Der meergrüne Tod. Hans-Jürgen Setzer

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Der meergrüne Tod - Hans-Jürgen Setzer

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wenn eine Einzige dagegen ist.“

      „Sagt mal, wovor habt ihr eigentlich Angst? Wollt ihr euch weiter verstecken, Außenseiter sein. Das ist ja unglaublich. Ich glaubte echt, euch zu kennen. Mit so etwas habe ich wirklich nicht gerechnet.“ Nicole verlor so langsam ihre Fassung.

      „Du weißt selbst, welchem Druck unsere Kinder ausgesetzt sind. Den müssen wir nicht verstärken, indem wir uns in der Presse outen.“ Diesmal kam die Wortmeldung von der Nachbarin der Querulantin.

      „Wer verlangt das denn? Hier sollen keine Namens- und Adressenlisten veröffentlicht werden und auch keine Bilder von Betroffenen. Mann o Mann, ich glaube es nicht. Also, ich schlage vor, wir lassen das heute. Wir müssen uns da erst einmal selbst einig werden. Ich schicke Herrn Walters jetzt nach Hause, wir diskutieren darüber und geben ihm dann Bescheid. Niemand soll sich unter Druck gesetzt fühlen.“ Nicole verließ den Raum und suchte nach Leon.

      „Und, was sagte die Mehrheit?“

      „Leon, sei mir nicht böse. Es ist komplizierter als gedacht. Kindergarten. Wir müssen es erst in Ruhe ausdiskutieren und ich melde mich bei dir, sorry.“

      „Kein Problem. Meine Emailadresse und die Telefonnummer hast du ja. Danke dir, für dein Engagement.“

      „Ja, du, ist mir echt peinlich. Ich dachte, die Mädels wären lockerer drauf. Ist halt echt ADHS hier und heute.“

      „Mach dir keinen Kopf. Ist alles menschlich.“

      Wo die Liebe hinfällt

      „Hallo, Sophie, hier ist Leon. Hast du Lust auf einen kleinen Spaziergang. Es wäre schön, heute noch einen netten Menschen zu treffen.“ Leon telefonierte mit seinem Handy und suchte einen Ausgleich für die Pleite in und mit der Selbsthilfegruppe.

      „Oh, danke. Können wir gerne machen. Ich habe allerdings Nachtdienst und muss um 21:00 Uhr auf der Arbeit sein.“

      „Dann drehen wir eben nur eine kleine Runde. Hauptsache wir sehen uns. Ich habe dich sooo vermisst. Soll ich dich abholen?“

      „Du, ich bin gerade unterwegs. Wie wäre es denn in 15 Minuten an der Stelle, wo wir uns beim Laufen am Rhein getroffen haben?“ Sophies Stimme klang ein wenig außer Atem.

      „Okay. Dann bis gleich.“

      „Ciao, Leon.“

      Leon lief sofort los, denn er brauchte fast zehn Minuten bis dahin. „Wo mag sie wohl gesteckt haben, die Süße?“, dachte er. „Ganz außer Atem war sie. Na, na, na, werde ich jetzt etwa in meinem Alter eifersüchtig? Das fehlte gerade noch. Leon Walters und eifersüchtig.“ Seine Gedanken drehten sich um Sophie. Vor lauter Grübeln war ihm gar nicht aufgefallen, dass er am Treffpunkt angekommen war.

      „Oh, du warst laufen?“, fragte Leon.

      „Ja, darf ich das nicht?“, antwortete sie mit einem leichten Lächeln. Sie gab ihm ein Küsschen auf den Mund.

      „Hmmm, lecker. Krieg ich noch eins?“ Leon und Sophie küssten sich leidenschaftlich und minutenlang.

      „Wow. Das war mehr als eins“, sagte er fröhlich und schaute ihr tief in die Augen. „Ich mag dich, Sophie.“

      „Ich weiß. Hab’s bemerkt. Komm, wir gehen zu dir. Ist doch gleich um die Ecke, oder?“, fragte sie.

      „Woher weißt du das?“, fragte er.

      „Polizeikrankheit. Sorry, war natürlich neugierig und habe geschaut.“

      Leon freute sich wie ein kleiner Schuljunge, der zum ersten Mal verliebt ist und führte sie in sein Zuhause.

      Weltweiter Kongress der Hirnforscher in Berlin

      Doktor Marie Köhler saß in ihrem Wagen und brauste über die Stadtautobahn in Richtung Berlin. Zur Kongresseröffnung würde sie es nicht mehr pünktlich schaffen, allerdings würde sie vermutlich nicht allzu viel verpassen. Sie suchte in ihrem Autoradio und prompt fand sie auch die Live-Übertragung in einem Wissenschaftssender:

      „Alle zwei Jahre treffen sich die schlauesten Köpfe der Welt im Bereich der Hirnforschung an einem gemeinsamen Ort, um sich über ihre neuesten Erkenntnisse auszutauschen. Seit vielen Jahren wurde die Hauptstadt Deutschlands wieder einmal als Treffpunkt ausgewählt“, leitete der Sprecher die Sendung ein. „In diesem Moment findet gerade der Eröffnungsvortrag statt. Wir freuen uns, live dem einzigen deutschen Nobelpreisträger im Bereich der Hirnforschung, Herrn Professor Doktor Dinkelsbühl, bei seinen Worten zu lauschen. Wir schalten nun live zum Kongress.“

      „Unser diesjähriges Motto: ADHS – Stillstand oder Fortschritt? Seit nunmehr 40 Jahren stecken wir scheinbar fest in der Forschung um ADHS. Alle medikamentösen Ansätze drehten sich in der Vergangenheit um Psycho-Stimulanzien. Warum wirkt bei den ADHS-Patienten eine eigentlich anregende Substanz beruhigend? Das fragen wir uns alle seit vielen Jahren. Psycho-Stimulanzien entfalten bekanntlich ihre Wirkung, indem sie die Konzentration des Botenstoffes Dopamin im Gehirn erhöhen. Dies geschieht über die gezielte Hemmung der Transporter für Dopamin und Noradrenalin vor der Synapse, also der Kontaktstelle zwischen den Nervenzellen. So wird eine Wiederaufnahme verhindert. Das ist Ihnen ja allen bekannt, meine Damen und Herren.

      Doch was gibt es nun wirklich Neues auf diesem Gebiet? In den nächsten drei Tagen wollen wir uns nicht nur hierzu austauschen, denn ich bin gespannt, was uns der Kongress an neuen Forschungsergebnissen in den verschiedenen Gebieten unseres spannenden Faches bringen wird. Lassen Sie mich abschließend Sie alle noch einmal herzlich willkommen heißen und freuen wir uns gemeinsam auf den internationalen Austausch, nicht nur fachlicher Art, sondern auch persönlicher. Im Anschluss finden in den jeweiligen Räumen die Arbeitskreissitzungen statt und alles andere entnehmen Sie bitte dem Kongressprogramm. Ich bitte Sie außerdem, die Industrieausstellung der Pharmahersteller zu beachten, die durch ihre Unterstützung mit zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben. Vielen Dank dafür und ein herzliches Gelingen.“

      Inzwischen war Marie Köhler nach einem kurzen Weg vom Parkhaus zum Kongresszentrum an ihrem Zielort angekommen.

      Sie hatte gerade noch die letzten Worte mitbekommen. Applaus ging durch den Saal für die Begrüßungsrede des anerkannten deutschen Hirnforschers und Inhabers zahlreicher Ehrentitel, Herrn Professor Doktor Dinkelsbühl. Alle strömten nun in verschiedene Räume zum Frühstück, zu den unterschiedlichsten Treffen oder zur Industrieausstellung, denn jeder hatte andere Erwartungen und Interessen während dieses riesigen, internationalen Wissenschaftlertreffens. Für einige ging es um Einwerbung von finanziellen Mitteln für die Forschung, also Beschaffung von Geldern außerhalb der Universität für Zwecke innerhalb. Für andere ging es eher ums Gesehenwerden, wieder andere wollten Forschungsergebnisse vortragen und manche wollten einfach nur verkaufen.

      Doktor Marie Köhler jedenfalls sollte hier ihre Firma Provita, gemeinsam mit Professor Daniel Meggle und ihrem Kollegen, Nils Rathke, vertreten. Sie wollte natürlich bei dieser Gelegenheit die großen Köpfe aus der Hirnforschung kennenlernen, um sie nach und nach für sich, beziehungsweise ihre Firma, einnehmen zu können. Für dieses Mal schien diese Aufgabe vermutlich unlösbar, weil sie überall als die ‚Neue’ vorgestellt werden würde.

      „Na ja, jeder fängt mal klein an“, dachte sie sich. „Ich werde es den Jungs zeigen, was wir Frauen so draufhaben.“ Marie Köhler war es gewöhnt, sich in Männerdomänen zu behaupten und an Selbstwertgefühl mangelte

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