Unter den Bäumen des Himmels. Ludwig Wolf

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Unter den Bäumen des Himmels - Ludwig Wolf

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die Rezeption einsehen, die unbesetzt war. Josef bestellte sich ein kontinentales Frühstück, das hörte sich gut an. Was ankam war aber dann eher etwas Schmales denn etwas Kontinentales. Ein Marmelade- und ein Butterpäckchen wie zuhause im Krankenhaus kredenzt, aber nicht von der Edelmarke. Zwei dünnste Scheiben Toastbrot von länglich hellbraunen Flecken gesprenkelt, die wohl einen gewissen Gehalt an Cerealien vorgeben sollten. Ungefragt schmolz eine Menge Eis im Orangenjuice, der Kaffee war einfach … Jagg! … Dennoch brauchte Josef unbedingt eine weitere Tasse der lauen Brühe. Linkerhand, scharf am Billardtisch vorbeigeschaut, sprang ein dort stehendes Fisch-Spa in Josefs interessiertes Auge. Gerade als Josef in seinen zweiten marmeladebeschmierten Toast biss, steckten zwei leibige Herren und eine vollschlanke Frau mit blond auftoupierter Mähne ihre bloßen Füße ins Wasser. Bleich hockten sie am Rand des Beckens und ließen sich ihre noch bleicheren Füße buchstäblich von den unscheinbaren Fischen, die in dem flachen Aquarium herumschwammen, ablutschen. Die Gattung Garra rufa, die diesen Wellnessjob ohne Bezahlung leistete, besaß nämlich keine Zähne. Tatsächlich sah es also nur so aus, als ob die kleinen Fische den Gästen die kranken Hautteile von Füßen und Zehen knabbern würden. In Wirklichkeit wurde hier kräftig gesaugt und gelutscht. Josef blieb der Mund offen. Eine Zeitlang. Der Toast brach mittendurch, ließ sich nicht mehr greifen und plumpste aufs Teller. Josef schüttelte der Anblick der allesamt grauslich weißen Haxen etwas. Sie wirkten wie aufgedunsene Leichenteile in der Anatomie. Warum war hier keiner braun? Alle Touristen schienen hier noch bleicher zu sein als zuhause. Und Fische die an fremden Füßen herumknabberten? Wahllos? Sich die kranke oder tote Haut von Fischen abfressen lassen? Nicht gerade sein Ding. Was, wenn doch einer Zähne hatte, plötzlich zubiss? Wer konnte das schon sicher wissen? Josef klappte die Toasthälften zusammen und verzehrte sie weniger des Genusses als der Notwendigkeit wegen. Zwischen den braungrünen Fischleibern sah er ein paar undefinierbare weiße Flecken herumwirbeln. Sie schienen eher bewegt zu werden als dass sie sich selber bewegten. Manche wurden hochgerissen, sanken dann wieder ab. Vereinzelt trafen sie ein bleiches Bein, kollerten zeitlupenhaft an diesem zum Grund, wo sie bald wieder herumgewirbelt wurden. Während Josef den letzten Toastbissen schluckte, wurde ihm klar, dass es die bereits toten Fische waren, deren weißes Fleisch bis auf die Gräten von den eigenen Artgenossen abgelutscht wurde. Die dralle Blonde lächelte ihn an. In ihren fettigen Mundwinkeln hing glänzender Speichel. Bildete er sich das nur ein, oder wollte sie etwas von ihm? Josef sah noch einmal hin. Ja sie wollte. Josef bezahlte und ging. Rasch. Vielleicht etwas zu rasch. Hinter ihm wurde gekichert.

      Der Rest des Tages war sinnlos verwartete Zeit. Zeit, die Josef eigentlich nicht hatte. Aber nichts auf dieser Insel gefiel ihm eigentlich, alles sah so gleich und auf Touristen zugeschnitten aus, dass es ihn gar nicht mehr wunderte, warum diese alle den Eindruck von weißen fetten Maden hinterließen. Schließlich taten sie alle nichts anderes als genau das zu fressen, was ihnen vorgesetzt wurde um am Ende ihres Urlaubs mit leeren Taschen die Heimreise antreten zu können. Zuhause wurde dieser ganze Urlaubsbrei dann wieder ausgeschissen und war innerhalb einer Woche wieder vergessen. Der Job verlangte einem alles ab.

      Die Geschäfte sahen alle gleich aus. Flach, viel Glas, kühl ausgefliest. Überall das gleiche Zeug in den Regalen. Manchmal gab es Preisunterschiede. Das war aber schon alles. Josef hatte in einer Pizzeria versucht das Nährstoffdefizit des Frühstücks auszugleichen. Das gelang zwar, doch war der Käse so heiß, dass er ihm Zahnfleisch und Zunge verbrannte, und Josef von der Pizza nicht mehr viel schmecken konnte. Vielleicht war das auch besser so gewesen. Auf seiner kurzen Runde durch den Ort hatte er auch einige von diesen Bars gesehen, denen Thailand seinen schlechten Ruf verdankte. Jene Bars mit den Edelstahlstangen um die Tresen. Aber niemand räkelte sich untertags daran. Er war dann noch etwas am Pool gelegen, hatte gelesen und zwei drei erfrischende Biere getrunken. Hatte sich vorgenommen, sich nichts mehr vorzunehmen. Nur mehr zu leben. Nicht mehr warten auf etwas. Nur mehr. Nicht. Dann hatte er sich erfrischend kalt abgebraust und ausgehfertig ausstaffiert. Dabei das laute Schnaufen der Mosquitos hinter seinem Rucksack nicht bemerkt. Ihre Leiber blähten sich ruhig und regelmäßig.

      Endlich kroch die Dämmerung in die Palmenköpfe. Und die Dämmerung war kurz hier, weil die Sonne dabei jedes Mal im Meer ertrinken musste. Josef schloss ab. Heute war Vollmond. Ein Angestellter kippte einen Kübel Desinfektionsmittel in den kleinen nierenförmigen Pool. Full Moon am achtundzwanzigsten Februar. Er verteilte das Zeug mit den Händen im Wasser. Full Moon am Hat Rin, an dem Partystrand. An diesem Strand traf sich die ganze Welt. Zum Ausgehen, zum Rausgehen, zum Aus-sich-herausgehen. Man traf sich um sein Innerstes zu entäußern, um es völlig zu entblößen, einen emotionalen Showdown zu bieten, gleichsam mit dem großen Rudel mit-zu-vibrieren, alle Muskeln und Sehnen schweißtreibend in Bewegung zu setzen. Dabei sich immer mehr zu erhitzen, sich endorphin in pulsierende Trancen zu takten. Hat Rin.

      Und das alles gerade knapp vierzehn Tage nach Beginn des Jahres des Tigers. Nicht irgendeines Tigers. Nein, des Metall-Tigers. Das musste einfach reinhauen! Voll reinhauen! Metall war nicht Luft. Es war nicht Erde, war nicht Feuer. Es war Metall und das war vor allem hart. Unnachgiebig hart.

      Josef ging hinunter zum Strand um sich in einem der hinteren Restaurants mit einem scharfen Nudeltopf auf die lange Nacht vorzubereiten. Den Grundstein zu legen für die Feier seines Lebens. Für die Feier des Lebens. Er wollte nicht umsonst gewartet haben.

      Der Teller Phad Thai kam heiß dampfend an. Reisbandnudeln mit Hühnerfleisch, Gemüse und Bohnensprossen. Mit Ananasstücken und Knoblauch-Ingwer-Tamarinden-Erdnuss-Mischung. Mit Chilischoten extra. Seinen Chilischoten extra. Fruchtig rote Ringe, denen jede Milde fern lag. Herrlich garniert mit schlanken Streifen purpurner Bananenblüte. Dazu ein eiskaltes Elephantenbier. Das Leben war wunderbar. Sogar die Magic Mushrooms kamen hier veredelt an. Eine Nachspeise surprise sozusagen. Ein prachtvoll gelbes Omelett, perfekt eingeschlagen, voller knusprig brauner Aromabänder an der Oberfläche, umhüllte die Zauberpilze auf´s Trefflichste. Die dekorative Krönung aus Wanzenkraut wäre ihm allerdings verzichtbar gewesen. Er stupste die asiatische Petersilie bestimmt in Richtung Tellerrand, zögerte kurz bevor er in das magische Omelett schnitt.

      Nur die wenigsten wussten über den göttlichen Dungpilz wirklich Bescheid, geschweige denn kam einer dieser Wochenenddrogisten jemals auf die Idee, dass diese goldköpfigen Pilze die eigentlichen Schirmherren der heiligen Kühe Indiens waren. Dabei war es doch klar, sah man sich den Gesichtsausdruck einer Kuh nur einmal genau an. Dieses Tier hatte auf gar keinen Fall mehr zu bieten als göttliche Unbedarftheit. Diese allerdings in ihrer reinsten Form. Unverschnitten. Und reichlich. Aber die Pilze die bei richtiger Temperatur und Umgebung aus den Fladen der Rinder sprossen, die waren es, die es in sich hatten. Nicht die Kuh. Die lieferte nur den Nährboden. Eine klassische Verwechslung also. Subkontinental.

      Die Stiele hatten einen leicht blaugrünen Stich. Der Gaumenkitzel erinnerte beim Zubiss an zuwenig gegarten Spargel, dezent mit etwas Pisse abgeschmeckt. Gut, Hed keequai aß man ja auch nicht des Genusses wegen. Vorsichtshalber war der Koriander ja schon mal beiseite geschoben worden. Und das Omelett bildete eine Art von hermetischer Geschmacksemballage über der eklig schmeckenden Bewusstseinserweiterung. Also weniger kauen, dafür mehr schlucken. Schneller schlucken. Und spülen. Mit Elephantenbier.

      Waren alle Vorbereitungen abgeschlossen, bog man endlich um die Ecke, betrat man den Strand zu guter Letzt wirklich und ganz real, dann tat man es so wie man es mit Selbstverständlichkeit bei einem Tempel tun würde. Mit großer Ehrfurcht vor dem Kommenden, vor dem Besonderen. Alles konnte man hier erwarten. Wollte man hier erwarten. Aber als erstes sah man die Wand der Offenbarung. Die Wand der grausigen Gewissheit: Die Besäufnisstände liefen in einer derart akkurat geschlossenen Geradheit den Strand entlang, dass allein diese diesen jeder seiner Versprechungen Lügen strafte. Aufgefädelt. Bunt wie die Verpackung von Partysnacks. Der Bongo. Der Mongo. Der Gorilla. Der Shriek Sheik. Die Lisa versprach; - „Love you long time.“ Daneben gleich die Sarah, die es; - „Same same, but better“, machte. Die Public Relation der Bars war so einfallslos wie sie selber, passte zu den abgefuckt weißen Plastikmöbeln davor, auf die ihre Saufkübel wiederum passten wie ein voller Nachttopf unters Ehebett. Diese Scheißkübel mit Thai-Rum, Wodka oder Whiskey und Cola und dem ganzen diversen Powersaft.

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