Nostromo. Joseph Conrad
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Nostromo - Joseph Conrad страница 25
Mit einem »Gute Nacht, Padre!« – »Gute Nacht, Don Pépé!« ging der Gobernador davon, den Säbel unter dem Arm, den Körper vorgebeugt, mit weitausgreifendem Schritt ins Dunkel. Die Heiterkeit, wie sie zu einem unschuldigen Kartenspiel um ein paar Zigarren oder ein Bündel Yerba paßte, wich sofort der strengen, dienstlichen Haltung eines Offiziers, der sich aufmacht, um die Lagerposten abzugehen. Ein lautes Trillern der Pfeife, die ihm vom Halse hing, erweckte sofort von überallher die grelle Antwort anderer Pfiffe, mit Hundegebell untermischt, das endlich langsam am Ausgang der Schlucht erstarb; und aus dem Schweigen tauchten zwei Serenos auf, die bei der Brücke Wache hatten, und schritten lautlos dem Offizier entgegen. An der einen Seite der Straße lag ein großes Blockhaus, das Warenhaus, ganz und gar verschlossen und verrammelt. Ein andrer weißer Fachwerkbau gegenüber war das Spital; in den zwei Fenstern von Dr. Monyghams Wohnung war noch Licht. Nicht einmal das zarte Blätterwerk einer Gruppe von Pappelbäumen regte sich, so atemlos war die Dunkelheit, in die die überhitzten Felsen ihre Wärme ausstrahlten. Don Pépé stand einen Augenblick lang neben den zwei reglosen Serenos; und plötzlich begann vielleicht hoch oben auf dem steilen Hang des Berges, auf dem einzelne Fackeln glühten, wie verflogene Funken von den zwei Feuern oberhalb, die Schüttrinne zu rasseln. Das scharrende, knatternde Getöse nahm an Wucht und Schnelligkeit zu, wurde von den Wänden der Schlucht aufgenommen und als dumpfes Donnergrollen weit in die Ebene hinausgeschickt. Der Posadero in Rincon schwur, daß er in ruhigen Nächten bei aufmerksamem Hinhören das Geräusch in seinem Hausgang hören könne wie das eines Gewitters in den Bergen.
Charles Gould selbst war der Meinung, daß das Geräusch bis an die äußersten Grenzen der Provinz dringen müsse. Wenn er nachts zur Mine ritt, dann klang es ihm am Rand eines kleinen Gehölzes gleich hinter Rincon entgegen; das böse Murren des Berges, der seine Schätze in das Stampfwerk strömen ließ, war nicht zu verkennen. Dem Mann klang es mit eigener Gewalt ins Herz, als eine donnernde Verkündigung an das ganze Land, mit der Eindringlichkeit einer vollendeten Tatsache, als Erfüllung eines kühnen Wunsches. Er hatte in seiner Einbildung eben dieses Geräusch zu hören gemeint, an jenem weit zurückliegenden Abend, als seine Frau und er, nach mühsamem Ritt durch einen Waldstreifen, ihre Pferde an einem Strom angehalten und zum erstenmal in die wuchtige Einsamkeit der Schlucht gespäht hatten. Da und dort ragte die Spitze einer Palme auf. In einer Steilschlucht nahe beim Abhang des San Tomé-Berges (der würfelig ist wie ein Blockhaus) blitzte der Faden eines kleinen Wasserfalls glashell durch das dunkle Grün der schweren Baumfarne. Don Pépé, der das Paar begleitete, ritt auf, wies mit ausgestrecktem Arm in die Schlucht und erklärte mit gemachter Feierlichkeit: »Sehen Sie hier, Señora, das wahre Schlangenparadies.«
Und dann hatten sie die Pferde gewandt und waren nach Rincon geritten, um dort die Nacht zu verbringen. Der Alkalde – ein alter, fleischloser Moreno, ein Sergeant aus der Zeit Guzman Bentos – hatte ehrfürchtig mit seinen drei hübschen Töchtern das Haus geräumt, um der fremden Señora und Ihren Wohlgeboren den Caballeros Platz zu machen. Er bat Charles Gould nur (den er für eine geheimnisvolle amtliche Persönlichkeit zu halten schien), die höchste Regierungsstelle – El Gobierno supremo – an eine Pension zu erinnern (in Höhe von einem Dollar monatlich), zu der er sich berechtigt glaubte. Sie sei ihm versprochen worden, versicherte er und reckte kriegerisch seinen gebeugten Rücken: »Vor vielen Jahren, für meine Tapferkeit in den Kriegen mit wilden Indianern, als ich noch jung war, Señor.«
Der Wasserfall war nicht mehr da. Die Baumfarne, die unter seinem Sprühregen gewuchert hatten, waren um den ausgetrockneten Wasserlauf herum verdorrt, und die tiefe Schlucht war nur noch ein großer Graben, halb ausgefüllt mit Rückständen und Erzabfällen. Der Bach, weiter oberhalb gedämmt, schickte sein Wasser rauschend durch die offenen Rinnen aus ausgehöhlten Baumstämmen, die, auf hohen Holzpfählen ruhend, zu den Turbinen und dem Stampfwerk auf dem niederen Plateau führten, der Mesa grande des San Tomé-Gebirges. Nur das Andenken an den Wasserfall mit seinen wilden Farnen, die wie ein hängender Garten die Felsen der Schlucht überwucherten, lebte in Frau Goulds Aquarellskizze fort; sie hatte sie eines Tages in aller Eile von einer kleinen Lichtung zwischen den Büschen aus gemacht und dabei im Schatten eines kleinen Strohdaches gesessen, das unter Don Pépés Anleitung auf drei rohen Pfählen errichtet worden war.
Frau Gould hatte alles von Anfang an mit angesehen, die Rodung der Wildnis, den Bau der Straße, die Sprengung der Fußwege längs der Steilhänge von San Tomé. Durch lange Wochen hatte sie mit ihrem Gatten an Ort und Stelle gelebt; und in Sulaco hatte sie sich während jenes Jahres so wenig gezeigt, daß das Auftauchen des Gefährtes der Goulds auf der Alameda ein gesellschaftliches Ereignis bedeutete. Aus den wuchtigen Familienkutschen, die, voll mit stattlichen Señoras und schwarzäugigen Señoritas, feierlich durch die schattige Allee dahinrollten, grüßte sie das lebhafte Winken weißer Hände. Doña Emilia war »von den Bergen herunten«.
Aber nicht für lange Zeit. Doña Emilia pflegte spätestens nach ein oder zwei Tagen wieder »in die Berge hinauf zu gehen« und ihren flinken Maultieren wieder eine Ruhepause zu gönnen. Sie hatte dem Bau des ersten Fachwerkhauses auf der unteren Mesa beigewohnt, das die Kontorräume und Don Pépés Wohnung enthalten sollte; sie hörte mit einem Gefühl heißer Dankbarkeit die erste Wagenladung Erz durch die damals noch einzige Schüttrinne herunterrasseln. Sie war in lautlosem Schweigen neben ihrem Gatten gestanden, fröstelnd vor Erregung, im Augenblick, als die Gruppe der fünfzehn Erzmörser zum erstenmal in Gang gesetzt wurde. Als die Feuer unter den ersten Retorten aus ihrem Schuppen weit in die Nacht hinaus geleuchtet