Zeit der Drachen. Josef Hahn

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Zeit der Drachen - Josef Hahn

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so das erste Mal. Sie hatte halblanges schwarzes Haar, durchzogen von einigen grauen Strähnen, einen vollen Mund und sehr gütige Augen. „Tante, du bist schön!“, rutschte es Ibrahim heraus. Die Tante nahm es zur Kenntnis. Anscheinend freute sie sich über das Kompliment ihres Neffen. Ihr Mann verzog geringschätzig sein Gesicht.

      Ein Taxi brachte sie zu einem billigen Bread-and-Breakfast am Stadtrand von Dublin. Gleich morgen würden sie von da aus zur Britischen Botschaft gehen und dort ihre Einreise nach England anleiern. Heute hatten mehr als genug erlebt und gesehen. Todmüde fielen sie ins Bett.

      Am Morgen regnete es immer noch. Sogar stärker als Gestern. Sie absolvierten das vorgeschriebene Morgengebet und starrten danach missmutig aus dem kleinen Fenster ins verregnete Dublin. „Wir nehmen ein Taxi“, entschied Dawud. So war es dann auch. Der Sekretär in der Botschaft war ein typisch britischer Beamter. Hochgewachsen, überschlank und er verzog keine Miene, als ihm Dawud Ibrahims Geschichte referierte und den Wunsch äußerte, man möge dem Jungen Asyl gewähren, ihn passabel unterbringen und auch für seine Ausbildung sorgen.

      „Wer soll denn das bezahlen?“ war seine erste Frage. „Wir sind ein armes ausgeblutetes Land. Die Regierung seiner Majestät kann keinesfalls für die entstehenden Kosten ihres Neffen aufkommen. Unmöglich!“

      „Braucht sie auch nicht!“, kicherte Dawud. Mein Neffe verfügt über mehr als zwanzigtausend Pfund zu seiner persönlichen Verfügung!“

      „Wo und wie?“, reagierte der Sekretär. Statt einer Antwort zog Dawud die Geldscheine hervor. Die Miene des Briten zeigte erstmals Emotion. Er nahm das Geld in die Hand, prüfte und zählte es. Dann nickte er. Fast wohlwollend. „Na ja, dann schaut die Sache schon besser aus. Die Regierung seiner Majestät bietet ihrem Neffen selbstverständlich Schutz und Obhut. Ich empfehle ihrem Neffen sich in der Stadt Blackburn niederzulassen.“

      Blackburn? Keiner der Gossarahs hatte diesen Namen jemals gehört. „Blackburn?“, erkundigte sich Dawud. „Warum gerade in Blackburn?“

      „Die Stadt Blackburn in der Grafschaft Lancashire im Nordwesten Englands. Sie hat in etwa 150.000 Einwohner, 52 Moscheen und in den Schulklassen werden bis zu 90 Prozent islamische Kinder unterrichtet. In dieser Stadt, so meine ich, wäre ihr Neffe am besten aufgehoben.“

      ●●●

      Blackburn

       Die Jungen in weißen Gebetshemden und –mützen und selbst die ganz kleinen Mädchen ausnahmslos mit Kopftuch kommen fünf Tage in der Woche für jeweils zwei Stunden in die Gebetsschule. Nach einem Schultag, der erst um 15.30 Uhr endet. Der Mullah, ein Besucher aus Persien, nickte wohlwollend mit dem Kopf. Einer der Lehrer wies auf einen kleinen Schüler, der mit dem Finger die Zeilen des Korans abfährt. „Er ist erst neun, aber er kann schon ganze Kapitel auswendig. Auf Arabisch natürlich! Einer meiner besten Schüler.“

      Ibrahim lernte mit einem Eifer, der sich von den anderen deutlich abhob. Je mehr er sich in die Tiefe des Korans vertiefte, desto stärker und fester wurde seine Überzeugung, dass allein der Islam dazu bestimmt war, der Welt die richtige Religion und den wahren Glauben zu bringen. Dazu wollte er beitragen; später, wenn ihm der Imam der Moschee dazu für reif erklärte.

      Der Imam hat ihn bei sich aufgenommen. Ein barmherziger Mensch und unbedingter Anhänger des schiitischen Islam. Ibrahim wohnt bei ihm, erhält zu essen, verfolgt konsequent die religiösen Vorschriften und verfällt mehr und mehr in den Fanatismus islamischer Hardliner. Ein Märtyrer will er werden; später. Der Imam begrüßt diesen Entschluss und erzählt ihm Wunderdinge vom islamischen Paradies, wo Milch und Honig fließen und derlei Erfreulichkeiten mehr. Mit Entsetzen verfolgten die Muslime in Blackburn die Erfolge der israelischen Armee im Sechstagekrieg von 1967. Einige der Jungen, darunter auch Ibrahim melden sich freiwillig zur ägyptischen, syrischen oder jordanischen Armee. Doch bevor sie abreisen und für Allah kämpfen durften, hatte Israel schon den Krieg gewonnen und wieder weitere Teile Palästinas annektiert.

      Traurige Tage für die Muslime weltweit.

      Ibrahim hat sich bei der Universität in Durham angemeldet. Physik will er dort studieren. Sein Ziehvater, der Imam, hat ihn mit seinen Verbindungen den Weg dorthin geebnet. Er findet Unterkunft bei einer strenggläubigen muslimischen Familie. Er dankt Allah für die erwiesenen Wohltaten, indem er sich begeistert seinem Studium widmet und keine Vorlesung auslässt. Wenn Kommilitonen feiern ist er nicht dabei. Lieber liest er seine Skripten und wissenschaftliche Bücher. Bald ist er als Langeweiler verschrien. Auch mit Mädchen hat er keinen Kontakt. Allah würde ihm, wenn er es für gut befände, schon ein Weib schicken.

      Im Iran geschehen unglaubliche Dinge. Ein alter Ajatollah, jahrelang vom System verbannt kehrt zurück nach Teheran und der verhasste Reza Pahlavi, der Strohmann der Engländer und Amerikaner flieht ins Ausland. Einen Großteil seines Vermögens nimmt er mit. Ruhollah Mussawi Khomeini aus Khomein wird spiritueller Führer der islamischen Revolution. Aus dem französischen Exil stürzte er die Regierung von Mohammad Reza Pahlavi, dem damaligen Schah des Iran. Sein religiöser Fanatismus führt zur Initialzündung eines den arabischen Raum prägenden islamitischen Fundamentalismus. Außenpolitisch wird seine Diktatur geprägt von einem enormen Hass auf die USA und gegen Israel.

      Ibrahim ist von dem Mann begeistert. Ruhollah Mussawi könnte der neue Führer aller Moslems sein. Vielleicht sogar der 13. Mahdi? Der lang erwartete Erlöser der Muslime; weltweit! Er geht vor Abschluss seines Studiums nach Teheran und schließt sich den Garden der iranischen Revolution an. Er wird zum Gotteskrieger. Die Ausbildung ist eine sehr harte. Neben den strikt einzuhaltenden religiösen Geboten lernt er schießen, sprengen und auch sonst irgendwie töten. Auf den Zielscheiben, die sie verwenden, sind nur jüdische Gesichter aufgemalt. Hin und wieder auch das Banner Amerikas. Nach seiner Ausbildung verleihen sie ihm einen neuen Namen. Sein Kampfname lautet Gamal al’Asad (Gamal der Löwe). Darauf ist er stolz!

      ●●●

      Tel Nof

      Leutnant Shmuel Kohn, der Offizier vom Dienst am Militärflugplatz Tel Nof erhielt um 23.30 Uhr einen Anruf, der ihn in große Verwirrung stürzte.

      „Hier ist Oberst Aaron Goldberg vom Hauptquartier. Ich bereite eine geheime Mission vor. Machen Sie mir umgehend eine Maschine startbereit, eine F-35 oder eine F-16. Volle Bewaffnung ist erforderlich. Ich lande in zwei Stunden mit einem Hubschrauber. Haben Sie kapiert Leutnant? Noch was: kein Wort zu irgendwem außerhalb des Geländes! Das ist ein Befehl!“

      „Jawohl, Herr Oberst.“ Verwirrt legte Shmuel auf. Goldberg war immerhin der stellvertretende Kommandeur der israelischen Luftwaffe. Und er nur ein junger, einfacher Leutnant und gedrillt darauf, die Befehle seiner Vorgesetzten zu befolgen. Eine geheime Mission? Was wohl hatte der hohe Offizier vor?

      Während der britischen Mandatszeit befand sich in Tel Nof ein Stützpunkt der Royal Air Force. Heute sind in da mehrere Kampfflieger- und Hubschrauberstaffeln und auch Spezialeinheiten der Streitkräfte beheimatet. Auch die offiziell nie eingestandenen israelischen Atomwaffen sind hier gut geschützt gelagert. Kampfflugzeuge, die diese Waffen einsetzen können, sind seit Jahrzehnten rund um die Uhr in ständiger Alarmbereitschaft. Der Oberst könnte doch problemlos einen in Bereitschaft stehenden Piloten mobilisieren. Warum wollte er selber fliegen, dachte sich der Leutnant?

      Die Dienstvorschriften der Armee verlangten einen Rückruf an die Stelle, von wo der Auftrag gekommen war. Also rief Leutnant Kahn wie vorgeschrieben zurück. „Sind Sie verrückt geworden, sie Würstchen?“, musste er sich anhören. „Warum dieser Anruf? Habe ich nicht strikte Geheimhaltung befohlen?“

      „Haben

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