Unter den Bäumen des Himmels. Ludwig Wolf

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Unter den Bäumen des Himmels - Ludwig Wolf

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des Todes. Kopfüber. Rhythmisch. Nicht unästhetisch. Doch überaus unfreiwillig für den Leib des Tänzers im Stamm der aufgebrachten Palme. Die Wurzeln freuten sich schon, sie schwollen an, strotzten prall aus dem Strand, förderten alte Spritzen und anderen menschlichen Auswurf aus dem Sand ans Mondlicht. Kronenkorken. Tampons. Strohhalme aus Plastik. Dosen. Schillernd tentakelte sich ein Oktopus über das Firmament. Irisierend. Blau irisierend. Schlängelnd. Seitlich schlängelnd. Sehr elegant. Seine Saugnäpfe schmatzten schnalzend die Sterne aus dem Himmelszelt. Schwarze Löcher der Zukunft. Josefs eigene Beine schienen sich auch in Tentakel zu verwandeln. Sie wurden immer länger. Und sie wurden weicher. Immer schwerer steuerbar. Der Sand wurde so flaumig nachgiebig, dass er gar nicht mehr bemerkte, wie ihm ein Taschlschneider eben jenes schnitt. Eben seines abschnitt. Sein Tascherl. Seine Bauchtasche. Seine Tasche in der alles war. Sein ganzes Sein. In die Blätter und Stengel der Strandwinden filzten sich schiere Unmengen von Frischesiegeln. Die kleinen, rund geschwungenen Plastikfolien verhakten sich unauflöslich miteinander ineinander. Unrat. Nichts als Unrat. Farang Unrat. Blaue Blüten weinten darob blaue Tränen. Spitze Nadeln stachen Wundbrand in ihre Kelche. Die Drogenrazzien feierten fette Beute. Hoben das Bruttoinlandsprodukt mit phantasievoll saftigen Geldstrafen in ungeahnte Höhen. Cashflow. Feuerwerk. Tagesordnung. Übergehen zu. Wer war er wo? Seine Beine vereinten sich endgültig mit dem Sand. Geräuschlos. Sie gaben einfach nach. Sein ganzer Körper tat das. Gab einfach nach. Entglitt. Löste sich auf. War einfach weg.

      9. Zu sich kommen

      Kristallin knirschte das Erwachen im Gehirn. Die einzelnen Sandkörnchen setzten sich wieder zusammen, Quarz für Quarz rieb sich aneinander und rieselte sich nach oben. Durchgebissen, durchgekaut und verdaut von Tausenden von Papageienfischen. Einfach rausgeschissen. Ja Fische konnten Traumstrände einfach so hinscheissen, Menschen konnten sie nur abwohnen. Flügellos flossen die bunten Fische durch die Weltmeere. Ihre Schnäbel arbeiteten ganze Korallenstöcke ab und schissen sie der Tourismusindustrie quasi gratis vor die Haustür. Sportfischer schießen dafür dann schon mal mehr als nur ein Foto.

      Das Gefühl war so trocken. Die Körnchen streiften spröde aneinander vorbei, fanden Schnittstellen, öffneten sich, gingen Verbindungen ein, wuchsen weiter. Nervenbahnen fanden sich wieder, Muskelstränge bildeten sich neu, kräftiger aus. Schmerzen. Organe erstanden erneut, pulsten und pumpten Säfte und Hormone in den neuen frischen Leib, das Gehirn raschelte sich wieder zusammen, faltete sich auf. Endlich konnte er wieder eine Hand aus dem Sand lösen, als eigenständiges Körperteil begreifen und wieder in seinem Sinne benutzen. Wieder haben. Haut raspelte über Muskeln und Sehnen, schuf nötigen Zusammenhalt. Sie brach immer wieder auf, bröselte weg, fand sich aber wieder und schloss sich letztlich. Ameisenstrassen verliefen über alle seine Glieder. Unsicher schüttelte er vorsichtig den Arm, wollte nicht riskieren, dass er wieder auseinanderfiel. Er hielt. Blieb an ihm. Er prüfte mit der Hand die Festigkeit. Der Arm schien in Ordnung zu sein. Er konnte Muskeln und Sehnen, Adern unter der Haut fühlen. Alles rollte unter seinen Fingern wie es sollte. Seine Hand fühlte sich eingeschlafen an. Sein Kopf auch. Er kribbelte.

      Die Augen schmerzten im Sonnenaufgang. Ein blasses Erhellen innerhalb von Umrissen, die sich noch nicht zu erkennen gaben. Die Lider reagierten auf die Blendung, raspelten noch leicht über die Hornhaut des Auges als sie sich unwillkürlich schlossen.

      War das alles wirklich passiert? Und vor allem; was war passiert in der Zeit an die er absolut keine Erinnerung mehr hatte? Alles konnte passiert sein. Josef öffnete die Augen vorsichtig wieder. Wenn man sie leicht zusammenkniff ging es schon besser, schmerzten die hell gleißenden Kämme der kleinen Wellen nicht mehr so heftig. Er hockte, mit dem Rücken an einen Palmenstamm gelehnt im Sand. Er war vollständig bekleidet und hatte sich nicht vollgekotzt. Das beruhigte ihn fürs erste. Die Unruhe in seinem Körper blieb aber. So ein nervöses Kribbeln, unbestimmte Hektik im Kopf. Seine Körperzellen mussten erst wieder vollständig zueinander finden, fanden sich noch, nahmen langsam ihre angestammten Plätze wieder ein. Josef wusste, dass es bei diesem einen Test bleiben würde. Dieses Zeug war nicht für ihn gemacht. Man verlor so völlig die Kontrolle über sich, hatte nichts mehr in der Hand, hatte Glück wenn die Halluzinationen nicht zu erschreckend, zur Wahrheit wurden. Es wurde Zeit der Wirklichkeit etwas von ihrer Kraft abzutrotzen. Den Körper benutzen, nicht ausliefern. Ihn fordern, nicht betäuben und in die Irre führen. Er musste von dieser Insel herunter. Sie gefiel ihm nicht. Koh Pah Ngan hatte etwas von der Traurigkeit einer Ehemaligkeit. Wie die ehemaligen Orte der Blumenkinder. Matala auf Kreta, Ibiza oder Goa. Längst waren die Hippies wieder weitergezogen und hatten die gute Luft mitgenommen. Übrig ließen die Kinder von Torremolinos die Einheimischen, die glaubten, dass es egal ist wer kommt und kauft und kifft oder sich sonst was reindröhnt. Denn längst kiffte schon jeder Idiot. Völlig ideologiefrei, such- und sinnfrei, das war so wie Aspro nehmen. Und genauso sahen die Inseln und Strände dann aus. Beliebig. Öde Sandstreifen auf denen es alles zu kaufen gab, was den Spießer von Heute glücklich machte. Nach dem Kifferurlaub wieder zurück in die Casual wear des Bürotrottels. Vielleicht noch verschämt dem Freundeskreis von den verbotenen Dingen berichten, die man im Urlaub getrieben hatte. Was für ein Nervenkitzel! Ein Joint am Clo. Oder auf der grünen Wiese. Sich dann wieder auf die nächste Fußballweltmeisterschaft freuen. Dazu konnte dann wieder Bier getrunken werden. Die Gesellschaft war zu einem einzigen Jammertal an monetärer Beliebigkeit vertrottelt. Zu einem geistigen Gulag pflegeleichter Funktionierer.

      Seine Bauchtasche fehlte. Das ganze Geld! Die Papiere! Die Bankomatkarte! Sein Pass!

      „Verfluchte Scheiße!“

      Er hatte extra alles mitgenommen um es bei sich in Sicherheit zu wissen. Und jetzt war alles weg. Der Schreck fuhr Josef gehörig in die Glieder. Unwillkürlich tastete er sich überall ab, griff nach hinten, wühlte den Sand um sich durch, förderte ein Stück Plastik zu Tage, seine Kreditkarte. Hektisch grub er weiter, im größeren Umkreis kroch er auf allen vieren und wühlte im Sand, griff schließlich eine Plastikschließe und zog daran. Seine Bauchtasche tauchte aus dem Strand auf, alle Fächer geöffnet und voller Sand. Aber es war noch alles da. Auch sein Pass. Sogar das Kleingeld. Die Münzen. Das große Geld war weg. Das Papier. Natürlich. Josef zitterte. Gott sei Dank hatte er mehr Glück als Verstand gehabt. Er schüttelte den Sand aus der Tasche und füllte seine Habseligkeiten wieder ein. Er musste eine Weile verschnaufen ehe er aufstehen und reichlich knieweich zu seinem Hotel zurückgehen konnte. Er nahm sich fest vor, niemals wieder so dumm zu sein.

      10. Erste Monster

      Was Josef entgegenschwirrte als er die Zimmertür öffnete, waren zwei Mosquitos der anderen Art. Ihre Körper waren von seinem Blut auf die Größe eines Mobiltelefons angewachsen, ihre Bäuche jedoch flach und leer, farblos grau. Ihr Flügelschlag wirbelte Josef die Luft kühlend entgegen, aggressiv sirrend wie ihr Stich sausten die Insekten mit vorgestreckten Rüsseln seinem Hals entgegen. Instinktiv schlug Josef eines der Biester mit dem Handrücken aus der Luft. Es klatschte gegen die Tür und verspritzte braune Körperflüssigkeit, patschte zu Boden. Josef trat noch einmal drauf und schloss die Tür. Der andere Mosquito suchte das Weite, Richtung Strand. Dort lagen noch genug gut gefüllte Touristen, die sich von kurz- und langwelligen Strahlen rösten ließen.

      Josef schnaufte. Und schwitzte schon wieder. Okay, das dreckige Zeug musste sowieso noch weg. Er zog sich aus und stellte sich unter die Dusche. Wartete bis sie kalt wurde. Wurde sie nicht. Auch nach einer Viertelstunde nicht. Er gab es auf. Nun, sauber war er jetzt jedenfalls. Frisch geduscht und angezogen, machte er sich auf zu neuen Ufern.

      11. Koh Tao

      Die Weiterfahrt nach Koh Tao verlief exact genauso hektisch wie die Fahrt nach Koh Pah Ngan zuvor. Mit dem Unterschied, dass Josefs Rucksack diesmal ganz oben auf dem großen Haufen unter Deck zu liegen kam. Das lag zum einen daran, dass Josef diesmal auf halber Strecke zustieg, zum anderen daran weil er selbst dafür Sorge trug,

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