Unter den Bäumen des Himmels. Ludwig Wolf

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Unter den Bäumen des Himmels - Ludwig Wolf

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stand an der Pisswand, neben ihm ein kleiner Asiate. Augenblicklich wusste Josef, wofür das tiefergelegte Pissbecken gut war. Für den Nachwuchs, so dieser ein Sohn, und dem Topf gerade erst entwachsen war. Rasch bog Josef wieder hinaus in den langen Gang voller thailändischer Kunst und pflegeleichter Plastikblumen und stellte sich wieder aufs Transportband. Rechts. Rechts stehen, links gehen. Josef genoss die Fahrt, rollte gemütlich der Immigrationsfront entgegen. Dort gab es mehrere Schalter. An jedem blickte einem eine kleine, runde Kamera entgegen. An manchen, an den besetzten, auch ein Beamter. Josef wählte eine kurze Schlange. Das hatte genau denselben Effekt wie an der Supermarktkasse zuhause. Nur hatte der Homeboy da vorne nicht nur vergessen, sein Einreiseformular im Flugzeug auszufüllen, nein er hatte es überhaupt vergessen. Irgendwo. Die Hose hing ihm unter dem Arsch und die Sonnenblende seiner Baseballkappe im Genick und Josef war froh, dass nur die Kamera und nicht er das Gesicht des hippen Hoppers sah, ansehen musste. Die Wartezeit wurde dadurch jedenfalls unverhältnismäßig verlängert. Bis ausgedeutscht war, um was es ging, bis ein Formular da war, und bis der hoppe Hipper Daten aus seiner Bauchtasche zutage förderte, weil sie ihm im Kopf nicht geläufig waren, das dauerte eben. Der Beamte wies ihn beim Ausfüllen auch immer wieder darauf hin, dass er mit den Füßen in den roten Markierungen stehen bleiben musste. Das passierte sehr lautstark und von heftigen Bewegungen des Zollbeamten untermauert. Durchaus hielt man es für möglich, dass der Beamte jeden Augenblick eine Pistole ziehen könnte, um dem Uneinsichtigen zu zeigen, wo es hier langging. Das Stehen in den roten Markierungen, das Vorbeugen bis zum Schalter, das zwang dem Körper einen unnatürlichen, rechten Winkel auf. Wie abgehackt der Körper, quasi knapp ober dem schwabbeligen Hip-Hop-Hintern einfach Zack! Und ab. Und weil der Hosenbund unter diesem Hintern hing, zog das die Shorts soweit hinunter, dass man entweder den Anfang oder das Ende der Ritze sehen konnte. Das war Ansichtssache. Und das wollte man gar nicht. Da waren Pickel drum rum. Auf dem weißen Schwabbelarsch. Rote. Mit schwarzen und gelben Punkten in der Mitte. Manche schon aufgekratzt schorfig. Josef hoffte, dass das, modisch betrachtet, ähnlich stilsicher gekleidete Mädel hinter dem Hopper, nicht zu ihm gehörte, oder zumindest nicht den gleichen Intelligenzquotienten mit ihm teilte, also im Kopf etwas klarer war. Sie war es. Stellte sich hin und schwupp, war durch. Erleichtert trat Josef in die roten Folienfüße vor dem Schalter und reichte dem Beamten Formular und Pass. Der schaute kurz, stempelte und klammerte das Formular in den Pass den er ihm wieder aushändigte.

      „Transfer?“

      „Transfer?“

      Josef wusste nicht was gemeint war.

      „You stay in Bangkok?“

      „No.“

      „Transfer. First just the left side and then right.“

      Der Beamte deutete nach hinten. Für Josef sah das verkehrt aus, wenn er zwischen den provisorischen Stellwänden hindurch spähte, er sagte aber nichts. Das war auch gut so, denn das „then right“ leitete ihn haargenau zur unvermeidlichen Gepäck- und Körperkontrolle. Danach wurde dann scharf links abgebogen, und man war wieder auf Kurs. In einer Shopping Mall, in der es alles gab, was Josef überhaupt nicht gebrauchen konnte. Und noch mehr.

      Der Mann bellte wie ein Hund und rotierte auf dem elektrischen Putzbuggy inklusive Wischmopp durch die Shoppinghalle. Er hatte eine Glatze und Speckfalten im Genick. Das sah weniger nach Stier denn nach Schweinchen aus. Er steckte in beigen Shorts und einem hellblau linierten Kurzarmhemd. Die Ärmel waren kürzer als die Schweißflecken darunter. „Ich schieße auf euch alle! Ich scheiß euch gleich auf den Putz! Scheiße!“ Das Vokabular war echt beschissen. Der Mann litt entweder an einer speziellen Form von Jetlag, oder er hatte den Bordservice trockengelegt. Mit unabsehbaren Folgen. Ziellos cruiste er zwischen den Shops herum, den Mopp ritterlich vorgestreckt wie eine Lanze. Hektisch drehte er am Lenkrad herum, vollführte viel zu scharfe Kurven, kippte beinah um dabei. Er bumpte herum wie in einem Autoscooter, touchierte einen Stand mit Sweeties, fuhr retour und bumpte gegen Duty Free. Bump bump. „Scheiße auf euch alle!“ Und die Security machte Jump jump. Der Putzbuggy verformte sich tatsächlich zu einem Autoscooter, einem blauen Autoscooter mit schwarzer Gummimanschette und silbrigem Kühlergrill. Ein Putzkübel klapperte quer über den Platz. Eine Frau kreischte und zog ihren Nachwuchs aus der Gefahrenzone. Das Mädchen, gefangen in einem rosagepunktet aufgetüllten Kleidchen, plärrte sofort los. Und Bump! Dahinter wurde der Securitymann, schwingenden Mopps, direkt in ein Süßwarengeschäft hineingeschossen. Geradewegs an Josef vorbei. Drinnen gingen einige Bonbongläser geräuschvoll zu Boden, gefüllte Seidenkracher hüpften aus der Tür an Josef vorbei. Seit einer Ewigkeit waren ihm diese Köstlichkeiten nicht mehr untergekommen. Flink griff er nach ein paar dieser kühl knackigen Knuspererlebnisse, die zu seinen Füßen herumkollerten. Er wusste, dass sie mit Kakao und Haselnussmasse gefüllt waren. Rasch steckte er sie ein. Niemand bemerkte es. Alle Aufmerksamkeit galt dem durchgedrehten Scooterfahrer.

      „Wuff! Ha, Schisser!“ Blech verformte sich knirschend weiter, wuchs nach oben. Es schloss den Körper des Mannes irgendwie ein, verwuchs mit ihm und drückte ihn, zylindrisch sich verjüngend, in die Höhe. „Wuff!“ Übergroße gelbe Knöpfe ploppten aus der Hemdbrust, eine rote Masche wuchs um seinen Hals herum, und sein vom Alkohol aufgeschwemmter Schädel wurde noch größer. Die Backen pausten auf, die Augen bekamen starke Bögen nach oben. Der blaue Scooter hatte sich ganz zu einer Halbkugel verformt, auf der der Pausenclown nun keinerlei Halt mehr fand. Er schaukelte darauf über den spiegelglatten Boden, und in dem spitzen Hütchen, das ihm aus der Glatze wuchs, klingelte es unaufhörlich. Jede Menge Blei im Boden, kreiselte er als blaubäuchig klingelndes Männchen den Rolltreppen entgegen, wild, aber sinnlos mit dem Mopp herumwirbelnd. Die Leute duckten sich, sprangen zur Seite. Er repetierte sein Lieblingswort im Takt der einzelnen Stufen, über die er hinunterpolterte, eine nach der anderen. Die Securitymannschaft stürzte in hellster Aufregung hinterher. „Wuff!“ Josef starrte der wilden Jagd noch bis zu ihrem völligen Verschwinden nach, dann wandte er sich nach rechts. Hier erweckte die Gastronomie einen eher pikanten Eindruck denn links, wo es mehr nach Kaffe und Kuchen aussah. Schnell am Burgerking vorbei, nach Chinesisch stand ihm auch nicht der Sinn. Danach folgte pronto Pizza und quicke Nudeln, noch weiter hinten wurde es etwas Continental, aber das traute er Asiaten nicht wirklich zu. Erst das letzte Lokal sah nach Thai aus, Mango Tree, stilvoll schlicht eingerichtet, versprach es ebensolch stringenten Geschmack auf der erlauchten Zunge. Es war auch wesentlich ruhiger hier, weniger Fluggäste verirrten sich ganz nach hinten. Eine rechte Wohltat, und man konnte, vom Sitzen aus, in die Halle hinuntersehen, von der aus man zu den verschiedenen Gates kam. Josef setzte sich und wurde als erstes darauf hingewiesen, dass es nur kleine, keine großen Biere gebe. Kein gutes Offert gleich zu Anfang für Josef. Denn er hasste nicht nur kleine Biere. Er hasste alle kleinen Dinge. Nach Josefs Meinung sollten alle Dinge eine gewisse Größe aufweisen. Kleine Biere waren für ihn nicht mehr als ein finanztechnischer Kunstgriff. Das erwies sich auch hier als richtig. Das kleine Bier kostete letztlich hundertfünfundsiebzig Baht. Am Suvarnabhumi in Bangkok. Da zahlte man mindestens die Architektur mit. Wenn Josef den ganzen Aufenthalt auf dem Flughafen hätte verbringen müssen, dann wäre er auch gleich wieder vorbei gewesen. Ein permanentes, und vor allem galoppierendes, finanzielles Abebben. Die stilvoll dazu gereichten Frühlingsrollen waren sehr cross, aber auch sehr vegetarisch gehalten. Die gummösen Glasnudeln waren, ohne nennenswerte Gemüsebeilage, in knusprigen Teig verpackt. Ohne Fleisch natürlich. Korrekt. Por Pia Phak. Der Preis dafür ähnlich exclusiv wie der für das kleine Bier. Hundertfünfundvierzig Baht. Heiß. Da schreist du schon, bevor du überhaupt hingreifst! Burn Baby burn! Schon ohne Chilisauce. Scharf. Sehr scharf. Die Fingerspitzen glühten, die Zungenspitze wartete. Auf den Schmerz. Papillös wie monetär. Das war exact jenes gastronomische Missverhältnis, auf das jeder Gast mit Leichtigkeit verzichten konnte. Auch Josef. Mango Tree. Naja, Nomen ist halt auch nicht mehr immer Omen. Oder man musste es anders lesen. Man go tree. Geh schiffen. Such dir einen Baum. Bezahlt ist schon.

      Josef hielt das Trinkgeld knapp und ging zurück zu den Shops, wo er noch eine Schachtel getrockneter Jackfrucht kaufen wollte. Aber nirgendwo konnte er die dried Jackfruit mehr ausmachen, überall nur noch Durian, Stinkfrucht, und die war ihm zu riskant. Er meinte, Fische die

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