STRANGERS IN THE NIGHT. Jon Pan

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STRANGERS IN THE NIGHT - Jon Pan

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dazu, sich mehr um Kunst als um Brot zu kümmern.

      Es gab aber auch immer Gewinner, in der Klassik waren es Künstler wie Richard Wagner, Gioacchino Rossini, Giuseppe Verdi, Christoph Willibald Gluck oder Giacomo Puccini. Um Wagner herauszugreifen, der es einfach verstand, sein Genie gewinnbringend einzusetzen, ungeniert und rücksichtslos, gewissermaßen als die perfekte Kombination von Kunst und Geschäft. Doch mit der romantischen Weltentrücktheit gekrönter Häupter, die allein durch ihre Abstammung – wie Ludwig der II. bei Wagner – Kunst im großen Stil unterstützen konnten, hat das Musikgeschäft längst nichts mehr zu tun.

      Die Giganten heißen heute anders, und das war auch schon zu den Zeiten der großen Kampfert–Rehbein-Erfolge so. Es fehlte damals zwar die totale Medienvernetzung, trotzdem hatten einige wenige zu bestimmen, was dem Publikum vorgeführt werden sollte und was nicht.

      Musik ist in den letzten Jahrzehnten zu einem Wirtschaftsfaktor geworden, der sich nicht mehr wegdenken lässt. Ein Unterschied zwischen E-Musik (Klassik) und U-Musik (Unterhaltungsmusik) existiert von der Vermarktung her nicht mehr. In der Klassik sind die meisten großen Komponisten verstorben und können daher nicht mitbestimmen (viele von ihnen konnten das ja auch nicht zu ihren Lebzeiten). Die Unterhaltungsmusik schafft sich ihre Namen, die immer kurzlebiger werden, direkt im Prozess der Vermarktung. Eine Kaempfert–Rehbein-Komposition wurde allerdings von verschiedenen Stars in ebenso verschiedenen Interpretationen gesungen, das heißt, diese Musik hat zumindest in diesem Sinn eine Verwandtschaft zur Klassik. Was zählte, war der Song, nicht das momentane Image eines Newcomers mit einer möglichst ausgefallenen Show.

      Auf die Frage, ob denn ein Orchester einen im Original gesungenen Titel instrumental nachspielen sollte, antwortete Rehbein in seinem letzten Radiointerview: »Wenn ein Orchester gerne Misserfolg haben will, dann spielt es nicht nach. Was soll man denn machen! Wir müssen doch die großen Erfolge nachspielen.«

      Rehbein meinte vermutlich nicht in erster Linie die großen Erfolge aus seiner Feder, sondern er drückte, wie es seine Art war, damit vor allem seine Achtung vor der Arbeit und dem Erfolg anderer aus.

      Vielleicht lebte Rehbein auch eine Form von Verweigerung. Was nicht seinem Gefühl entsprach, wollte er nicht zur Kenntnis nehmen. Aus Gefühlen macht man kein Geschäft! Da blieb er sich konsequent treu, und es kostete ihn viel!

      Nichts wäre nun aber oberflächlicher, als eine solche Haltung heldenhaft zu nennen. Der Held stirbt schlimmstenfalls im Kampf mit dem Bösen. Rehbein ließ sich aushöhlen, weil er nach außen stumm blieb, sich nicht wehrte, nicht selten sogar in eine Trotzhaltung überging. Das zeigt sich an einem banalen Beispiel aus dem Alltag. Als einmal eine Jazzsängerin bei Rehbeins zu Besuch war, bat Ruth ihren Mann, er solle sich doch selber ein Bier im Kühlschrank holen. Rehbein kam mit einem angebrochenen Sechserpack zurück, aus dem dann auch prompt eine der losen Flaschen auf den Glastisch fiel und zerbrach. Rehbeins Kommentar zu seiner Frau: »Du schickst mich nie mehr Bier holen!«

      In solchen Dingen ließ er sich auf nichts ein und ignorierte, was nicht zu seiner Welt gehörte. Da er aber alles andere als gleichgültigen Durchschnitt verkörperte, zog er damit in jeder Phase seines Lebens so genannte Praktiker mit teilweise nicht minderer Begabung auf ihrem Gebiet an. Das war bei ihm schon im Krieg so und erreichte in der langjährigen Freundschaft mit Kaempfert den Höhepunkt.

      Diese Teilung mag in einer idealen Konstellation ja funktionieren (wir werden uns später solche Verbindungen an den Beispielen George–Ira Gershwin und Duke Ellington –Billy Strayhorn näher anschauen), doch bei Rehbein–Kaempfert war, um Rehbein zu zitieren, »die Freundschaft einseitig«. Und eine solche Einseitigkeit wirkt auf die Dauer wie eine Krankheit.

      Wir werden uns natürlich auch mit der Stellung der Unterhaltungsmusik beschäftigen müssen, die ja schon immer sehr eng an das jeweilig vorherrschende Lebensgefühl gebunden war. Gerade die Arbeit in einem doch stark von außen gesteuerten Medium prägte Rehbein mit. Für Leute ohne Einblick in diese Branche ist es schwer nachzuvollziehen, wie sehr der Macher von der Reaktion auf sein Werk abhängig ist. Dabei hat der kreative Aspekt meistens zurückzutreten, denn die Formel »nur was sich verkauft, ist gut« steht über allem. Gerade weil die Unterhaltungsmusik keine geistigen Inhalte transportiert, hängt sie allein von der Vermittlung einer möglichst eingängigen Stimmung ab.

      Wer es also mit einem eigenen Sound schaffen will, hat es in diesem Geschäft doppelt so schwer. Im Gegensatz zur Beat- und Rockmusik, die parallel zu Kaempferts großen Erfolgen ihren Aufstieg hatte und die (besonders in den Anfängen) von der Individualität einzelner Musiker geprägt war, blieb die Unterhaltungsmusik an ein bestimmtes Raster gebunden. Mochte Kaempfert sich diesem Druck durch seine bahnbrechenden Erfolge auch größtenteils entzogen haben, Rehbein besaß diesen äußerlichen Rückhalt nie. Gerade bei den Auftragsarbeiten, die er (neben den Produktionen mit Kaempfert) zahlreich ausführte, wusste er, was man da von ihm erwartete. Schließlich engagierte man ihn auch deshalb.

      Rehbein verfügte über eine fundierte klassische Ausbildung, spielte selber mehrere Instrumente, darunter Geige auf einem hohen professionellen Niveau. Er sagte aber auch: »Unterhaltungsmusik kann man eigentlich nicht lernen. Und komponieren, nun ja, heutzutage muss das auch nicht mehr im üblichen Sinn gelernt sein. Man denke nur an die Beatles, die nicht einmal Noten lesen konnten und trotzdem hervorragende Musik komponiert haben.«

      In seiner Arbeit streifte Rehbein immer wieder die Klassik, in der er auch seine Vorbilder hatte. Die Trennung zwischen E- und U-Musik interessierte ihn wenig. Für ihn gab es nur gute oder schlechte Musik.

      Kehren wir zu Kaempfert–Rehbein zurück. Die Probe, auf die diese Freundschaft im grellen Licht des Erfolgs gestellt wurde, war hart. Hinter den Kulissen spielte sich viel ab, was der Sieger Kaempfert der Öffentlichkeit nie zeigte. Er kannte die Regeln und hielt sie eisern ein. Kaempfert und Rehbein waren wie Erde und Sphäre, das zeigen auch ihre unterschiedlichen Physiognomien. Kaempferts energische, zupackende Art, sein »Wille zur Macht«, vertrug sich nur in bestimmten Momenten mit dem Wesen Rehbeins. Diese Dynamik wurde nie durchbrochen und forderte am Schluss ihre Opfer. Auch wenn Rehbein der um Geld und Ruhm Betrogene war, Kaempfert hat sich selber genauso betrogen. Er brauchte Rehbein, um überhaupt weitermachen zu können. Und kam davon nicht mehr los.

      Zwischenzeitlich ist nun auch eine Bert-Kaempfert-Biografie mit dem Titel Stranger In The Night/Die Bert Kaempfert Story erschienen. Ich habe mich mit dem Autor Marc Boettcher im April 2002 getroffen, da er bei seinen Recherchen von meinem damals noch in Arbeit befindlichen Manuskript (übrigens bereits mit dem Titel Strangers in the Night) erfahren hatte.

      Warum eine Kaempfert-Biografie mit dem Titel Stranger in the Night? Boettcher hat mir bei unserem Treffen davon nichts erzählt. Vielleicht wusste er es da ja selber noch nicht. Er schrieb die Biografie im Auftrag der Kaempfert-Töchter. Und die hatten schlussendlich zu enscheiden, was gesagt und was verschwiegen werden musste. Auch wenn Boettcher auf mich den Eindruck eines um Wahrheit bemühten Autors machte, seine Hände waren gebunden. Seine Bemühungen, in dem Buch teilweise einige kritische Elemente einfließen zu lassen, sind zwar spürbar. Aber mehr durfte nicht sein!

      War Kaempfert wirklich der Fremde in der Nacht? Er machte jedenfalls nie diesen Eindruck, weder privat noch beruflich. Nein, ein Fremder war er nie, schon gar nicht in dem Geschäft, in dem er so erfolgreich wirkte.

      Wir werden uns das später noch genauer anschauen!

      Die Idee zu diesem Buch hier entstand schon zu Rehbeins Lebzeiten. Er selbst hatte darunter gelitten, dass er kein Ventil fand, um den Menschen draußen das zu erzählen, was wirklich passiert war. Wäre ihm das gelungen, hätte es eine innere Reinigung für ihn sein können.

      Da ich Rehbein persönlich gut gekannt habe, hat er mir viel aus seinem Leben erzählt. Manchmal verbrachten wir ganze

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