Angst in Nastätten. Ute Dombrowski

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Angst in Nastätten - Ute Dombrowski Blaues-Ländchen-Krimis

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aufgerissen und Reiner stürmte in seiner üblich rasanten Art ins Zimmer. Er pfiff vor sich hin und warf seine Jacke auf den Stuhl. Dann lief er an Jennifer vorbei zur Kaffeemaschine und setzte sie in Gang.

      „Einen wunderschönen guten Morgen, Frau Kollegin“, schmetterte er ihr entgegen.

      „Den wünsche ich dir auch. War es denn schön?“

      „Du kannst dir nicht vorstellen, wie unser Abend war. Ich führe die Dame in ein schickes Restaurant, wir bestellen gutes Essen und einen edlen Wein. Wir kommen ins Gespräch und Undine gesteht mir, dass sie mich mag, da geht die Tür auf und Günther Betzberger stürmt herein, setzte sich an unseren Tisch, redet den ganzen Abend ununterbrochen über den Fall und das war es dann. Nichts mit Romantik und so. Als er endlich weg war, war auch die Stimmung futsch. Egal, es war trotzdem nett. Was ist das denn?“

      „Trefft ihr euch wieder?“

      „Wir wollen telefonieren.“

      „Gut, das ist ein Anfang. Der Brief hat heute Morgen im Postfach gelegen. Kein Absender und er riecht nach nichts.“

      „Wie sollte denn ein Brief riechen?“

      „Nach Parfüm zum Beispiel. Heiße Liebesgrüße von Undine oder so.“

      „Quatsch.“

      Reiner nahm einen Bleistift und öffnete den Umschlag. Ein schmales weißes Blatt Papier kam zum Vorschein. Es war mit derselben Schrift und mit blauem Kugelschreiber eng beschrieben. Der Kom­missar las schweigend, dann reichte er das Blatt kopfschüttelnd über den Tisch.

      „Da hat sich jemand einen Scherz erlaubt.“

      Jennifer las laut: „In einem Haus in Nastätten befindet sich eine Überraschung für euch. Merkt euch: In einem Stein, den ihr nicht finden werdet, in einer Mauer, die ihr nicht kennt, in einem Haus, das ihr nicht benennen könnt, befindet sich eine Sprengladung. Wenn sie explodiert, werdet ihr diese Stadt verlassen müssen, denn das, was in der Bombe ist, wird euer Trinkwasser für alle Ewigkeit verseuchen. Wer davon trinkt, wird sterben. Versucht nicht, nach dem Stein zu suchen, denn auch, wenn ihr ihn entdeckt habt, wartet die zweite Überraschung auf euch: In einem weiteren Stein, den ihr nicht finden werdet, in einer Mauer, die ihr nicht kennt, in dem Haus, das ihr nicht benennen könnt, ist ein Sender. Wenn ihr die Bombe aus dessen Reichweite entfernt, wird sie ebenfalls explodieren. Ihr glaubt mir nicht? Dann lasst euch überraschen.“

      „So ein Blödsinn. Es ist unfassbar, worauf die Leute kommen, wenn sie Langeweile haben. Schmeiß den Mist weg und dann fangen wir mit unserer Arbeit an. Das Protokoll muss fertiggemacht werden.“

      „Das Protokoll liegt schon oben.“

      „Oh, vielen Dank.“

      „Wir müssen den Brief ernstnehmen.“

      „Es ist MEIN Brief und so einen Quark darf man nicht ernstnehmen. Gib her!“

      Reiner nahm den Brief, ohne ihn noch einmal zu lesen und warf ihn in den Papierkorb.

      „Ich lasse mir doch von einem Spinner keine Angst machen. Und jetzt sag mir, was anliegt. Was war denn noch mal mit dem Diebstahl des Bootes am Hafen?“

      „Reiner, du kannst diesen Brief nicht einfach wegwerfen. Wir müssen ihn wenigstens in die Spusi bringen.“

      „Papperlapapp, ich fahre jetzt zu dem Bootsbesitzer. Wenn du mitkommen willst, dann los.“

      „Ich muss noch auf einen Rückruf wegen der Schlägerei am Bahnhof warten.“

      Reiner griff nach seiner Jacke, verabschiedete sich und verließ pfeifend den Raum. Jennifer wartete, bis sie ihn nicht mehr hörte und ging zu seinem Schreibtisch. Sie nahm den Briefumschlag aus dem Papierkorb, strich den Briefbogen mit dem Ärmel glatt, steckte ihn zurück in den Umschlag und versteckte ihn in ihrem Schreibtisch.

      3

      Jasmin saß weinend vor der Remise und zitterte am ganzen Körper. Auf dem Tisch lagen ein weißer Umschlag und ein weißes schmales Blatt, eng beschrieben mit blauem Kugelschreiber. Es war niemand zuhause, nur Zorro hockte neben ihr und sah sie an. Er legte eine Pfote auf ihren Oberschenkel, als wolle er sie trösten.

      Sie streichelte den Hund und sagte: „Du passt auf mich auf, ich weiß. Wo bleibt nur Undine? Sie wollte schon längst wieder hier sein.“

      Zorro bellte kurz und legte sich auf Jasmins Füße. Undine war zu einem Töpferkurs in die Schule gefahren. Das war ein neues Projekt und sie hatte sich entschieden, wieder regelmäßig mit den Kindern zu arbeiten. Der Unterricht endete kurz vor vier Uhr, aber jetzt war es schon fast fünf.

      Jasmin, die seit einigen Tagen beim Optiker arbeitete, war eben heimgekommen und hatte die Post durchgesehen. Ein weißer Umschlag mit ihrem Namen, auf dem keine Briefmarke klebte, hatte ihre Aufmerksamkeit geweckt. Wer hatte ihr denn da eine nette Einladung in den Kasten geworfen?

      Nachdem sie den Brief gelesen hatte, war sie weinend auf die Bank gesunken. Da wollte jemand Nastätten, ihre Heimatstadt, ins Verderben stürzen. Aber warum hatte ausgerechnet sie diese Nachricht bekommen? Sie sah noch einmal die Post durch. Nein, Undine hatte keinen solchen Brief erhalten.

      Jasmin war hier aufgewachsen, aber ihre Mutter war bald sehr krank geworden. Ihren Vater hatte sie nie kennengelernt. Vor ein paar Jahren war ihre Mutter, die sie lange gepflegt hatte, an Krebs gestorben.

      Jetzt öffnete sich die Tür und Undine kam mit Lene herein. Sie trugen eine Tüte mit frischen Brötchen vor sich her und waren guter Dinge.

      „Entschuldige, meine Liebe, dass wir so spät sind, wir wollten pünktlich kommen, aber dann haben wir Karla getroffen und uns festgequatscht“, sagte Undine.

      Lene setzte fort: „Ach, wenn du wüsstest, wie gut es Karla und Lina geht, nur Julius kann nicht so gut damit umgehen, dass er jetzt keinen Vater mehr hat. Sag mal, was ist denn mit dir los? Hast du geweint? Du zitterst ja!“

      Undine legte die Brötchen auf den Tisch und setzte sich zu Jasmin. Lene nahm gegenüber Platz.

      Undine fragte leise: „Hast du eine schlimme Nachricht erhalten? Ist jemand gestorben?“

      Jasmin schüttelte den Kopf und schob das Blatt Papier über den Tisch. Undine las genau denselben Text vor, den auch Reiner und Jennifer heute Morgen gelesen hatten. Dann ließ sie das Papier sinken und die drei Frauen schwiegen betroffen. Lene öffnete die Brötchentüte, holte eines heraus und biss hinein. Sie aß immer, wenn sie verwirrt war.

      „Und was jetzt?“, fragte Jasmin in die Stille.

      Undine nahm den Poststapel und blätterte ihn durch.

      „Für mich ist so ein Brief nicht gekommen.“

      „Ich weiß, ich habe schon nachgeschaut. Lene, du musst heimgehen und nachsehen, ob du auch Post hast.“

      Lene nickte und lief mit dem Brötchen in der Hand nach Hause. Fünfzehn Minuten später war sie wieder zurück und zitterte nun genauso wie Jasmin.

      „Ich habe auch einen. Warum bekommen wir denn solche Post? Ist irgendwo ein Absender drauf? Erkennst du

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