Hörig. Alina Schumann

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Hörig - Alina Schumann

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Freunde und die Leute auf der Straße. Nein, meine Mutter war überhaupt nicht prüde. Ich habe sie schon als kleiner Bub nackt gesehen. Sie hat auch heute noch eine prima Figur.“

      Mit zwölf zog er mit der Mutter aus der engen großmütterlichen Wohnung aus.

      „Wir konnten uns endlich eine eigene kleine Wohnung leisten. Es war herrlich. Nur meine Mutter und ich. Ich hab im Wohnzimmer geschlafen.

      Wenn die Mutter ihre Männer mitbrachte, versuchte der Bub nicht zu Hause zu sein. Für Verletzungen sei ihr Verhältnis viel zu innig und zu offen gewesen.

      “Meine Mutter hat mir ja auch gar nichts verheimlicht. Sie hat mir im Gegenteil haarklein erzählt, wie’s mit den Kerlen war.“

      Mit 14 wusste Peter, dass seine Mutter Männer mit Haaren auf der Brust und an den Armen am liebsten hatte. Sie erzählte ihm auch, welcher ihrer Freunde es besonders gut konnte. Welcher einen Orgasmus bekam, wenn er sie nur von weitem sah.

      „Meine Mutter ist eine sehr herzliche Frau. Sie hat oft mit mir gekuschelt und mich in den Arm genommen. Zum Spaß hab’ ich mich immer dagegen gewehrt. Dann hat sie mich bestraft. Es war so ein Spiel, das ich sehr gern hatte.“

       Es gab viele Spiele und Rituale zwischen den beiden. Meistens war die Mutter die Bestimmende, die Unnachgiebige.

      Sie inszenierte strenge, rituelle Spiele, die ihn lustvoll erregten. Heiß auf kalt. Ein Wechselbad der Gefühle. Wenn nach dem jähen Schrecken das befreiende Lachen kam, fühlte sich der Bub ganz besonders gut.

      Die Offenheit in der die Mutter ihn an ihren sexuellen Abenteuern teilhaben lässt, verstärkt bei den Knaben die Vorstellung, dass es nur die älteren, dominanten Frauen sind, bei denen man diese wunderbare Lust empfinden kann.

      „Ich wusste natürlich, dass sie nur ganz junge Männer mochte. Und dass die sich auch sehr viel von ihr gefallen lassen mussten.“

       Er bekam auch mit, dass es stets seine Mutter war, die den Sex diktierte. Die, wie er sagt „sich von keinem dieser Männer etwas anschaffen ließ.“

      Und die, ihre Erfahrungen an den Sohn weitergab.

      „Sie hat mir erzählt, dass sie es gern französisch hat. Und mich gefragt, ob ich das denn auch gern täte.“

      Einmal habe er der Mutter im Vertrauen gesagt, dass er eigentlich auf ältere Frauen stehe. Und ob sie das schlimm finde.

      „Wieso denn,“ habe seine Mutter geantwortet. “Du siehst ja an mir, dass die auch noch ganz flott sind. Außerdem lernt ein junger Mann bei einer älteren Frau fürs Leben!“

      Als mich Peter A. zur U-Bahn bringt, wieder ganz der starke Typ mit Porsche und Ray-Ban-Sonnenbrille, wirkt er erleichtert.

      „Nehmen Sie mir wenigstens endlich ab, dass ich keinen Mutterkomplex habe?“ fragte er.

      Wochen später treffe ich ihn in einem Cafe der Münchner Innenstadt. Er will nochmals dringend mit mir reden.

      Ich habe den Eindruck er verwechselt mich mit einem Therapeuten. Als ich ihm das sage, wird er unwirsch.

      „Eigentlich ist es doch ein Kompliment,“ raunzt er mich an. “Wenn ich lieber mit einer Journalistin als mit einem Arzt spreche!“

      Dann fügt er etwas freundlicher hinzu:

      „Sie haben bei mir genau den Punkt getroffen. Ich habe Vertrauen zu Ihnen. Ich weiß auch, dass ich Hilfe brauche. Ich muss endlich mein Leben in den Griff bekommen! Ich will doch nur Ihren Rat.“

      Vergeblich versuche ich mich aus dieser Umklammerung zu befreien. Meine Argumente lässt er nicht gelten.

      „Nach unserem Gespräch war mir klar, dass ich eigentlich eine ältere Frau brauche. Eine, die mindestens zwanzig Jahre mehr Erfahrung hat. Eine, die mir sagt, wo’s lang geht. Die aber diskret ist und über unser Sexleben nicht redet. Außerdem müsste ihre Liebe so unverrückbar sein, wie die Liebe meiner Mutter.“

      Ob er jemals mit seiner Mutter über die damaligen Rituale und wie sehr sie ihn geprägt haben, gesprochen hat, will ich wissen.

      „Nein , nein – weshalb denn?“ fragt er entsetzt.

      „Ich habe Ihnen nur von meiner Mutter erzählt um Ihnen zu zeigen, dass ich nicht verklemmt aufgewachsen bin!“

      Monate waren vergangen, als ich ihn auf meinem Anrufbeantworter finde.

      Er wolle mir nur sagen, dass seine Ehe schon nach zwei Monaten gescheitert ist. Seine Mutter hätte sich mit der jungen Frau nicht verstanden. Sie sei spießig und bigott, habe sie moniert. Aber jetzt sei auch die Mutter an Krebs verstorben.

      „Jetzt habe ich niemanden mehr der mich versteht und nicht verurteilt.“

      Als ich seine Geschichte schreibe wird mir bewusst, welch gefährliche Spiel seine Mutter mit dem Knaben getrieben hatte. Wie sie ihn quasi konditioniert hat

      Auf Erniedrigung und Schrecken.

      Die frühe Lust, die er bei den sadomasochistischen Spielen mit seiner Mutter erlebte und wieder verdrängt hatte, kehrte zurück als er Sophie kennen lernte. Ich bin mir nicht sicher, ob ihm bewusst ist, dass dieses Sehnen seinen Ursprung in seiner frühen Jugend hat. Und, dass auch die geplante Heirat mit der prüden jungen Frau ebenfalls eine Wiederholung des demütigenden Verweigerungsspiels seiner älteren Geliebten Sophie ist. Nur einmal im Monat darf er mit ihr aus religiösen Gründen verkehren. Wieder stellt er seine eigenen Bedürfnisse zurück.

      Die Muster gleichen sich.

      Peter A. hat Angst vor dem Verlust worum er, das uneheliche Kind aus der Sozialsiedlung hat hart kämpfen müssen: um den scheinheiligen Mantel der Wohlanständigkeit. Deshalb wird er auch das Mädchen, das er weder liebt noch begehrt, heiraten.

      „Sie gibt mir den richtigen Rahmen, den ich brauche, um nicht entdeckt zu werden, sagt er.

      Im Schutz dieser Ehe kann er sich eine neue Domina suchen.

      Als ich Peter A. beim Abschied gefragt habe, ob es nicht weniger quälend wäre, seine Obsession zu leben, statt sich den Zwängen einer unbefriedigenden Ehe unterzuordnen, antwortet er:

      „Dieses Unglück kann ich wenigstens noch einigermaßen in den Griff bekommen!“

      Kapitel 2

      Die Faszination der Gosse.

      „Wenn du mich liebst, dann tust du es!“

      Seine Stimme hatte diesen kalten, metallischen Klang. Sie klingt immer so, bevor er bösartig wird. Christiane hat Angst davor. Nicht, dass er sie schlagen würde. Er beschimpft sie. Mit Worten, die Christiane mehr verletzen als Schläge.

      Zwei Stunden später ist sie auf der Reeperbahn. Davidstrasse. Zweihundertfünfzig Meter hoch, zweihundertfünfzig Meter runter. Es regnet leicht. Christianes Stilettos klacken auf dem Pflaster. Der enge Rock ist schenkelkurz. Drei Mädchen, die an der Hauswand lehnen, schielen mit bösen Blicken zu ihr hin.

      „Wenn sie mich vertreiben würden“ denkt Christiane“, wäre dieser Spuk vorbei!“

      Als

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