Unter den Bäumen des Himmels. Ludwig Wolf

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Unter den Bäumen des Himmels - Ludwig Wolf

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einen dazupassenden, rosa Aufkleber auf´s T-Shirt geklebt bekam, der ihn quasi mit seinem Rucksack verband, beunruhigte ihn das, schien ihm das nur noch mehr suspekt zu sein. Denn Koh Tao wurde ohnehin als nächstes, und letztes, angelaufen. Auf der Strecke gab es keinen Zwischenstopp mehr, man konnte sein Ziel also gar nicht verfehlen. Außer man war völlig bescheuert. Eher arbeitete das Personal hier einfach in blindem Gehorsam und ohne auch nur eine Minute nachzudenken. Die einen klebten einem das Ziel an die Brust, die anderen setzten einen dort an Land. Samt Gepäck. Josef mochte sich nicht vorstellen, was alles geschehen konnte, wenn irgendwelche Aufkleber verwechselt wurden, verloren oder ab gingen, sich eigenmächtig woanders wieder anklebten. Er quetschte sich in einen Sitz zwischen zwei fetten Amis, im vorderen Viertel des Bootsrumpfs. Der Platz gewährte ihm recht guten Blickkontakt zu seinem Rucksack. Bequem war anders. Aber Sicherheit ging vor. Kein Risiko mehr! Geradeaus bot ein kleines Fernsehgerät die Albernheiten einer asiatischen Spielshow zur Unterhaltung feil. Wenn man es nicht gesehen hätte, würde man es nicht für möglich halten. Aber die Fernsehmacher hierzulande schienen noch einiges mehr an Blödsinn in Petto zu haben, als ihre europäischen Kollegen im so genannten Free TV. Hier wurde Sahne oder Rasierschaum in wahren Unmengen verspritzt, Leute von schmalen Planken in schäumende Pools geschubst, oder von fantasievoll designten Falltüren eingequetscht. Alles unter Dauergelächter aus dem Off und immer wieder von Commercials unterbrochen, die genauso bunt und sinnfrei waren, wie die Spielshows selber.

      „I am from Australia“, tat ein enorm bleiches und dürres Mädchen kund, hängte sich ungefragt an Josefs rechtes Bein, umschlang sein Knie. Eingequetscht wie er war, musste Josef das mit sich geschehen lassen. Das offensichtlich hyperaktive australische Kind nahm in voll in Beschlag, erzählte ihm in atemberaubendem Tempo seine kurze Familiengeschichte; von der er Gott sei Dank nur die Hälfte verstand; zwirbelte, ganz von kindlicher Wichtigkeit beseelt an seinen blonden Stopsellocken herum. Drehte sie ein, drehte sie aus. Lachte und war bereits auf seinem Schoß. Stieß ihm die Knie in die Hüften. Angestrengt versuchte Josef einen Blick der Eltern zu fangen aber die waren mit sich selbst beschäftigt. Josef konnte noch nie verstehen, wie man sein Kind derart sorglos der Gesellschaft überantworten konnte, einfach auf die natürliche Beißhemmung hoffen konnte, nur um sich ein paar Momente der Ruhe auf Kosten der anderen zu stehlen. Und all die bösen Onkels, die es gab. Verdrängte man das einfach? Die vielen Süßigkeiten der dämonischen älteren Herren, deren gewissenlose Schwengel wie Tiere hinter ihren Hosenlätzen lauerten? Immer auf dem Sprung. Nach dem Zuckerl kam der Strangulationsdraht oder das Kochmesser. Oder das Kind kam in den Keller. Zur weiteren Verfügung. Wenn man schon ein Kind machte, dann sollte man es auch beaufsichtigen. Es erziehen. Füttern. Pfleglich behandeln. Um es schließlich mit elterlicher Bestimmtheit aus dem Nest stoßen zu können. In ein neues Leben. Gestärkt. Gerüstet. Bereit und hungrig.

      Josef fing kurz den Blick der Mutter, deutete mit dem Zeigefinger nach unten, auf das Kind in seinem Schoß. Die Mutter tat als ob nichts gewesen wäre und wandte sich wieder ihrem Mann zu. Josef schickte ein laut gebelltes „Madam!“ in ihren Nacken, das sie nicht mehr ignorieren konnte. Sichtlich angestrengt kam sie herüber, das Kind wurde über den Bauch des Amerikaners rechts von Josef gezogen was auf dessen T-Shirt zwei schöne Schleifspuren aus frischem Schuhsohlendreck hinterließ.

      „I´ll beg your pardon, mister.“

      Was für ein blöder Spruch.

      „Schon okay.“

      Josef machte sich gar nicht erst die Mühe die abgedroschene Floskel in korrektes Englisch zu übersetzen. Dafür war er schon zu wütend. Er wandte sich ab. Draußen spritzte das Meerwasser hoch, klatschte an die Scheiben. Das Motorengeräusch setzte kurz aus um dann um einiges lauter wieder einzusetzen. Das Schiff näherte sich dem Hafen. Josef stand auf, sicherte seinen Rucksack und ließ diesmal das ganze Chaos in Ruhe an sich vorüberziehen.

      12. Neuer Boden unter den Füßen

      Der Pier sah ähnlich aus wie der in Koh Pah Ngan, wirkte aber irgendwie hölzerner. Das lag wahrscheinlich daran, dass die Bauten hier wesentlich weniger von schützender Farbe erstickt waren. Auch die Gebäude am Ufer wirkten weniger gerade, eher schief und verschachtelt. Eine Szenerie ähnlich dem Kulissenaufbau eines Italowesterns. Warum spielten Western eigentlich niemals am Meer? Und nur sehr selten im Winter? Josef zupfte an einem Infostand eine Karte der Insel aus dem Ständer, die versprach - „all you need to explore turtle island“ - faltete sie auseinander und bog nach links ab. Die erste von den zwei Hauptstrassen von Mae Haad Town war rasch erreicht. Rechter Hand zog sie sich verhältnismäßig rasch steil ansteigend hinauf, auf beiden Seiten gesäumt von unzähligen Geschäften und bevölkert von unzähligen Leuten. Josef hatte die Sonne im Rücken, von vorn wehte ihn ein angenehm warmer Lufthauch an. Er fühlte sich wohl hier. Und er fand recht bald was er suchte: Einen Fahrzeugverleih.

      Der Mann hinter dem Schreibtisch wirkte massiv. Die muskulösen Arme hatte er über seinem nackten Oberkörper verschränkt. Sein Schädel war kahl, obwohl er höchstens vierzig war. Auf dem Schreibtisch türmten sich Papiere, Dokumentenmappen. Daneben lag ein Schraubenschlüssel. Ein sechsunddreißiger. Und ein Taschenrechner. Ein Filzschreiber. Ein paar Kulis. Der Pitbull unter dem Tisch sah genauso aus wie man sich diese Hunde immer vorstellte: Hässlich. Die Farbe des kurzen Fells war so ein braungraues Gemisch mit weißen Einsprengseln und ein paar rosa Flecken im Gesicht. Das breite Gesicht mit den hängenden Lefzen tränte und trenzte, obwohl es Josef treuherzig anblickte. Der Hund hatte ein bisschen was vom Joker in Batman. Seine nackten Eier hingen hinten unter seinem dünnen Schwanz raus, lagen auf seinen Schenkeln, die genauso massiv waren, wie der Rest seines Körpers. Ein Geräusch das wie ein kombiniertes Rülpsen und Schnarchen klang, kam aus seiner Gurgel, bevor er seinen Kopf auf die Vorderläufe legte und die Augen schloss. Seine Lefzen wellten entspannt über seine Vorderpfoten.

      Mr. Rent a Bike hatte Josef bereits eine Menge Geld und seinen Reisepass abgenommen und führte ihn jetzt nach draußen. Das rotschwarze Schmuckstück, das es Josef angetan hatte, stand genau vor der Eingangstür. All Terrain Vehicle Brownie dreihundertfünfzig. Vier mal vier. Rot die Karosserie, schwarz das Gestänge, die Reifen, der Sitz und der Lenker. Mit seinen zweiundzwanzig Pferdestärken kam das Ding locker auf fünfundsiebzig Kilometer die Stunde. Josef nahm den Schlüssel in Empfang und schnallte den Rucksack auf den hinteren Gepäcksträger.

      Das Quad kostete tausendachthundert Baht Miete per day.

      „Benzin kriegst du gleich vorne links.“

      Mr. Rent a Bike war Deutscher. Ein Bayer.

      „Okay.“

      Josef drückte den Gashebel durch und brauste nach links davon. Anders war das auch gar nicht möglich, er befand sich auf einer Einbahn. Und auch jäh in ziemlichem heavy traffic. Motorräder, Vespas, Mofas. Crossmaschinen, Quads, Pickups. Alles fuhr hier. Und das ziemlich flott. Und sichtlich eher regellos. Josef riss sein Quad abrupt nach links. Das vermied einen Frontalzusammenstoß mit einer Crossmaschine, die ihrerseits einen gekonnten Schlenker in die andere Richtung machte. Josef sah nach hinten, sah, dass nichts passiert war, sah nach vorn, sah das Heck eines Pickups vor sich und bremste so abrupt, dass es ihn beinah über die Gabel geschleudert hätte. Im nächsten Moment riss es ihn wieder nach hinten, drückte ihn satt in den Sattel. Er fuhr an den Rand, sah den blauen Pickup entschwinden und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Das hätte verdammt schief gehen können. Linksverkehr verdammt! Es sah zwar gut aus wenn man so cool um die Ecke brauste, aber ein Gedanke an die Verkehrsregeln zur rechten Zeit konnte auch nicht schaden. Josef sah erst mal nach hinten und fuhr gemächlich wieder an. Die nächste Tankstelle war nicht weit und er ließ sich erstmal zehn Liter geben, was ihn um vierhundert Baht ärmer machte. Der Preis war heiß. Da fühlte man sich beinah schon wie zuhause! An der Zapfsäule des Grauens. Der Multis. Oder des Finanzministers. Alles dasselbe. Die Straße schlängelte sich leicht durch Ansammlungen von Niederbauten, Cocoshainen und kleinen Dschungelstreifen hindurch. Hie und da gab es Abzweigungen.

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