhepunkt entgegen, massierte sich gleichsam in die Hüften aller. Werde mein Fleisch! Alles zuckte, ruckte, alles bewegte sich. Hüften kreisten, Arme schlenkerten, Brüste warfen sich nach vor. Mein Gott! Kein Mensch konnte jemals so ficken! So viel. Alle die da waren. Zugleich. Und selber von allen gefickt werden. Das war die reine Utopie. Krakenhaft beugte die Palme ihren Schopf nach unten, ihre Palmtentakel ergriffen einen der Tänzer, hoben ihn hoch. Kopf voraus verschwand er mit schlagenden Beinen langsam im Palmenherz. Der Stamm zeigte alsbald eine walzenförmige Ausbuchtung. Genauso sah es aus wenn Anacondas ihre bevorzugte Beute, die Wasserschweine, verschluckten.

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