Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten. Christian Springer

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Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten - Christian Springer

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die Beschreibungen seines durchschlagskräftigen, jedoch auch zu Zwischentönen fähigen Tenors (den man sich – von der Stimmanlage, nicht jedoch vom Stil her – wie ein Mittelding zwischen Francesco Tamagno und Franco Corelli vorstellen kann). Es handelt sich fast durchwegs um sogenannte Zwischenfach-Partien, zu deren Bewältigung der Tenor eine robuste, technisch einwandfrei geführte Stimme mit ausgezeichneter Höhe[244] benötigt, Voraussetzungen, die Fraschini mit seiner leicht baritonalen Färbung voll erfüllt. Seine Stimme soll „wie ein großer Silberteller, der mit einem Hammer, ebenfalls aus Silber, angeschlagen wird“[245] geklungen haben. Sein Einsatz als Rigoletto-Herzog zeigt, daß die Rolle schon im 19. Jahrhundert von baritonalen Tenören mit heldischem Einschlag gesungen wurde. Der Umstand, daß Verdi den Riccardo im Ballo für Fraschini schrieb, ist ein Hinweis auf die vom Komponisten gewünschte Stimmcharakteristik. Erwähnenswert ist schließlich noch, daß der Stiffelio eine der stimmlich anspruchvollsten Verdi-Rollen ist. Er wird von vielen Tenören mit dem Radames und dem Otello verglichen und als kaum weniger anstrengend als diese Partien empfunden.

      Zu seinen erfolgreichen Rollen anderer Komponisten zählen die Tenorpartien in Donizettis Lucia di Lammermoor, Caterina Cornaro, Lucrezia Borgia und Poliuto (eine ausgesprochen heldische Partie) sowie in Robert le diable oder Orazi e Curiazi (Mercadante).

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      er Bariton Filippo Coletti (Anagni, Frosinone 1811-1894) debutierte 1834 in Neapel als Prosdocimo in Rossinis Il turco in Italia und etablierte sich im ersten Jahrzehnt seiner Karriere als Bellini- und Donizetti-Spezialist. 1836 debutierte er in Lissabon, 1840 in London und Wien, 1841 an der Mailänder Scala. In Neapel wurde er 1844 von Donizetti in der Uraufführung der Caterina Cornaro eingesetzt. Nachdem er in diesem Jahr mit großem Erfolg in Venedig den Don Carlo in Verdis Ernani und den Nabucco gesungen hat, wird auch er zu einem der bevorzugten Interpreten Verdis. Nach der Alzira besetzt ihn Verdi 1846 in der Pariser Erstaufführung der Foscari, 1847 in der Uraufführung von I masnadieri in London, wo von der Kritik auch die darstellerische Leistung des Sängers anerkennend hervorgehoben wird, 1851 in der römischen Erstaufführung des Rigoletto (unter dem zensurbedingten Titel Viscardello) und 1858 auf Wunsch Verdis in der neapolitanischen Erstaufführung des Simon Boccanegra:

      Abb. 24 – Filippo Coletti (1811-1894), einer der von Verdi bevorzugten Baritone.

      Wenn Ihr wirklich die Absicht habt, den Boccanegra zu geben, scheint mir [die Besetzung ] mit Coletti, Fraschini und der Penco sowie einem Basso profondo, den man noch finden müßte, ausgezeichnet. Es wäre ein Fehler, diese Oper mit einer anderen Besetzung aufzuführen! Es gibt keinen besseren als Coletti für den Dogen. [246]

      Gerühmt werden auch seine Interpretationen des Ezio in Attila, des Conte di Luna in Il trovatore, des Monforte in I vespri siciliani, des Simon Boccanegra und des Germont in La traviata. Die Überlegungen, den Re Lear zu komponieren, verbindet Verdi mit Coletti, den er sich in der Titelpartie vorstellen könnte.[247] 1869 beendet der Sänger seine Karriere in Neapel. Er veröffentlicht eine Abhandlung über die Gesangskunst.[248]

      Coletti war, wie auch aus seiner Karriere abzulesen ist, ursprünglich ein basso cantante. Bei dem Versuch, sich ein Bild von seinen stimmlichen Möglichkeiten zu machen, darf man angesichts der von ihm interpretierten Verdi-Rollen allerdings nicht annehmen, daß er diese Rollen mit den heute vielfach üblichen, eingelegten, d.h. nicht komponierten Spitzentönen gesungen hat.

      D

      ie Uraufführung der Alzira geht am 12. August 1845 über die Bühne. Der Erfolg ist umstritten, auch weil die übergangene Sopranistin Ann Bishop nach Verdis Meinung Journalisten bestochen[249] und Protestaktionen organisiert hat. Die Zeitungen berichten von Applaus und Pfiffen, von Hervorrufen und Zischen. Einige Nummern finden lautstarke Zustimmung, andere werden mit eisigem Schweigen aufgenommen. Verdi wird im Verlauf des Abends fünf Mal hervorgerufen. Bei den Folgevorstellungen verwandelt sich die eingeschränkte Zustimmung in Ablehnung. Der Beweis für den Mißerfolg ist Verdis Versuch, aus einem Vertrag auszusteigen, der ihn zur Komposition einer weiteren Oper für Neapel verpflichtet (daraus wird mit zwei Jahren Verspätung 1849 die Luisa Miller werden). Diesmal irrt Verdi mit seinen Erfolgsprophezeiungen:

      Dem Himmel sei Dank, auch das ist vorbei. Die Alzira ist auf der Bühne. Diese Neapolitaner sind grausam, aber sie haben applaudiert. Die Bishop hat mir eine Claque vorbereitet, die diese arme Kreatur gewaltsam zu Fall bringen wollte. Trotz alledem wird die Oper im Repertoire bleiben und, was mehr zählt, sie wird wie ihre Schwestern auf die Reise gehen.[250]

      Wahrscheinlich am selben Tag berichtet er an Piave:

      Meine Uraufführungen sind keine Vorstellungen, sondern Kämpfe. [...] Alzira hat so gefallen wie Ernani am ersten Abend in Venedig. Damit habe ich Dir alles gesagt. [...] Sie wird auch (wenn ich nicht irre) die übliche Reise antreten, und zwar bald, denn mir scheint, daß sie eine stärkere Wirkung als die Foscari hat.[251]

      Der letzte Satz ist eine Taktlosigkeit, denn das Libretto der Foscari stammt von Piave.

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      m 28. Oktober 1845 wird die Alzira im Teatro Argentina in Rom aufgeführt. Es kommt zu ungefähr zehn Vorstellungen. Die Interpreten in Rom sind die Sopranistin Augusta Boccabadati, der Tenor Luigi Ferretti und der Bariton Antonio d’Avila. Wenn die Oper hier einen gewissen Erfolg hat, ist es, wenn man den Zeitungen Glauben schenkt, mehr das Verdienst der Interpretation und der luxuriösen Ausstattung als der Musik. Vier Monate später, am 17. Februar 1846 geht die Alzira in Parma über die Bühne. Die Interpreten heißen hier Adelaide Moltini, Giacomo Roppa (der Tenor der Foscari-Uraufführung) und Piero Balzar. Verdis Heimvorteil in Parma kommt nicht zum Tragen: „Bescheidener Erfolg“ kommentiert die Gazzetta di Parma, „Roppa ist der einzige, der Applaus erhalten hat.“ Für einen „historischen Erfolg“ hält hingegen Ricordis Gazzetta Musicale die Aufführung, obwohl auch sie „Zeichen der Ablehnung“ bei einigen Nummern ortet.

      Nach Aufführungen in Lugo erreicht die Alzira am 16. Jänner 1847 die Mailänder Scala. Die Besetzung mit Eugenia Tadolini und Achille de Bassini ist glanzvoll, der Tenor ist John Reeves. Doch die Vorstellung gerät zum Fiasko. So sehr, daß die Oper nach ihrer einzigen Aufführung abgesetzt werden muß. Wie selbst das Ricordi-Blatt zugeben muß, liegt es an der Musik: „Alzira hat nicht gefallen, weil bis auf wenige Nummern die Musik der Alzira nicht gefallen hat.“

      Obwohl die Oper 1847 in Ferrara (mit Carolina Cuzzani, wiederum Giacomo Roppa – ihm scheint die Partie besonders gut zu liegen – und Giovanni Corsi) und im selben Jahr in Venedig, 1849 in Barcelona (Carlotta Gruitz, Roppa, Gaetano Ferri) und in Lissabon (Marietta Gresti, Ambrogio Volpini und Gaetano Fiori) aufgeführt wird, kommt das Verdikt der Scala einem Todesurteil für Alzira gleich: Versuche der Wiederaufführung in Turin 1854 (Giuseppina Brambilla, Vincenzo Sarti, Alessandro Olivari) und in Piacenza 1857 führen zu vernichtenden Urteilen über die Musik. Die letzte Aufführung im 19. Jahrhundert erlebt das Werk 1858 in Malta. Danach verschwindet die Oper 109 Jahre lang von den Spielplänen. Rom spielt sie erstmals wieder 1967 mit Virginia Zeani, Gianfranco Cecchele und Cornell MacNeil, in späteren Jahren folgen vereinzelte Aufführungen, die dem Werk aber kein dauerhaftes Leben einzuhauchen vermögen.

      D

      er Arbeitsdruck der Galeerenjahre lastet schwer auf Verdi. Am 21. April 1845 hat er an seinen Freund Giuseppe Demaldé geschrieben: „Ich kann es kaum erwarten, daß diese drei Jahre vergehen. Ich muß sechs Opern

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