Der meergrüne Tod. Hans-Jürgen Setzer

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Der meergrüne Tod - Hans-Jürgen Setzer

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einem kurzen Rundgang durch die Ausstellung begab sich Doktor Marie Köhler zum Provita-Stand. Sie war dort mit Professor Meggle und Herrn Rathke verabredet und sollte einige wichtige Kontaktleute kennenlernen. Die meisten Kongressteilnehmer nahmen nun erst einmal ihr erstes oder zweites Frühstück im Restaurationsbereich ein.

      „Ah, Frau Doktor Köhler, schönen guten Morgen. Herzlich willkommen auf unserer Showbühne.“ Professor Meggle gab ihr die Hand und fasste sie gleichzeitig mit der anderen Hand am Arm, um den Körperkontakt zu intensivieren.

      „Das hier ist unser ADHS-Messestand. Kommen Sie, ich führe Sie einmal kurz herum. Die Kulissen auf seiner Bühne und deren Wirkung sollte jeder Schauspieler sehr gut kennen. Und Sie spielen ja nun mit in unserem erstklassigen Ensemble.“ Er umfasste sie von hinten und legte seinen Arm auf ihre Schulter. Marie Köhler fühlte sich nicht sehr wohl bei dieser engen Tuchfühlung.

      „Warum müssen diese alten Säcke immer gleich grabschen“, dachte sie, bückte sich kurz nach ihrem Schuh und flüchtete sich so kurzerhand aus der unangenehmen Umarmung.

      „Gerissenes Biest“, dachte Professor Meggle. „Na warte, dich kriege ich schon noch.“ Er erläuterte ihr alle Komponenten des Messestandes und grob das Konzept, wie er hier mit dem Team zu arbeiten gedachte.

      „Also, fürs Erste wäre es für Sie wichtig, die entscheidenden Kontakte zu knüpfen und gerne können Sie natürlich neue Matrosen, sprich Wissenschaftler, mit an Bord holen.“

      „Sollte ich da nicht erst einmal zusehen?“, fragte Marie fast ein wenig verunsichert.

      „Ach was. Sie kriegen von mir ein paar Schwimmflossen und dann schwimmen Sie einfach drauflos. Sie werden sehen, im Nu sind Sie ein Kampfschwimmer.“ Professor Meggle tätschelte ihr wieder die Schulter und grinste dabei.

      „Wenn Sie meinen. Ich werde auf alle Fälle mein Bestes geben.“

      „Davon gehe ich aus. Hier haben Sie eine vertrauliche Mappe, welche Forscher aktuell mitrudern, wer in die entgegengesetzte Richtung und wer überhaupt kein Paddel hat. In den jeweiligen Dossiers können Sie sehen, wie wir planen, Interesse bei den einzelnen Personen wecken und welche Summen dafür zur Verfügung stehen. Das sind Ihre Schwimmflossen. Fangen Sie mit Professor Doktor Dinkelsbühl an. Stellen Sie sich einfach erst einmal bei ihm vor. Er mag junge, erfolgreiche Frauen. Da punkten Sie im Nu.“

      „Okay. Rudert er schon mit?“, fragte Marie.

      „Sie lernen schnell. Er hat sogar als Steuermann das Megaphon. Wenn er Sie mit einigen anderen bekannt macht, dann haben Sie diese dadurch praktisch schon für sich gewonnen. Schauen Sie im Séparée kurz ins Dossier unserer Aufklärungsabteilung. Heute Abend feiern wir dann Ihre Erfolge.“ Der Professor machte eine Geste, als würde er mit einem Glas anstoßen.

      „Danke für Ihr Vertrauen, Professor.“ Marie lächelte, nahm die Mappe und zog sich kurz zurück. Die Dossiers lasen sich wie Geheimdienstberichte über Zielpersonen. Marie erschrak fast ein wenig über diese Art von Berichten. Sie enthielten intimste Details, Vorlieben, Schwächen und die beabsichtigten Strategien, um diese Personen für den Konzern zu gewinnen. Notfalls hätte man sie mit diesen Informationen auch unter Druck setzen können.

      „So, Herr Professor Dinkelsbühl, dann wollen wir mal. Wenn der Berg nicht zum Stand des Propheten kommt, muss der Prophet diesmal zum Berg hingehen. Vielleicht werden alle irgendwann und eines Tages mich als Berg kennenlernen. Besteigen lasse ich mich jedenfalls trotzdem nicht.“ Sie musste lächeln bei dem letzten doppeldeutigen Gedanken. Sie hatte von einem Coach gelernt, sich mit solchen Bildern und Sätzen positiv auf eine Herausforderung vorzubereiten und ihr Selbstbewusstsein zu stärken.

      Sie lief durch die Hallen und schaute sich ganz gezielt nach Professor Doktor Thorsten Dinkelsbühl um.

      „Wo steckst du nur, du Koryphäe?“, dachte sie. „Da, dahinten.“ Sie steuerte zielstrebig auf den grauhaarigen Herrn zu. Er schaute sich gerade ein Poster in der Posterausstellung mit einer Kurzvorstellung von wissenschaftlichen Ergebnissen an.

      „Darf ich mich Ihnen vorstellen, Herr Professor Dinkelsbühl? Mein Name ist Doktor Marie Köhler, Firma Provita.“

      „Ah, junge Dame, sehr gerne. Thorsten Dinkelsbühl, aber das wissen Sie ja offensichtlich schon. Kann ich Ihnen irgendwie weiterhelfen?“, fragte der Professor.

      „Ich bin neu im Team von Herrn Professor Meggle und wollte Ihnen einfach nur mal ‚Hallo’ sagen“, antwortete Marie.

      „Na, wenn das so ist, dann ‚Hallo’ zurück.“ Er lächelte bei diesen Worten. „Gibt es denn bei Provita etwas Neues zum Thema ADHS?“

      „Also, zunächst einmal mich, wie gesagt.“ Sie wurde ein wenig rot bei diesem Satz, weil er natürlich am Thema vorbeiging. Er hatte sie nun tatsächlich auf dem falschen Fuß erwischt. Ihr fehlte ein intensives Briefing. „Mist, hätte ich mich nur besser vorbereitet“, dachte sie.

      Professor Dinkelsbühl lachte laut. „Na, Sie gefallen mir. Erfrischend, Ihre Art.“

      „Nein, das war natürlich ein Spaß. Wie wäre es, Herr Professor, wenn ich Sie kurz zu Herrn Professor Meggle an unseren ADHS-Stand von Provita entführe? Er wird es sich ganz sicher nicht nehmen lassen, Ihnen persönlich die Neuerungen von Provita zum Thema zu erläutern.“ Sie lächelte mit ihrem gewinnendsten Lächeln in seine Richtung.

      „Wer könnte zu so einer bezaubernden jungen Dame schon nein sagen. Natürlich komme ich gerne mit und sei es nur, um noch ein wenig Ihre Anwesenheit zu genießen oder Ihnen zu ein paar Pluspunkten bei Ihrem Chef zu verhelfen.“ Er tätschelte ihr die Schulter und lächelte.

      „Schon wieder so ein Grabscher. Egal, Hauptsache ich kriege ihn zu Meggle. Da muss ich schon mal ein kleines Opfer bringen“, dachte Marie.

      Sie kam mit einem Lächeln zurück in Richtung des Provita-Standes.

      „Donnerwetter, das ging ja schnell. Die hat es tatsächlich drauf“, dachte Professor Meggle und ging ihnen ein Stück entgegen.

      „Herr Professor Dinkelsbühl, wie schön und welch eine Ehre. Wie ich sehe, haben Sie meine neue Mitarbeiterin bereits kennengelernt?“

      „Ich beneide Sie um die nette junge Dame. Sehr erfrischend, muss ich sagen.“ Herr Professor Dinkelsbühl lächelte sie an.

      „Ja, Prädikatsabschluss in Biochemie und einen Master of Business Administration von Harvard“, antwortete er.

      „Respekt, junge Dame. So jung und schon so viel geleistet.“

      Marie wurde wieder rot und wollte endlich das Thema wechseln.

      „Herr Professor Meggle, Herr Professor Dinkelsbühl möchte gerne Informationen aus erster Hand und Neuigkeiten zu ADHS bei Provita. Und ich dachte: Wer kann das besser als Sie.“ Sie lächelte ihn an.

      „Danke, natürlich zeige ich Ihnen gerne unsere aktuellen Forschungsergebnisse. Heute Nachmittag werden sie erstmalig hier auf dem Kongress der Öffentlichkeit vorgestellt. Damit erhalten Sie also exklusiv einen kurzen Wissensvorsprung, Herr Kollege.“ Professor Meggle lachte. „Kommen Sie, wir gehen in unser Séparée. Danke, Frau Köhler. Wir sehen uns später. Sie haben ja einen langen Aufgabenkatalog von mir erhalten.“

      „Stand ich da etwa ebenfalls drauf? Alles Gute und viel Erfolg, bezaubernde junge Dame“, sagte Professor Dinkelsbühl und gab

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