Der Fluch der Steine. Alfred Bekker

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Der Fluch der Steine - Alfred Bekker

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Gebiet beschäftigt und eine Art Privatarchiv dafür angelegt."

      "Interessant", murmelte Jennings. Seine Züge wurden etwas weicher und weniger melancholisch. Eigentlich war ich hier, um etwas über ihn zu erfahren und nicht umgekehrt. Aber es schien, als müßte ich erst etwas von mir preisgeben, bevor er ebenfalls dazu bereit war, sich etwas mehr zu öffnen. John Jennings rollte zu einem Schrank hinüber, zog eine der Schubladen heraus und kam einen Moment später mit etwa einem Dutzend Zeitungsausschnitten zurück. Er legte sie vor mir auf ein niedriges Glastischchen. Ich erkannte die Ausschnitte sofort wieder und mußte unwillkürlich lächeln.

      "Sie haben meine Reportagen gesammelt?" stellte ich etwas überrascht fest.

      "Nur die der letzten Zeit. Schließlich wollte ich wissen, mit wem ich es zu tun habe! Ihren Artikeln nach scheinen Sie das Interesse Ihrer Großtante für das Übernatürliche zu teilen. Sie beschäftigen sich oft damit."

      "Ja, das interessiert mich sehr, Mr. Jennings." Er kam etwas näher. "Nennen Sie mich John." Ich zuckte die Schultern.

      "Meinetwegen, John."

      "Ich gebe morgen ein Fest. Nur für ein paar Freunde und Bekannte. Einige Leute vom Kunstmarkt sind auch dabei. Aber es bleibt eine geschlossene Gesellschaft. Haben Sie Interesse?"

      "Ich werde kommen", kündigte ich an.

      "Gut. Um 20.00 Uhr. Aber lassen Sie Ihren windigen Fotografen in der Redaktion. Ich möchte nicht, daß Bilder gemacht werden und auch einigen meiner anderen Gäste wäre das vielleicht unangenehm. Schließlich findet das ganze in einem fast privaten Rahmen statt."

      Es blieb mir nichts anderes übrig, als diese Bedingung zu akzeptieren.

      Jennings reichte mir die Hand. "Es hat mich sehr gefreut Sie kennenzulernen, Dana!"

      *

      Die Villa meiner Großtante Margaret Sandford ist eine Mischung aus archäologischem Museum und einer

      Kuriositätensammlung. Dazu kommt dann noch ihr Privatarchiv über den Bereich Okkultismus und Übersinnliches. Margarets Mann Frank war Archäologe gewesen und galt als

      verschollen, seit er von einer Forschungsreise nicht zurückgekehrt war. Von ihm stammte die Mehrzahl der archäologischen Fundstücke und fremdartigen Artefakte aus aller Welt, die hier zusammengetragen waren.

      Seit dem Tod meiner Eltern wohnte ich hier und daher war diese für manche Betrachter sicher etwas eigenartige Umgebung nichts Ungewöhnliches für mich.

      Als ich nach Hause kam, setzte Margaret mir eine Tasse Tee vor.

      "Danke sehr", murmelte ich, während ich mich in einen der altmodischen Sessel fallenließ. Margaret setzte sich zu mir, ebenfalls mit einer Tasse Tee.

      Sie erzählte mir von einem Buch in dem sie gerade las. Es handelte sich um eine alte Schrift über einen recht abseitigen magischen Zirkel, der im neunzehnten Jahrhundert in London und Umgebung bestanden hatte und dann ziemlich plötzlich von der Bildfläche verschwunden war.

      "Einflußreiche Persönlichkeiten sollen diesem Kult angehört haben", erklärte sie. "Darunter sogar ein Minister Königin Victorias..."

      Ich nahm einen Schluck Tee und hatte einen Moment später plötzlich wieder das Bild einer Kette vor meinem inneren Auge, die um einen Hals geschlungen wurde. Ich sah ein paar feingliedriger Männerhände, die die Kette zu einer Schlinge zusammenzogen. Ich faßte mir unwillkürlich an den Hals und schluckte. Ein beklemmendes Gefühl hatte sich in mir breitgemacht und ich atmete tief durch, so als brauchte ich dringend frische Luft.

      "Dana!" hörte ich Margarets Stimme. Ich wandte den Kopf zu ihr hin.

      "Entschuldige, Tante Marge", murmelte ich.

      "Na, kein Wunder, mein Kind! Du hattest vermutlich einen anstrengenden Tag in der Redaktion, mußtest dich gegen deinen griesgrämigen Chefredakteur behaupten und ich erzähle dir etwas über eine seit hundert Jahren angestaubte Schrift!"

      "Ich war heute bei diesem Künstler - John Jennings." Margaret lächelte.

      "Hat er diesmal den Termin also nicht platzen lassen."

      "Nein..."

      Sie sah mich an. Ihre Augenbrauen zogen sich ein wenig zusammen und ihr Blick wurde prüfend. Mir war sehr wohl bewußt, wie schlecht ich etwas vor ihr verbergen konnte. Darum versuchte ich es zumeist auch gar nicht erst.

      "Dieser Jennings scheint dich ja sehr beeindruckt zu haben", stellte Margaret fest.

      Da hatte sie vermutlich sogar recht, obwohl ich noch nicht wußte, was es eigentlich war, das mich an diesem Künstler so fasziniert hatte.

      "Ich glaube, es ist mir gelungen, sein Vertrauen zu gewinnen", sagte ich und berichtete meiner Großtante in knappen Worten von unserer Begegnung. "Er redet viel über den menschlichen Geist und geheimnisvolle Kräfte. Ich nehme an, daß der Unfall, der ihn in den Rollstuhl brachte, dafür verantwortlich ist."

      "Gut möglich", meinte auch Margaret. "So etwas kann ein regelrechter Schock sein. Jemand wie Jennings mußte sein ganzes Leben umstellen. Alles verändert sich. Man ist auf die Hilfe anderer angewiesen und fühlt sich wie ein Außenseiter und Krüppel..."

      Ich war noch immer ziemlich unaufmerksam bei unserem Gespräch. Müde war ich allerdings nicht. Nein, daran lag es nicht... Gesichter erschienen in rascher Folge vor meinem inneren Auge. Erst das von Jennings, dann das seiner Sekretärin und schließlich das Gesicht von Brent Erikson, seinem Manager. Dann wieder Jennings.

      Ich hatte unwillkürlich wieder den Gedanken an eine Kette, die sich schlingengleich um einen Hals zog...

      Ein besonderes, charakteristisches Unbehagen hatte sich inzwischen in mir breitgemacht. Ein Gefühl, das ich nur zu gut kannte.

      "Tante Marge", begann ich und blickte in Margarets aufmerksame Augen. Meine Großtante hatte ihre hauchdünne chinesische Teetasse zur Seite gestellt und sich etwas vorgebeugt.

      "Sag's mir, mein Kind. Was ist los?"

      "Ich habe immer wieder ein Bild vor mir, daß mich einfach nicht losläßt..."

      "Deine Gabe...", flüsterte Margaret. Sie war überzeugt davon, daß ich eine leichte hellseherische Gabe besaß, die sich unter anderem in Träumen und Ahnungen äußerte. Ich schwankte noch, ob diese Gabe wirklich über das hinaus ging, was allen Menschen widerfährt. Ein Teil von mir war bereit zu akzeptieren, daß diese Träume, Tagträume und plötzlichen Eingebungen etwas zu bedeuten hatten. Ein anderer Teil von mir sträubte sich vehement dagegen.

      "Ich weiß nicht, ob es etwas mit der Gabe zu tun hat, Tante Marge. Ich bin mir nicht sicher..."

      "Was ist das für ein Bild?"

      Ich erzählte es ihr. Margaret machte ein ziemlich ratloses Gesicht.

      Schließlich sagte sie: "Es hat etwas mit diesem Künstler zu tun, nicht wahr?"

      "Ich weiß es nicht, Tante Marge. Ich weiß nur, daß ich Angst habe, obwohl es dafür keinen realen Grund zu geben scheint." Margaret nickte leicht und erklärte mir dann in gedämpftem Tonfall: "Du mußt dich der Tatsache endlich stellen, daß du eine übersinnliche Gabe besitzt!"

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